Jürgen H. Ruhr

Reise - Begleitung


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stand neben mir und machte ein angesäuertes Gesicht. Schnell korrigierte ich mich: „Also, ich und meine Kollegin hier - wir beide von der Detektivagentur ‚Argus’ haben die Gangster dingfest gemacht. Nach überzeugender Ermittlungsarbeit wurden wir undercover hier in der Abteilung eingeschleust, so dass wir unter Einsatz unseres Lebens und unserer Gesundheit in der Lage waren, diese Ganoven zu überführen. Es ist dem Einsa...“

      Der Geschäftsführer drängte sich in den Vordergrund zum Mikrofon: „Die Geschäftsleitung entschloss sich zu der - zugegebenermaßen richtigen - Entscheidung, die Detektei ‚Argus’ mit der Lösung dieses so kniffligen Falles zu betreuen. Lange und intensive Planungen und Gespräche innerhalb eines beauftragten Gremiums führten schließl...“

      Ich hörte nicht mehr zu. Was es zu sagen gab, hatte ich gesagt und als ich den Polizisten, der meine Waffe bei sich tragen musste, erblickte, nutzte ich einen Schwenk des Kameramannes, mich unauffällig zu entfernen.

      „Sie haben meinen Revolver immer noch“, sprach ich den Polizisten an und hielt ihm meine offene Hand entgegen.

      „Den bekommen sie wieder, wenn der Fall abgeschlossen ist.“

      Ich schüttelte den Kopf. Der Fall war abgeschlossen. „Der Fall ist abgeschlossen. Sie können nicht einfach meine Waffe behalten. Das wird Konsequenzen für sie haben.“

      „Besitzen sie eigentlich einen Waffenschein?“ Ich nickte: „Selbstverständlich.“ Dann zeigte ich ihm meine Papiere.

      „Ich muss mit meinem Vorgesetzten sprechen.“

      Letztendlich bekam ich meinen Revolver doch noch zurück, schließlich war der Fall ja eigentlich erledigt. Jon Lärpers hatte wieder einmal ganze Arbeit geleistet! Ich versprach der Geschäftsleitung die gesamten Details der Diebstähle mit meinem Abschlussbericht zukommen zu lassen.

      Der Geschäftsführer und die Fernsehmoderatorin baten mich für ein letztes Statement noch einmal vor die Kamera. Es sollten der abschließende Händedruck und ein paar letzte Worte von mir gefilmt werden. Es würde ein großartiger Bericht, der in den abendlichen Lokalnachrichten gezeigt würde. Tenor der Geschichte: Privatdetektiv Jon Lärpers, der Held mit dem Schlapphut.

      Ich rückte meinen Hut zurecht, lächelte in die Kamera und zog meinen Kittel soweit auf, dass das Schulterhalfter mit dem 38er gut zu sehen war. „Liebe Mitbürger und Mitbürgerinnen, liebe Zuschauer“, begann ich, doch dann drang eine mir irgendwie verhasste Stimme an mein Ohr:

      „Johni, aufwachen. Verdammt, du kannst doch nicht den ganzen Tag hier im Büro schlafen ...“

      Birgit Zickler, die Zicke, rüttelte an meiner Schulter und blickte grinsend in mein verschlafenes Gesicht. „Johni, Johni, wenn das deine Auffassung von Detektivarbeit ist ... Wir müssen uns auf unseren Fall vorbereiten und der Herr hält hier ein Nickerchen!“

      V.

      Pünktlich um fünf Minuten vor neun Uhr stand ich vor dem Personaleingang des Kaufhauses Kaufstatt. Und wartete. Wo blieb die Zicke? Ich hatte extra darauf bestanden, dass wir beide pünktlich sein mussten. Es sah auch so aus, als hätte sie das verstanden. Aber jetzt stand ich hier und wartete. Auf Madame Birgit Zickler! Wunderbar.

      Ich wurde langsam sauer. Das fing ja gut an. Pünktlich - was verstand die Dame daran nicht?

      Aus der Akte zu unserem Auftrag ging nicht sonderlich viel hervor. Birgit und ich kamen laut unserer Legenden als Aushilfen vom Arbeitsamt. Die Urlaubszeit begann und so wurden im Kaufhaus vorübergehend Mitarbeiter benötigt. Beide kannten wir die Materie angeblich schon ein wenig, so dass der Abteilungsleiter uns direkt einsetzen konnte. Detlef Sanurski hieß er, soviel hatte ich ja schon in Erfahrung gebracht.

      Der Mann sollte zirka fünfundvierzig Jahre alt und schon lange im Kaufhaus beschäftigt sein. Unser Auftraggeber schloss aus, dass Sanurski in die Diebstähle involviert war. Aber man konnte ja nie wissen. Ich hatte schon Zebras vor der Apotheke kotzen sehen - oder wie das so hieß. Jedenfalls war für mich zunächst einmal jeder verdächtig. Das machte schließlich einen guten Detektiven aus - unvoreingenommen an die Situation heranzugehen. Oder heranzutreten.

