Jürgen H. Ruhr

Reise - Begleitung


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ich bei Bernd fleißig Pluspunkte sammelte. Die Beamten hatten ihn bestimmt darüber informiert, dass Holger Hewa mit seinen Freundinnen im Schwimmbad von offizieller Seite beobachtet wurde. Also so, wie ich es vermutet hatte!

      „Ja, Jonathan. Die Polizei. Gestern Abend noch. Es ging um deinen Auftritt im Schwimmbad. Was denkst du dir eigentlich dabei, wenn du solchen Unsinn verzapfst?“

      Ich schluckte. Dabei denken? Eigent...

      Aber Bernd sprach weiter, seine Frage schien also rein rhetorischer Natur zu sein: „Holger Hewa hat keine Freundin. Die Ehefrau steigerte sich da in etwas hinein, weil ihr Mann in letzter Zeit häufig abwesend gewesen war. Aber für diese Abwesenheit gab es auch einen Grund: Holger Hewa wurde nämlich umgeschult. Der Mann war lange Zeit arbeitslos und das Arbeitsamt besorgte ihm schließlich eine Stelle als Bademeister. Dazu war es aber notwendig, dass er zunächst einige Schulungen absolvierte. Herr Hewa wollte das Ganze seiner Frau dann als Überraschung präsentieren, wenn alles ganz sicher, also endgültig in trockenen Tüchern war. Diese Informationen hättest du allerdings auch mit ein oder zwei Telefonanrufen bekommen können!“

      „Wie das? HH war ja ständig unterwegs“, versuchte ich eine Rechtfertigung. Sicher, Holger war oft in die Stadt gegangen. Jetzt, da ich darüber nachdachte - ja, er war mehrere Male beim Arbeitsamt gewesen. Ja, er kaufte in einem Laden in der Sportabteilung ein. Aber wer kann denn ahnen, dass der Mann einen neuen Job antrat?

      „Der Auftrag ist erledigt. Herr Hewa wollte heute alles mit seiner Frau besprechen und ich gehe davon aus, dass sie nun kaum eine weitere Beobachtung ihres Mannes wünschen wird. Und ob die Frau für deine zweifelhaften Bemühungen bezahlen wird, glaube ich auch nicht. Das war nicht gerade eine Glanzleistung, Jonathan.“ Bernd blickte wieder auf seine Uhr. „Ruhe dich heute noch ein wenig aus, geh’ ins Schwimmbad oder mach’ sonst irgendetwas. Morgen Punkt neun Uhr treffen wir uns drüben im Präsentationsraum. Und wenn ich sage, Punkt neun Uhr, dann meine ich auch Punkt neun Uhr!“

      Ich nickte. Dann fiel mir noch etwas ein: „Bernd, in das Schwimmbad kann ich nicht, dort habe ich Hausverbot.“

      Bernd grunzte etwas, was ich nicht verstand.

      Gut, ein freier Sonntag. Und das bei dem herrlichen Wetter. Während ich zu meiner Wohnung zurückfuhr - schön gesittet und den Verkehrsregeln entsprechend - dachte ich darüber nach, ob ich nicht mit Christine etwas unternehmen sollte. Chrissi, wie ich sie auch nannte, würde bestimmt schon wach sein. Vielleicht konnte ich ja auch bei ihr frühstücken. Und anschließend würden wir gemeinsam den Sonntag genießen ...

      Schon damals, als sie noch meine Sekretärin gewesen war - ich kam gerade aus Frankfurt nach Mönchengladbach zurück und meine Eltern nötigten mich als Privatdetektiv selbständig zu werden - machte sie mir unmissverständlich klar, dass ich nicht ihr Typ sei. Also gab ich meine Versuche, sie zu erobern auf und wir wurden gute Freunde. Also Freund und Freundin quasi. Guter Freund und gute Freundin. Nachdem meine Karriere als Privatdetektiv dank einer Bande von kriminellen Chinesen den Bach heruntergegangen war, beziehungsweise dem Brandanschlag dieser Verbrecher zum Opfer fiel, stellte Bernd uns beide als feste Mitarbeiter in seinem Krav Maga Sportstudio an. Das beinhaltete auch Dienstleistungen im Personenschutz. Und später eröffnete Bernd das Detektivbüro ‚Argus’, um Aufträge vom Oberstaatsanwalt offiziell annehmen zu können. Naja, halb offiziell - also gut, gar nicht offiziell - mehr so am Rande der Legalität. Chrissi und ich gehören zu der Mannschaft. Und Sam, der kleine kampferprobte Doktor der Naturwissenschaften mit asiatischen Wurzeln, sowie Monika, die verheiratet ist und noch als Übersetzerin arbeitet. Und noch einige mehr, die alle zusammen ein starkes Team bilden.

      Ja, ja. Ich weiß: Und natürlich die Zicke, also mit richtigem Namen Birgit Zickler. Unsere Sekretärin in der Detektei. Bunt gefärbte Haare, flippige Kleidung und ein freches Mundwerk, das seinesgleichen sucht. Ich persönlich würde sie ja lieber gegen die Sekretärin vom Sportstudio tauschen: Jennifer Enssel, die blonde Schönheit. Jennifer ist ein wirklicher Engel: sie sorgt stets für frischen Kaffee, sowie kalte Getränke und sogar für belegte Brötchen. So ganz anders als die Zicke, die für mich nur schnippische Worte übrig hat.

