Jürgen H. Ruhr

Reise - Begleitung


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wie schön.“ Weser sah mich durchdringend an: „Das ist aber wirklich schön, sie hier zu treffen, Herr Lücklers.“

      „Lärpers“, knurrte ich nur. „Jonathan Lärpers. Hören sie mal, Weser, können sie sich das denn nicht merken?“ - „Doch, doch. Sie sagen es ja, Herr Länpers.“ Immer noch blickte er mich intensiv an. Ich nahm mir vor, in keiner Weise zu reagieren. Irgendwann würde der Mann wieder von alleine verschwinden ...

      Noch bevor ich Christine sprechen hörte, vermeinte ich ihr Grinsen zu spüren. „Herr Weser, wollen sie sich nicht zu uns setzen? Hier ist doch noch ein Platz frei.“ Und Birgit schlug in die gleiche Kerbe: „Ja, setzen sie sich doch. Sie sind doch alte Bekannte und der Herr Lärpers spricht immer so nett von ihnen.“

      Das war eine glatte Lüge und Birgit sammelte wieder Minuspunkte bei mir. Was war denn eigentlich in die Frauen gefahren? Christine sollte sich schließlich daran erinnern, wie Weser sich einst in der Pizzeria oder in dem Bistro verhalten hatte. Der Mann war doch einfach nur unmöglich! Und jetzt luden die beiden ihn auch noch ein, sich mit uns an einen Tisch zu setzen.

      Weser grinste selig, verschüttete beim Abstellen des Tellers einen Teil seiner Pampe auf das Tischtuch und angelte anschließend Messer und Gabel aus der Mayonnaise. „Es gibt doch nichts Schöneres, als in Gesellschaft zu speisen“, meinte er dann und trank gluckernd sein Glas leer. Anschließend hielt er nach dem Ober Ausschau. Der kam auch prompt mit einem vollen Glas Bier an unseren Tisch. Anscheinend hatten die beiden ein geheimes Abkommen bezüglich des Getränkenachschubes.

      Weser stocherte in seiner Essenspampe herum, dann blickte er auf den leeren Tisch vor uns. „Sie haben ja noch gar nichts zu essen“, stellte er schließlich fest und schob seinen angefangenen Teller von sich. Messer und Gabel legte er fein säuberlich neben seinem Platz auf den Tisch und hinterließ so zwei dicke Ketchupflecken. „Ich werde mit ihnen zusammen noch einmal neu anfangen“, entschied er dann und winkte aufgeregt dem Kellner. „Bringen sie mir noch einmal dasselbe, bitte. Den Teller hier können sie mitnehmen. Und ein frisches Bier, das hier ist ja schon fast leer.“

      Ich blickte erstaunt auf Wesers Glas. Wieso sprach der Alte davon, dass es leer sei, wenn er noch nicht einmal einen Schluck genommen hatte? Aber das Rätsel löste er im nächsten Moment, indem er den Gerstensaft in einem Zug herunterschluckte. Grinsend wischte er sich dann mit dem Handrücken über den Mund und rülpste vernehmlich.

      Ich rieb mir die Hände, denn meine beiden Damen würden sich über dieses Benehmen mit Sicherheit nicht freuen. Aber - wie das Leben so spielt - ihr habt ihn eingeladen.

      „Wir nehm jetzt erseinma ein Apritativ“, bestimmte Weser und grinste dem mit einem neuen Bier herbeieilenden Ober breit an. „Vier dopplete Wodka.“

      Der Mann fing schon wieder an zu lallen. Ob ich mein Essen einfach abbestellen sollte? Bei dem Alten verging mir allmählich der Appetit.

      „Frau Weru - Christine, was mahn sie denn so? Habn sie schon mein Bundresvelkreuz bemerkt?“

      Christine nickte: „Wir waren doch bei der Verleihung dabei. Schon vergessen, Herr Weser?“ - „Ich glaub ich werd alt. Ja ja, der Herr Linkers war ja auch dabei. Das warn schöner Tag.“

      Ich sah Birgit grinsen. Sie machte auf mich den Eindruck, als würde sie den Alten mögen. „Wollen sie uns nicht von dem Abenteuer erzählen, das zu der Verleihung geführt hat?“

      Am liebsten wäre ich Birgit an die Gurgel gegangen. Das war jetzt das Letzte, was ich hören wollte: diese alte Kamelle unseres Undercover - Auftrages. Zum Glück kam in diesem Moment der Ober mit unserem Essen an den Tisch. Gleichzeitig trat eine weitere Bedienung mit den Wodkagläsern hinzu. Der Ober stellte zunächst die Teller vor uns hin, dann folgten die Gläser mit den Spirituosen. Weser bekam noch kein Essen, er hatte ja später als wir bestellt.

