Jürgen H. Ruhr

Reise - Begleitung


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      Natürlich durfte ich nicht einfach so mit der Wahrheit herausrücken, das hätte Holger garantiert misstrauisch gemacht. Jetzt lag es an mir, durch geschicktes Hinterfragen weitere Informationen über sein Verhältnis zu dieser Frau zu erlangen. Ich wusste sofort, wie ich den Mann verblüffen konnte: „Sie sind Holger Hewa“, begann ich meine Ausführungen und dachte ‚eins zu null für mich’. Aber Holger winkte lediglich ab: „Seit vorne die Tafeln mit unseren Fotos hängen, kennt hier jeder unsere Namen. Ich habe sie aber nicht gefragt, wer ich bin, sondern wer sie sind. Zeigen sie mir doch einmal bitte ihren Ausweis!“

      Ich schüttelte den Kopf. Soweit kam es noch, dass ein x-beliebiger Badegast meinen Ausweis zu sehen bekam. „Ich glaube nicht, dass ich ihnen den zeigen werde.“ Dieses kurze Statement musste reichen. Und wie es mir schien, hatte ich Holger damit überzeugt. Der wandte sich nämlich um und sprach in ein kleines Handy.

      In Gedanken rieb ich mir die Hände. Mehrere Fotos seiner Freundin nebst Kindern, ihn eindeutig dabei erwischt, wie er sich in ihrer Nähe herumtrieb und eventuell als Zeugen noch den Dicken. Der allerdings sah mich unverwandt böse an, so dass ich diese Möglichkeit doch eher ausschloss.

      „Dann kommen sie einmal mit mir“, sprach Holger mich jetzt wieder an und riss mich aus meinen Gedanken. Wohin wollte er gehen - und was noch wichtiger war: was wurde jetzt aus dem gemeinsamen Foto?

      „Würden sie - bevor wir gehen - dann bitte noch für ein Foto neben ihre Freundin treten?“

      Holger sah mich fragend an. Ebenso wie die Frau. Lediglich der Dicke blickte weiter böse. Dem hatte ich doch gar nichts getan. Und ihn wollte ich ja auch nicht fotografieren ...

      „Jetzt reicht es mir aber, Freundchen!“ Holger klang jetzt so böse, wie der Dicke guckte. „Ich kenne diese Frau nicht. Sie kommen jetzt mit und wehe sie weigern sich!“ Was dann wäre, sprach er nicht aus. Aber so, wie ich mich kannte, würde es für diesen ‚Lust - Holger’ schlecht ausgehen. Mir konnte der Mann nichts vormachen. Kannte die Frau angeblich nicht ...

      Trotzdem folgte ich ihm und fand mich kurze Zeit später in einem Raum für Bademeister wieder. Umso besser, dann würde ich hier ja wenigstens einen vernünftigen Menschen treffen, dem ich alles erzählen konnte. Der Dicke war uns ebenfalls gefolgt, stand wie ein Wachposten an der Tür und ließ mich nicht aus den Augen. Mir hing immer noch die Decke um die Schultern und es war verdammt warm. Auch wenn ich es nicht zugeben wollte, am liebsten hätte ich die Decke fort gelegt. Aber ich schwieg beharrlich. Ebenso wie Holger und der Dicke. Und kein Bademeister kam. Endlich wurde es mir zu dumm: „Also, schön Herr Hewa. Jetzt sitzen wir hier und warten auf einen Bademeister. Wo bleibt der Mann denn?“

      „Wir warten nicht auf einen Bademeister“, erklärte mir HH, „sondern auf die Polizei.“

      Auf die Polizei? Was sollte das denn jetzt? Hier ging es doch um kein schwerwiegendes Verbrechen, sondern lediglich um seine außereheliche Beziehung. Wieso warteten wir jetzt auf die Polizei? Ich konnte meine Frage nicht unterdrücken: „Wieso warten wir auf die Polizei? Wollen sie mir das bitteschön einmal erklären?“

      Holger schüttelte den Kopf: „Sie werden es schon noch früh genug erfahren - außerdem: da kommen die Herrschaften ja schon.“ In der Tat betraten jetzt ein Polizist und eine Polizistin den kleinen Raum, wobei der Mann mit sanfter Gewalt den Dicken beiseiteschob. Er trug Handschuhe, wie ich sie bei Bauarbeitern schon gesehen hatte.

      „Guten Tag, wer ist hier Herr Hewa?“

      Ich grinste. Jetzt ging es zur Sache. Wenn die Beamten schon so gezielt nach HH fragten, dann würde es ihm jetzt gewiss an den Kragen gehen. Nur schade, dass ich kein Foto machen konnte, auf dem er mit seiner Freundin zusammen zu sehen war.