      Sanurski war jedenfalls nicht eingeweiht. Er hielt uns wirklich für zwei Aushilfen.

      Ich blickte auf meine Uhr. Zehn Minuten nach neun. Verdammt, Birgit hatte bestimmt verschlafen. Nun, das waren ja die besten Voraussetzungen für diesen Job. Unzuverlässig, unpünktlich und zickig! Bernd musste sich das mit ihr wirklich noch einmal überlegen.

      Ich beschloss, nicht länger zu warten und öffnete die Tür des Personaleingangs. Und wunderte mich direkt: Wieso ließ sich die Tür so einfach öffnen? Da konnte hier doch eigentlich jeder ein- und ausgehen wie er wollte? Ein Punkt, den es zu beachten gab.

      Durch einen schmalen Gang kam ich an den Umkleideräumen vorbei. Kurz überlegte ich, einen Blick hineinzuwerfen. Vielleicht ließ sich ja schon etwas in Bezug auf unseren Fall herausfinden. Dann aber verwarf ich den Gedanken, da es ja doch schon etwas spät war. Herr Sanurski sollte ja schließlich nicht auf seinen neuen Mitarbeiter warten müssen.

      Am Ende des Ganges befand sich eine Stahltür und rechts daneben entdeckte ich eine weitere Tür mit der Aufschrift ‚Büro’. Das war mein Ziel! Energisch klopfte ich und trat nach einem harschen ‚Herein’ in den Raum, ein kleines, unaufgeräumtes Büro, offensichtlich das des Abteilungsleiters. Ein kleiner Schreibtisch mit einem Bürostuhl dahinter, in dem jetzt Sanurski saß und mir neugierig entgegensah. Vor dem Schreibtisch ein einfacher Stuhl - besetzt mit meiner lieben Kollegin Birgit Zickler. Na, wunderbar. Ich stand mir draußen die Beine in den Bauch und die Zicke saß hier schon längst im Büro. Ich ignorierte sie und streckte dem Abteilungsleiter meine Hand hin. „Jonathan Lärpers. Mich schickt das Arbeitsamt.“

      Sanurski war ein kleiner, hagerer Mann. Mitten im Gesicht trug er eine übergroße Nase, die allerdings auch nicht von seinen abstehenden Ohren ablenken konnte. Er blickte mich durch eine runde Brille mit dicken Gläsern eindringlich an. Seine jetzt schon übermäßig grauen Haare trug er ziemlich kurz geschnitten. Er ignorierte meine dargebotene Hand und blickte stattdessen auf seine Armbanduhr. „Lärpers? Richtig?“

      Ich nickte kurz.

      „Sie sind jetzt exakt dreizehn Minuten zu spät. Wir waren für neun Uhr verabredet und wie spät ist es jetzt?“ Er sah mich auffordernd an. Ich rechnete: laut seiner Aussage war ich dreizehn Minuten zu spät, also musste es neun Uhr dreizehn sein.

      „Neun Uhr dreizehn“, tat ich dann auch kund und blickte ihn lächelnd an.

      „Falsch, mein lieber Lärpers.“ Sanurski stierte auf seine dämliche Armbanduhr. „Es ist jetzt neun Uhr vierzehn. Ihnen geht das Gefühl für die Zeit und die Pünktlichkeit ab!“

      Aus dem Augenwinkel konnte ich Birgit grinsen sehen.

      „Lärpers, Lärpers. Sie sollten sich ein Beispiel an dieser Dame dort nehmen.“ Er blickte auf und fixierte die Zicke mit einem lüsternen Blick. „Sie war pünktlich, sehr pünktlich sogar. Frau Zickler ist nämlich auch neu bei uns und kommt ebenfalls vom Arbeitsamt. Aber im Gegensatz zu ihnen war die Dame pünktlich, sehr pünktlich.“

      Ja, das sagte er schon. Aber diese ‚Dame’ war ja auch schuld daran, dass ich zu spät gekommen war. Nur das konnte ich dem guten Sanurski nicht auf die übergroße Nase binden ...

      „Nun, Herr Lärpers, zukünftig erwarte ich mehr Pünktlichkeit von ihnen. Sonst können sie direkt wieder zu ihrem Arbeitsamt zurückkehren. Haben sie mich verstanden?“

      Ich nickte. „Habe ich, Herr Sanurski, habe ich.“ Der Mann sprach ja laut genug.

      Sanurski sah wieder auf seine Uhr: „Die vertrödelte Zeit werde ich ihnen vom Lohn abziehen. Sie können von Glück reden, dass wir dringend Leute brauchen. Sonst würde ich sie auf der Stelle wieder fortschicken.“ Dann machte er eine Pause und schien etwas zu überlegen. Ich blickte ihn fragend an. Sanurski tippte mit dem Finger auf seinen Schreibtisch: „Ich bringe sie jetzt in die Abteilung,