      Christine öffnete nicht. Zunächst versuchte ich es mit normalem Klingeln, dann mit intensiverem Schellen, danach rhythmisch. Nichts. Entweder schlief sie noch, wollte mir nicht öffnen oder ihr war etwas passiert. Ich klopfte mit dem Fingerknöchel gegen ihre Tür. Dann wechselte ich zum Klopfen mit der Faust. Dumpf wummerten die Schläge durch das Treppenhaus. Selbst wenn Chrissi schlief, so musste sie spätestens jetzt wach werden. Ich war mir sicher: ihr war etwas passiert. Vielleicht im Schlaf erstickt. Oder von der Bettkante gerutscht und jetzt lag sie hilflos da, streckte dem Klopfer an der Tür hilfesuchend ihre Arme oder nur einen, wenn der andere gebrochen war, entgegen.

      Klingel und Klopfen wechselten sich jetzt ab. Dann hielt ich es nicht mehr aus: „Chrissi!“, schrie ich aus Leibeskräften, „mach die Tür auf. Ich bin es, Jonathan. Chrissi! Chrissi!“

      Die Tür öffnete sich nicht, dafür ging aber die von gegenüber auf und die alte Nachbarin stand dort. Beide Fäuste in die Hüften gestemmt, blökte sie mich an: „Sind sie wahnsinnig? Was brüllen sie denn so im Hausflur herum?“

      Ich drehte mich um. „Chris..., also Frau Weru öffnet nicht!“

      Jetzt tippte sich die Nachbarin an die Stirn. „Natürlich nicht, sie ist ja auch nicht zu Hause. Sie ist doch zu irgendwelchen Bekannten oder Verwandten gefahren.“ Dann musterte sie mich von oben bis unten: „Sie sind doch der Mieter über ihr - ihr Freund. Wissen sie denn nichts davon?“

      Ich schüttelte den Kopf und spürte, wie mein Gesicht rot wurde. Warum hatte mir Christine aber auch nichts davon erzählt? Ich klingelte noch einmal abschließend, dann ging ich achselzuckend zu meiner Wohnung. Die Nachbarin tippte sich erneut an die Stirn. Ob die sich nie Sorgen um jemanden machte? Dafür waren Freunde doch da.

      Und was fing ich jetzt mit dem angebrochenen Tag an? Es war noch nicht einmal Mittagszeit. Eigentlich müsste ich jetzt Holger Hewa beschatten. Ob ich vielleicht doch zum Schwimmbad fahren sollte? Ich könnte mich ja mit einem Schal und einer Mütze tarnen und so in das Bad gelangen. Rein private Observation. Dann aber erinnerte ich mich daran, dass HH ja angeblich keine Freundin hatte. Obwohl - HH, also Hansestadt Hamburg und das Rotlichtviertel ...

      Nach langem Hin und Her überlegte ich mir, einen Spaziergang zu machen. Bei dem herrlichen Wetter wollte ich hier nicht in der Wohnung herumhocken, das war einfach nicht meine Art. Ich erkor das Schloss Wickrath zu meinem Ziel aus. Dort könnte ich auch eine Kleinigkeit zu mir nehmen, vielleicht sogar frühstücken. Die Idee gefiel mir und so machte ich mich nur allzu bald auf den Weg. An Chrissis Tür schlich ich leise vorbei - um ja nicht wieder die Nachbarin auf mich aufmerksam zu machen - und verkniff mir, noch einmal zu klingeln.

      Die Sonne brannte und schon nach wenigen Metern bereute ich, keine Mütze angezogen zu haben. Oder einen Hut. Dabei bin ich nicht wirklich der Huttyp. Obwohl mir natürlich als Privatdetektiv so ein Schlapphut bestimmt gut zu Gesicht stehen würde. Ich beschloss, mir in den nächsten Tagen einen zuzulegen. Wenn sich die Gelegenheit ergab. Befand sich in Rheydt eigentlich ein Hutgeschäft? Oder bekam man so etwas auch im Kaufhaus? Nun, ich würde es herausfinden. Nicht umsonst war ich ja der Privatdetektiv Jonathan Lärpers. Und Personenschützer und Bodyguard und Kampfschullehrer und ...

      Die Plakate wiesen mir den Weg: ‚Knospen und Genussfest in Wickrath. Der Gewerbekreis lädt ein’ Dazu einige Fotos von glücklich grinsenden Menschen. Nun, das war doch etwas! Wo fand das statt? Ah ja, in der Innenstadt von Wickrath. Nicht mehr weit zu Fuß. Rasch änderte ich meine Pläne. Das Schloss lief mir nicht davon. Jetzt aber lockte das ‚Genussfest’ mehr. Allein schon der genüssliche Gedanke an ein ‚Genussfest’ weckte in mir den Wunsch auf Genuss. Ich durchquerte schnellen Schrittes den Schlosspark und landete kurze Zeit später auf dem Marktplatz. Die Menschen drängelten sich zwischen Ständen und Verkaufspavillons. An allen Ecken und Enden stand jemand und stopfte sich vor der vorbeiziehenden Menschenmenge Essen in den Mund. Ich lächelte. Hier kostete eine Mahlzeit im Stehen mehr als ein komplettes Essen in einem Restaurant. Wehmütig dachte ich an Curry - Erwin, der mir im Laufe der Jahre ein echter Freund geworden war. In seiner kleinen Frittenbude stimmten Preis