einem anderen Jagdhelfer, gestützt. Konstantin fuhr die Jagdtouristen zur Jagdhütte. Sie fühlten sich sehr müde und matt, sie legten sich sofort auf ihre Schlafpritschen, nachdem sie schwerfällig die Jagdkleidung abgelegt hatten.
Konstantin begleitete sie in die Hütte. Er schaute in den Ofen und legte Holz nach, hantierte an der Ofenklappe. Sie war nun verschlossen. Er ging hinaus, kramte in seinem Auto, wartete längere Zeit, kehrte in die Hütte zurück, schaute sich um. Es schien, als schliefen die Jagdreisenden bereits. Er verweilte kurze Zeit in der Gästeunterkunft, verließ sie mit einem dickgefüllten Sack auf dem Rücken, den er zu seinem Gefährt transportierte und ablegte. Er wiederholte die Prozedur. Wieder hatte er beim Verlassen des Holzhauses einen Sack auf dem Rücken und zusätzlich Tragefutterale – wahrscheinlich mit Flinten - unter den Armen. Alles wurde im Wagen verstaut. Er bückte sich und suchte unter dem Sitz nach einem Gegenstand. Konstantin erinnerte sich in diesem Augenblick an die Worte eines Popen, der zur Gemeinde von der Kanzel der Kirche, in der er als Zwölfjähriger auf der Bank bedächtig lauschte, die Macht und Gewalt des Satans schilderte, wenn sich Frauenspersonen im Winter mit untergestellten Kohlentöpfen erwärmen wollten. Der ‚Kohlendampf‘ raube gar leicht den Menschen das Leben.
Auch in der Holzhütte wirkte er bereits.
Konstantin holte aus dem Auto den Reservekanister und verteilte den Inhalt innen und außen an der Hütte. Er schleuderte ein brennendes Streichholz in Richtung der Touristenunterkunft, eilte zum Auto und fuhr mit seinen Schätzen zügig davon. In den Weiten des Altai gab es keine Feuermelder, keine einsatzbereite Feuerwehr, das Feuer konnte ungebremst am Holzhaus wüten.
Wenige Tage, nachdem im mittelasiatischen Hochgebirge Konstantin Mautner die Jagdtouristen nach der Zusammenkunft am Lagerfeuer in die Jagdhütte begleitet hatte, meldeten Zeitungen und Journale:
- Drei deutsche Jäger verbrannten in Sibirien –
Auf tragische Weise kamen auf einer Jagdreise im russischen gebirgigen Grenzgebiet zur Mongolei zwei hoch dotierte Manager und ein Journalist in den Flammen ums Leben. Sie jagten auf Sibirische Wildarten. Nach einer gemeinsamen rustikalen Mahlzeit abends im Freien saßen die Jagdtouristen noch beisammen und suchten nach Mitternacht die Jagdhütte auf. Einige Stunden später entdeckte der Jagdführer, der weitab in seinem Auto kampierte, Rauch zwischen Bäumen, der aus der Hütte drang. Als er die Tür der Hütte öffnete, entstand durch den Luftzutritt heftiges Feuer. Die Jagdhütte mit den Waidmännern brannte ab.
Der Feuertod war im römischen Altertum eine verbreitete Variante der Todesstrafe. Die Inquisition verurteilte im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit Ketzer und Hexen auf dem Scheiterhaufen zum Tode. Kaiser Friedrich II. und der Papst Gregor IX. ordneten im Mittelalter für hartnäckige Abtrünnige und angebliche Hexen den Feuertod an.
Wirken auf den Organismus dauerhaft Temperaturen von über 45 °C verändert sich die Struktur der Eiweiße. Es kommt zum Funktionsverlust. Bei weiterer Temperaturerhöhung koaguliert das Eiweiß, so dass die Haut und das darunter liegende Gewebe lehmfarben aussehen. Ab 140 °C beginnt die Blasenbildung, dann die Zerstörung der Zellelemente. Oberhaut, Lederhaut platzen auf. Das Feuer erfasst die Unterhaut mit den Fettpolstern, die zu schmelzen beginnen. Ab 250 °C brennt das Fleisch, Die Flammen werden nun vom herausquellenden, verflüssigten Fett unterhalten. Die Feuerzunge dehnt sich aus, erfasst die Gliedmaßen, den gesamten Körper. Durch starke Hitzeeinwirkung schrumpfen Muskulatur und Sehnen der Beuger und Strecker, es kommt zu einer Beuge- und Streckstellung der Extremitäten. Sie wird als ‚Fechterstellung‘ bezeichnet. Der Laie deutet diese Stellung gemütsbetont, als Ausdruck von Schmerzen und einer Abwehr, wie die eines Boxers. Das Gewebe wird schwarzgrau und trocken. Bei 400 °C setzt die Karbonisation ein – das Gewebe verkohlt.
Hitzebedingt verringert sich das Volumen von Körperflüssigkeiten, Schrumpfung tritt ein. Die Hitze der Flammen zerstört und verändert den menschlichen Organismus in einem unfassbaren Ausmaß. Häufig ist die Körperform nicht mehr zu erkennen. Die Knochen behalten ihre Gestalt.
