Jürgen H. Ruhr

Reise - Begleitung


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das Glas auf dem Tisch abzustellen. Aus ungläubigen Augen blickte ich abwechselnd Bernd und die Zicke an. Birgit Zickler als Kollegin! Ich stöhnte gequält auf. Das fehlte gerade noch. Wie hieß es so schön: Den Bock im Garten machen. Oder so ähnlich.

      „Bernd, das ... das ...“ - „Ja, Jonathan? Was möchtest du sagen? Wir alle freuen uns, Birgit als neue Detektivkollegin begrüßen zu dürfen. Jennifer hat sogar extra etwas vorbereitet - Birgit, würdest du?“

      Die Zicke erhob sich grinsend, verließ den Raum und kam nach wenigen Minuten mit einem riesigen Blumenstrauß zurück. Diesen reichte sie Bernd.

      „Also, offiziell und im Namen aller Kollegen hier und im Krav Maga Studio heiße ich dich, liebe Birgit, herzlich willkommen in unserem Kreis.“ Er überreichte ihr den Strauß.

      Mir wurde schwindelig. Mit zittrigen Fingern goss ich mir ein neues Glas Wasser ein. Ein halbes zumindest, denn die Hälfte landete auf dem Tisch.

      „Kommen wir nach diesen erfreulichen Neuigkeiten zurück zum Ernst des Lebens. Jennifer hat schon einen umfangreichen Trainingsplan ausgearbeitet. Kampfsporttraining bei Dozer und Sam - Birgit kann später auch die Kindergruppe mit Frank Behrmann zusammen betreuen. Jedenfalls soweit es Aufträge oder Ausbildung zulassen. Christine übernimmt das Schießtraining und Jonathan zeigt ihr ein wenig die Praxisarbeit.“

      Wieder floss Mineralwasser an meinem Hals herunter, sickerte durch mein Hemd und vergrößerte den Fleck auf meiner Hose. Hatte ich das richtig verstanden? Jonathan zeigt ihr die Praxisarbeit? Das konnte Bernd nicht von mir verlangen! Nie und nimmer würde ich mit der Zicke zusammenarbeiten. Das musste ich ihm jetzt unmissverständlich klar machen. „Bernd, also, ich ... die Zi... Birgit und - also, Bernd ...“

      „Genau Jonathan. Ich wusste, dass du dich freuen würdest. Endlich kannst du dein Wissen weitergeben. Du brauchst auch nichts zu sagen, wir haben uns das reiflich überlegt und Birgit hat uns ja auch bestätigt, dass ihr beide wunderbar miteinander auskommt. Bedenke nur, dass sie noch keinerlei Erfahrung hat und du sie nicht allzu hart rannehmen solltest. Ich habe auch schon einen ersten Auftrag für euch. Eigentlich sollte den Christine übernehmen aber so ist es vielleicht sogar noch besser. Denn für Chrissi habe ich ebenfalls eine Aufgabe, dazu komme ich aber später noch.“

      Ich stöhnte erneut gequält auf. Womit hatte ich das verdient? Birgit grinste mich jetzt unverhohlen an und aus ihrer Gestik sprach die ganze Genugtuung mir richtig eins ausgewischt zu haben.

      Schwach versuchte ich mich zu wehren: „Also ... ja eigentlich ... Bernd, ich bin doch mehr der Einzelgänger, ich ka...“

      „Wir sind doch alle ein Team, Jonathan. Willst du mir jetzt sagen, dass du nicht mit Birgit zusammenarbeiten möchtest? Ich zähle auf dich.“

      „Nein - ja - natürlich“, stammelte ich und überlegte, was ich sagen wollte.

      „Gut, dann zu eurem Auftrag. Die Unterlagen darüber befinden sich bei Birgit, hier also lediglich eine kurze Zusammenfassung: Es ist ein Überwachungsjob, also nichts wirklich Schwieriges. Auch wenn dein letzter Auftrag nicht unbedingt optimal verlief, Jonathan.“

      Bernd machte eine Pause und goss sich ein Glas Orangensaft ein. Kühler, goldgelber Orangensaft. Sein Glas beschlug und mir lief das Wasser im Mund zusammen. Sollte ich vielleicht doch aufstehen und mir auch eine Flasche holen? Ich beschloss, dass diese kurze Unterbrechung den Ablauf nicht wesentlich stören würde und erhob mich schwerfällig. Alle starrten auf den Fleck auf meiner Hose. „Mineralwasser“, erklärte ich, stolperte die zwei Schritte auf Bernd und die Orangensaftflaschen zu und griff nach einer. Dabei berührte ich allerdings Bernds geöffnete Flasche unglücklich, so dass diese umkippte und der Inhalt sich über den Tisch ergoss. Rasch trat ich an meinen Platz zurück und setzte ich mich wieder mit meiner Beute.

