Christiane Kriebel

Dita und die 70er


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liegen habt.“ „Nichts für ungut, morgen nach Feierabend kannste mir die Haare stutzen.“ Freddy drehte sich wortlos um, nickte zufrieden und bog in die Schröderstraße ein. Nur Waldi kläffte verächtlich und pinkelte an den Laternenpfahl. Hans stand neben mir und lächelte geheimnisvoll. „Ich habe eine Überraschung für dich“, flüsterte er. Erwartungsvoll sah er mich an. „Na, willst du nicht wissen, was es ist?“, fragte er. Ich schüttelte den Kopf. „Schmeiß den alten Schinken weg, ich kauf dir ein neues“, schlug er vor. „Es gehört Frau Seipel. Es ist eine Ausgabe von 1910. Sie hängt so an dem Buch “, sagte ich und ging weiter. „Ich fahre jetzt zu ihr.“ „Wenn du jetzt fährst, kommst du nicht wieder“, sagte Hans und hielt mich sanft am Arm fest. „Komm“, bat er mich, „ich will dir was zeigen. Hat etwas mit deinem Buch zu tun.“ Seine Beharrlichkeit gefiel mir und meine Neugier siegte. Wir spazierten zum Monbijou Park, liefen eine halbe Stunde, vorbei am alten Nikolaiviertel bis zur Brüderstraße. Wir liefen durch die verträumt anmutende Straße, bis wir zu einem kleinen Gässchen kamen. „Da hast Du deine Sperlingsgasse“, sagte Hans stolz und zeigte auf das alte Straßenschild am Eingang der Gasse. „Hier hat er also gewohnt, der alte Privatgelehrte Wachholder“, sagte ich zu Hans, der andächtig dastand und den engen Durchgang betrachtete, der sich Gasse nannte und zur Spree führte. Im Geiste sah ich den grauhaarigen Greis aus dem Fenster eines Patrizierhauses schauen. Er war aus Ulfelden, der Stadt seiner Kindheit nach Berlin gekommen. Die Sperlingsgasse, die Wacholder beschreibt, war klein, doch sie war seine Bühne, mit seinen Darstellern, und für ihn bedeutete sie die Welt. Welche Menschen werden auf meiner Bühne stehen, überlegte ich. Werde ich sie mit genauso viel Liebe betrachten, wie es Wacholder tat? fragte ich mich, während ich wie im Traum durch die enge Gasse wanderte.

      „Ist das öde hier?“, sagte Hans enttäuscht. „Vorne am Mühlendamm befindet sich die Plätt- und Wäscheanstalt und eine Destillerie.“ „Was erzählst du da?“, fragte Hans. „Ich sehe nur einen blöden Plattenbau.“ „Die Häuser der Sperlingsgasse wurden in den 60-iger Jahren abgerissen“, sagte ich. „Dachte schon, du kannst in die Vergangenheit sehen“, spöttelte Hans und zündete sich eine Zigarette an. „Ich hab bei Frau Seipel eine Postkarte von der Sperlingsgasse gesehen, so wie sie damals aussah.“ „Ach so“, sagte Hans, zog an seiner Zigarette und lief die Brüderstraße entlang bis zur Ecke. Ich folgte ihm, war aber weiterhin bei dem alten Wachholder und seinem Ziehkind, das damals die ganze Gasse unterhielt. In der Brüderstraße schreckte ich jäh aus meinen Gedanken auf. Ein kleines Mädchen fuhr heftig klingelnd auf mich zu, Hans zog mich zur Seite und als ich aufblickte, sah ich in die Auslagen eines Jugendkaufhauses. „Mode für die junge Braut“ las ich in großen Lettern. Die Mode gefiel mir nicht. Schleier, lange duftige Kleider, Tüll und Spitzen fand ich zu aufwendig, und ans Heiraten dachte ich nicht einmal im Traum. Ich wollte immer noch Regisseurin werden. Hans ging an dem Hochzeitsausstatter desinteressiert vorüber. Gutgelaunt steuerte er zur „Letzten Instanz“. „Nach der kulturellen Exkursion hab ich mir ein Bier verdient“, stellte er zufrieden fest und legte den Arm um mich. Das wunderschöne und älteste Restaurant von Berlin befand sich in der Waisenstraße. Sein Ursprung reicht in das Jahr 1621 zurück, als ein ehemaliger Reitknecht des Kurfürsten hier eine Branntweinstube eröffnete, hatte ich gelesen. Bis zur vorletzten Jahrhundertwende war die Gaststätte noch unter dem Namen „Biedermeier- stübchen am Glockenspiel“ bekannt. Die Änderung des Namens in „Letzte Instanz“ soll auch mit dem Bau des Gerichtsgebäudes in der Littenstraße in Zusammenhang stehen. „Es heißt, dass hier auch dein Wilhelm Raabe zu Gast war“, sagte Hans, als ich andächtig vor dem Lokal stand. Wir setzten uns in den gemütlichen Biergarten und bestellten Berliner Weiße. Die Frühlingssonne schien auf das alte Haus und in einigen Sequenzen sah ich gedanklich Wilhelm Raabe am Tisch sitzen, wie er Metzgern, die in die Waisenstraße ihr Schlachtvieh brachten und das Fleisch frisch verkauften, aufs Maul schaute. „Früher hieß die Straße Bullenwinkel. Hat mir meine Urgroßmutter erzählt. Sie wohnte hier ganz in der Nähe. Aber ihr altes Viertel haben sie abgerissen.“ „Die Bonzen machen alles platt“, sagte er ärgerlich. „Ein Glück, dass die Kneipe noch steht“, bemerkte Hans beseelt.

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