Noch wenige Tage vorher marschierten die drei Jagdfreunde Florian Dalheim, Frank Werle und der Jagdpublizist Michael Derling in der Hochebene des fernöstlichen asiatischen Hochgebirges an der mongolischen Grenze, das mit Wald und Moor, mit steil abfallenden Hängen und vielfältiger Flora bedeckt war, über Hügel, überquerten Grasflächen mit Buschwerk, durchstreiften Mischwald und kletterten über felsiges Gelände.
Florian Dalheim musste seine Jagdstiefel neu binden, während die anderen Jäger auf einem schmalen Pfad ins Tal abstiegen und zwischen Felsbrocken, Buschwerk und Heidekraut zügig den Rückmarsch antraten. Er verlor deshalb den Anschluss. Als er sich wieder aufrichtete, Rucksack und Büchse auf dem Rücken in Position brachte und in die Gegend schaute, blickte er direkt in die funkelnden Augen eines Schneeleoparden, der auf einem Felsvorsprung über ihm stand und misstrauisch auf ihn herabsah. Er sah den Kopf und die breiten Schultern der schwarzgefleckten Großkatze. Sie wirkten auf ihn gewaltig, riesenhaft, bedrohlich, ja titanisch. Es musste ein ausgewachsenes Exemplar sein. Die Ohren waren nach oben gerichtet, die Vorderbeine auf den Boden gedrückt, es schien als sei dieser Panther in Lauerposition und zu einem Sprung bereit. Dabei würde der dicht behaarte Schwanz die Funktion eines ‚Steuerruders‘ übernehmen, überlegte er, zielgenau könnte ihn so dieses massig erscheinende Tier anspringen.
Ein Schauer lief über seinen Rücken, Gänsehaut bildete sich, panische Angst überfiel ihn. Er konnte spontan keinen klaren Gedanken fassen. Der Atem stockte. Er hatte gelesen, es gäbe menschenfressende Leoparden. Ihm ging durch den Kopf - 'nicht weglaufen, direkten Blickkontakt vermeiden, Augenkontakt werden in der Tierwelt als Zeichen von Aggression wahrgenommen, Leoparden nur aus den Augenwinkeln betrachten, damit sie nicht die eigene Angst bemerken'. Blitzschnell nahm er die Büchse von der Schulter, entsicherte es und zielte auf das Ungeheuer auf dem großen Felsblock. Zum sofortigen Schießen konnte er sich nicht entscheiden. Ringsum unheildrohende Stille – Grabesstille. Einige Vögel schwirrten über ihn durch die Luft.
Immer die Feuerwaffe im Anschlag, ging er bedächtig, winzige Schritte machend, Schritt für Schritt rückwärts. Plötzlich drang die Löwenjagdsymbolik in sein Bewusstsein. Im Mittelalter sah man die menschenverschlingenden Löwen als Symbol für unheilvolle, todbringende Mächte. Dalheim wagte nicht, einen Ruf in Richtung der vorausgegangen, weit entfernten Jagdfreunde zu geben.
Der Leopard schaute zu ihm starr und unentwegt. Was tun? Sein Empfinden von Panik, seine Angst um Leib und Leben ließen nach. Er bildete sich ein, schon sehr weit weg von diesem Tier zu sein. Er wagte einen direkten Blick auf die Bestie, sie drehte den Kopf und lief weg. Schnellen Schrittes eilte er seinen Kumpanen hinterher. An einer Biegung hatten sie auf ihn gewartet.
„Vor wenigen Minuten – eine Raubkatze mit riesigem Schwanz auf dem Felsen über mir“, schilderte er aufgeregt und mit Unterbrechungen, „majestätisch … im Hinterhalt wartend, auf Lauer liegend … zum Sprung bereit. Ich dachte jeden Moment macht sie einen Satz auf mich … und bohrt ihre Zähne in mein Fleisch … und beißt sich… unwiderruflich fest …“.
Auf seine stockend vorgetragene Schilderung der Erlebnisse reagierten die anderen mit lautem Lachen. Das kränkte ihn sehr.
„Du Bekanntschaft mit Schneeleoparden gemacht“, sagte Sascha, der Jagdhelfer. „Schneeleopard keine Gefahr für Mensch, ist friedlich. ... Es war Glück, dass du ihn gesehen. … Forscher suchen ihn das gesamte Jahr und sehen ihn nur ein- oder zweimal. Er lebt im Gebirge – über tausend Meter. Vielleicht ist krank. Kam weiter nach unten. Sucht hier Futter.“
„Ja, der Schneeleopard hat sein Reich weit oben, in den großen Bergen gleich unter dem Himmel, dort hat er seine Jagdgründe, dort lauert er auf Bergziegen und Steinböcke“, ergänzte Michael Derling, der mitreisende Jagdfreund, Publizist und Experte im Jagen.
Die Waidmänner kamen zurück zur Jagdhütte, es war fast dunkel. Sie suchten die Rindenstücke und Holzspäne zusammen, die sie tagsüber in der Sonne trocknen ließen, schichteten sie in dem eisernen Ofen, der in der Ecke der Holzhütte stand, übereinander und begannen Feuer zu machen. Das Feuer wollte nicht brennen. Es drang sehr viel Rauch aus dem Ofen in den Raum.
Sascha