      Holger räusperte sich. „Das bin ich. Es handelt sich um diesen Mann hier - den mit der dreckigen Decke um die Schultern.“

      Der männliche Polizist sah mich an. Aus seinem Blick las ich ein wenig Besorgnis - aber auch Belustigung. „Ist ihnen kalt, dass sie diese Decke so fest um sich geschlungen haben?“, fragte er mich grinsend, wurde aber sofort wieder ernst. „Dann zeigen sie uns doch einmal bitte ihren Ausweis.“ Die Polizistin wandte sich an Hewa: „Wie aus der Meldung hervorging, handelt es sich hier um einen mutmaßlichen Dieb ...“

      Hewa nickte: „Dieser Herr dort hinten“, sein ausgestreckter Finger zeigte auf den Dicken, „hat den Mann beim Versuch etwas zu stehlen beobachtet. Und anschließend hat er sein Opfer auch noch fotografiert.“

      Ich lächelte. HH gab sich aber redlich Mühe. Und das alles nur, um von seiner Liebschaft abzulenken. Der Polizist stand immer noch vor mir und hielt die Hand auf: „Ihren Ausweis bitte. Sonst muss ich sie mitnehmen zur Wache.“

      Mühsam kramte ich meinen Ausweis hervor und musste dabei die Decke ein wenig loslassen. Sie rutschte vorne auf und gab die Sicht auf die Kamera frei. „Sie gehen mit der Kamera in ein Schwimmbad? Wollten sie hier fotografieren?“ Vermutlich konnte sich die Polizistin nicht vorstellen, dass man eine DSLR zum Fotografieren benutzte. Ich gab dem Mann meinen Ausweis und lächelte.

      „Wurde denn etwas gestohlen?“ Der Polizist besah sich meinen Ausweis genau und verglich das Foto mit mir. Holger schüttelte den Kopf: „Die Frau sagt, dass nichts fehlt.“

      „Welche Frau?“, hakte die Polizistin sofort nach.

      „Die, die der Mann fotografiert hat“, erklärte Holger geduldig. „Wir haben ihn dabei erwischt. Die Frau und die Kinder hat er fotografiert.“

      „Erst hat er deren Sachen durchwühlt und dann hat er sie fotografiert!“ Der Dicke trat etwas näher und mischte sich ungefragt ein.

      „Gut, bitte geben sie meiner Kollegin ihre Personalien. Wir kommen dann später auf sie zurück, falls erforderlich.“ Murrend nannte der Dicke der Polizistin Name und Anschrift, dann zog er Richtung Liegewiese davon. Nicht ohne mir noch einen letzten bösen Blick zuzuwerfen.

      „Während wir dem Dicken hinterher schauten, sprach der Polizist leise in ein Mikrofon an seiner Jacke. Ich bekam nur mit, dass er meinen Namen dabei erwähnte. Nach wenigen Minuten wandte er sich wieder an mich: „Gut, Herr Lärpers. Hier ihr Ausweis. Darf ich dann bitte einmal ihre Kamera sehen?“ Er wartete nicht lange, sondern nahm mir die DSLR aus der Hand. Dann rief er die von mir eben gemachten Bilder ab. „Warum um alles in der Welt haben die die Frau und die Kinder fotografiert? Offensichtlich sind das ja die einzigen Bilder auf der Kamera. Bis auf das mit den Füßen im Fahrerraum!“

      Oh, da musste ich im Auto versehentlich an den Auslöser gekommen sein.

      „Haben sie die Frau um ihr Einverständnis gebeten?“, fragte er nun wieder und ich schüttelte den Kopf. „Sie können doch nicht einfach so hier Leute fotografieren! Ich werde die Fotos löschen.“ Schon drückte er mehrere Knöpfe, dann gab er mir die Kamera zurück. „Jetzt erklären sie uns doch einmal, was das hier sollte.“

      Die Polizisten und Holger Hewa sahen mich neugierig an. Was sollte ich nun erklären? Dann würde alles auffliegen und Holger könnte weiter seinen Abenteuern ungestraft nachgehen. Mir kam eine Idee: „Ich erzähle ihnen alles, aber nicht im Beisein dieses Mannes dort.“ Ich zeigte auf Holger. Der hob beide Hände: „Ich bin zwar neugierig, worum es geht, aber ich lasse sie gerne mit dem Spinner alleine. Ich muss sowieso wieder - mein Kollege ist schon viel zu lange allein da draußen.“ Holger quetschte sich an den Beamten vorbei, drehte sich in der Tür stehend aber noch einmal zu mir um: „Ach ja, bevor ich es vergesse: Sie haben hier Hausverbot. Lassen sie sich bloß nie wieder hier blicken!“ Dann verschwand er durch die Tür.

      Ich atmete auf. Dann kramte ich in meinen Taschen nach dem Detektivausweis, was die Polizistin aber unwillkürlich zu ihrer Dienstwaffe greifen ließ. Beschwichtigend hob ich beide Hände - ebenso, wie es Holger vorhin getan hatte.

      „Mein Name ist Jonathan Lärpers ...“

      „Das wissen wir schon“, unterbrach mich der Polizist, wobei seine Kollegin den Kopf schüttelte „Ich wusste das noch nicht.“

      „Gut, also, Herr Lärpers - weiter.“

      Ich