      Bernd betrachtete die Lache auf dem Tisch nachdenklich. „Jonathan, würdest du das bitte wegwischen?“ - „Natürlich“, krächzte ich und verließ rasch den Raum auf der Suche nach einem Lappen. Als ich endlich in den Konferenzraum zurückkehrte, war das Malheur schon von Birgit behoben. Ich setzte mich rasch wieder und stellte fest, dass sich meine Flasche Orangensaft wieder an ihrem ursprünglichen Platz befand. Diese Zicke!

      Aber Bernd fuhr jetzt fort und ich verzichtete auf das Getränk: „Ihr alle kennt Kaufstatt, das Warenhaus im Herzen Rheydts. Do...“

      Natürlich kannte ich Kaufstatt. Schließlich hatte ich dort selbst schon des Öfteren eingekauft. Wie war deren Slogan noch? „Kauf zwei statt ein bei Kaufstatt“, unterbrach ich Bernd und zeigte damit deutlich, dass mir der Laden nicht unbekannt war.

      „Ja, Jonathan. Ich sehe, du weißt, was ich meine. Ihr alle dürftet das Kaufhaus kennen. Also ...“

      „Ich habe dort sogar schon eingekauft“, wusste ich zu berichten.

      „Gut, Jonathan. Aber bitte lass’ mich meine Erläuterungen jetzt zu Ende bringen. Also, wo war ich stehengeblieben? Ach ja - die Geschäftsführung hat sich an uns gewandt, da in letzter Zeit größere Mengen an Waren abhandengekommen sind. So große Mengen, dass es sich nicht um gewöhnlichen Ladendiebstahl handeln kann. Hier müssen Insider, beziehungsweise Mitarbeiter am Werk sein.“ Bernd nahm einen Schluck und mir lief das Wasser im Mund zusammen. ‚Durst’, dachte meine gequälte Seele, aber als ich Birgits süffisanten Blick bemerkte, riss ich mich zusammen.

      „Die ideale Situation, um Birgit in die Feinheiten der Observation einzuweihen“, fuhr Bernd fort. „Jonathan und Birgit werden als neue Mitarbeiter bei Kaufstatt eingeschleust. Einzig die Geschäftsleitung hat davon Kenntnis, dass es sich um Angestellte der Detektei ‚Argus’ handelt. Wir we...“

      Ich unterbrach Bernd mit einem berechtigten Einwurf: „Und natürlich wir, also die Zi... Birgit und ich ...“

      „Ja, Jonathan, du bist natürlich darüber informiert, dass du ein Mitarbeiter unserer Detektei bist. Kann ich jetzt fortfahren?“

      Die anderen kicherten und insbesondere Birgit schien sich köstlich zu amüsieren. So, dass nur ich es erkennen konnte, machte sie zu mir das Daumenhoch - Zeichen.

      „Ihr beide werdet vorzugsweise dort eingesetzt, wo die Geschäftsleitung die eigentlichen Übeltäter vermutet. Freundet euch mit den anderen Mitarbeitern an und versucht an die Diebe heranzukommen. Wir vermuten, dass es sich um mehrere Leute handelt, denn einer allein kann einen Diebstahl dieser Größenordnung nicht durchführen.“

      Bernd trank einen weiteren Schluck Saft und blätterte dann in seinen Unterlagen. „Ihr meldet euch bei einem Herrn Sanurski. Das ist der zuständige Abteilungsleiter. Er hat die Anweisung, euch in einem bestimmten Bereich einzusetzen. Birgit hat die Unterlagen schon von mir bekommen. Geht sie zusammen durch und bereitet euch auf euren Einsatz dort entsprechend vor. Sanurski erwartet euch am Mittwoch um neun Uhr in seinem Büro.“

      „Mittwoch?“, fragte ich. „Das ist ja schon übermorgen. Oder meinst du einen anderen Mittwoch?“ - „Übermorgen ist korrekt, Jonathan.“

      Ich verbiss mir weitere Fragen - wie zum Beispiel: ‚So schnell?’, zumal die Zicke mich wieder so zuckersüß anlächelte. Natürlich, die Dame kannte ja die Details schon, da sie über die Unterlagen verfügte. Warum hatte das Miststück mich denn nicht vorher informiert?

      „Falls keine weiteren Fragen zu der Angelegenheit sind, komme ich jetzt zu dem Auftrag für Christine.“

      Ich räusperte mich und hielt die Hand hoch. So wie in der Schule, schließlich wollte ich Bernd ja nicht einfach unterbrechen. „Was gibt es, Jonathan?“

      „Wer sind denn unsere neuen Kollegen bei Kaufstatt? Und was werden genau unsere Aufgaben sein?“ Zwei sehr wichtige Fragen, wie ich fand.

      Bernd stöhnte auf: „Jonathan! Das erfährst du alles aus den Unterlagen, beziehungsweise von diesem Herrn Sanurski. Wenn du keine wirklich wichtigen Fragen hast, dann lass’ mich doch bitte fortfahren. Sonst ist der Tag um, bevor wir etwas geschafft haben ...“

      Ich nickte. Ja, die Details würden vermutlich aus den Unterlagen hervorgehen. Und was dort nicht stand, könnte uns ja Sanurski erklären. „Eine