      Irritiert sah er den Ober an: „Un mein Esn?“ - „Das dauert noch ein wenig, der Herr haben ja später bestellt. Bitte gedulden sie sich noch etwas.“

      Weser blickte erst den Ober, dann mich an. Ich konnte ein schadenfrohes Grinsen nicht unterdrücken. Das hatte der Kerl nun davon. Wieso musste er auch sein Essen neu bestellen. Ich griff genüsslich zu Messer und Gabel. In dem Moment, als ich die Gabel in mein Steak stecken wollte, wurde mir der Teller unter der Nase weggezogen. Weser zog ihn blitzschnell zu sich heran und rief dem Ober noch hinterher: „Und bringen sie mir Ketchup und Majo. Schnell!“

      „Herr Weser, das ist mein Teller.“ - „Ist er nicht!“ - „Wohl. Das Essen habe ich bestellt.“

      Weser steckte einen Finger in das Steak und versuchte ein Loch hineinzubohren, was ihm aber nicht gelang. So hatte er es einst auch mit einem Stück Kuchen gemacht. Der Alte markierte auf diese Art und Weise das Essen, das er sich selbst zudachte. „Jetz isses meins“, grunzte er dann auch, ließ aber im selben Moment Messer und Gabel auf den Teller fallen und hob das Wodkaglas. „Is ja noch nich ma Mayo un Ketchup da. Also, prost jetzt Gemeinde. Darauf, dass wir wieder vereint sind ...“ Er sah mich scharf an und erst als ich mein Glas leerte, trank er seines auch leer. Das scharfe Zeug brannte in meinem Magen und sehnsüchtig schielte ich auf mein Steak. Das allerdings wollte ich jetzt auch nicht wiederhaben.

      Chrissi und Birgit hatten ihren Schnaps noch nicht angefasst und Weser schien ihnen das nicht zu verübeln. „Trinkter das nich?“, lallte er und ließ sich die Gläser herüberreichen. Dann nahm er vom Ober eine Flasche mit Ketchup und eine mit Mayonnaise entgegen. Genüsslich spritzte er abwechselnd weiß - rot auf das Steak und die Pommes. Dann begann er alles miteinander zu verrühren. Die beiden Frauen aßen derweil ungerührt ihre Steaks und unterhielten sich dabei leise.

      Ich überlegte, ob ich wenigstens die Pommes einmal von Chrissi probieren sollte, als der Ober mit einem weiteren Teller ankam. Mit einem ‚guten Appetit der Herr’ stellte er den Teller vor mich hin. Ich blickte in ein Gemisch aus Steak, einer extra großen Portion Pommes und reichlich Mayonnaise und Tomatenketchup verteilt über all dem. Mir war der Appetit vergangen.

      Während ich versuchte, doch ein wenig von dem Steak zu retten und feststellte, dass es nichts Ekelhafteres gab als Steak mit Ketchup und Mayonnaise, prostete Weser uns erneut zu und leerte die beiden Gläser der Frauen nacheinander. Dann patschte er wieder in seinem Gematsche herum und schob ein großes Stück Steak in den Mund. „Schmecks ihne nich, Lyxxers?“, nuschelte der alte Mann mit vollem Mund und spuckte ein Stück Steak auf die Tischdecke. Direkt vor meinen Teller. Da lag das angekaute Stück und schien mich höhnisch anzugrinsen. Mir verging die Lust auf das Essen endgültig. Vielleicht fand ich ja später noch Zeit, alleine zu Curry - Erwin zu gehen. Hunger hatte ich ja trotz allem noch.

      Irgendwann fand dieser Abend dann endlich ein Ende. Mein Magen knurrte und ich musste zugeben, dass ich fast zwischendurch versucht war, doch etwas von dem Ketchup - Majo Steak zu essen. Aber nur fast. Weser ließ schließlich sein halbes Essen stehen, prostete uns noch ein paar Mal mit doppelten Wodka zu und saß schließlich mit starrem Blick am Tisch. Ich wartete darauf, dass der Alte mit dem Kopf in sein Essen fallen würde, doch Weser hielt sich aufrecht. Was er von Zeit zu Zeit von sich gab, war nicht mehr zu verstehen. Chrissi machte mir irgendwann ein Zeichen: „Das Beste ist, wir bringen Weser gleich nach Hause. So wie in alten Zeiten“, fügte sie dann an und zwinkerte mir zu. Da ich nun wirklich keine gute Laune hatte, blickte ich sie nur grimmig an.

      Der Ober kam mit der Rechnung und ich warf einen Blick auf die Positionen darauf. Dann stutzte ich. „Hören sie, hier sind zwei Essen zu viel aufgeführt. Und das ganze Bier, sowie der Wodka ...“ Der Ober nahm sich den Beleg vor. „Nein, das hat alles seine Richtigkeit. Das sind das Essen und die Getränke des älteren Herrn dort. Er meinte vorhin, dass sie derjenige seien, der ihn eingeladen hätte.“

      Ich warf einen bösen Blick auf Weser, der selig grinsend vor sich hinstarrte. Mit dem jetzt eine Diskussion beginnen zu wollen, machte keinen Sinn. Weser war weder aufnahme- noch kommunikationsfähig. Ergeben nickte ich und zahlte die Rechnung. Dafür, dass ich nichts gegessen hatte, die Mädchen sich hauptsächlich untereinander unterhielten und Weser jetzt mit dem Finger in seinem Bierglas herumrührte, eine außerordentlich teure Angelegenheit. Am liebsten hätte ich den Alten noch am Tisch erwürgt.

      Der