Jürgen H. Ruhr

Reise - Begleitung


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zu, „benutzen sie diese Geräte. Aber gehen sie mir schonend damit um, Beschädigungen werden ihnen vom Lohn abgezogen.“

      Ich nahm den Kasten an mich. Das Ding schien so eine Art überdimensionaler Tabletcomputer zu sein. Nun gut, Birgit würde ja schon wissen, wie die Geräte zu bedienen waren ...

      Sanurski verlor kein weiteres Wort und nickte uns auch nur stumm zu, als er uns vor einem Regal mit Reinigungsartikeln stehen ließ. Als der Abteilungsleiter endlich außer Hörweite war, fuhr ich Birgit an: „Verdammt, warum hast du mich draußen warten lassen?“ - „Lieber Johni, du kamst einfach nicht, da bin ich schon einmal hineingegangen. Außerdem schien es mir besser so, dass wir nicht zusammen eintrafen, da wir uns ja angeblich nicht kennen. Da hättest du aber auch selbst drauf kommen können ...“

      Ich nickte. Ja, war vielleicht auch besser so. Nur hätten wir das ja zuvor auch absprechen können. „Und was ist jetzt hier unsere Aufgabe?“ Ich blickte an dem Regal entlang. Putzmittel, Klarspüler, Waschpulver und Seifen - das war alles meilenweit von den Keksen in meinem Traum entfernt. Und natürlich war uns von Sanurski kein Kaffee angeboten worden. Was also sollten wir machen?

      „Inventur“, klärte Birgit mich auf. „Wir zählen die Artikel im Regal und tragen die Menge dann auf unserem Tabletcomputer in die entsprechende Tabelle ein. Der Abteilungsleiter hat mir alles genau erklärt; es war ja auch genügend Zeit.“

      „Ja, dreizehn Minuten“, erinnerte ich mich an Sanurskis vorwurfsvolle Worte. „In der kurzen Zeit hat er dir alles erklärt? Dann kann es ja nicht viel zu tun geben ...“

      „Vertue dich nicht, Johni, das hört sich leichter an, als es ist. Außerdem hat Sanurski genaue Vorstellungen davon, was wir in welcher Zeit zu schaffen haben.“

      Birgit aktivierte ihren Computer und drückte mit dem Stift ein paar Mal auf dem Bildschirm herum. Ich wollte es ihr gleichtun, scheiterte aber schon beim Einschalten des Gerätes.

      „Wie geht das Ding denn an?“, wollte ich wissen.

      „Außen am Rand ist ein Einschaltknopf. Dann brauchst du die Vorgaben lediglich noch zu bestätigen und den Bereich für die Erfassung wählen. Ja, und dann geht die Zählerei auch schon los. Du fängst am besten dort hinten an.“

      Ich fand nach einigem Suchen den Knopf und schließlich landete ich in einer Tabelle. Nun gut, die Arbeit konnte beginnen. Sorgfältig zählte ich die einzelnen Artikel in dem Regal und trug schließlich mein Ergebnis am Tablet ein. Eine langweilige Arbeit, die mir aber gut von der Hand ging.

      Ich war so vertieft in meine Aufgabe, dass ich auf Birgit erst aufmerksam wurde, als sie mir eine Hand auf die Schulter legte. „Prima Johni, du kommst ja wirklich sehr gut voran. Vielleicht solltest du den Beruf wechseln und hier Lagerarbeiter oder so etwas werden.“ Die Zicke lachte leise.

      „Was ist, Birgit? Warum störst du mich jetzt?“ - „Mittagspause, Johni. Du hast nicht gemerkt, wie die Zeit verging?“

      Ich wunderte mich selbst. Aber wenn ich schon einmal bei der Sache war - dann auch richtig!

      „Und jetzt? Was machen wir in der Pause?“

      Birgit lachte: „Ja, was wohl? Ausruhen, etwas essen und die Kollegen hier kennenlernen. Hast du denn unseren Auftrag vergessen?“

      Das hatte ich in der Tat, würde es aber vor der Zicke niemals zugeben. Ja, unser Auftrag: deswegen waren wir ja schließlich hier. „Natürlich nicht, liebe Birgit. Glaubst du denn, dass ich die ganze Zeit nur Spülmittel gezählt hätte? Ich habe natürlich auch die Umgebung im Auge behalten. Detektivarbeit geleistet, was sonst?“

      „Sah aber nicht so aus, Johni“, grinste sie und einmal mehr bereute ich, diesen Auftrag mit ihr zusammen erledigen zu müssen.

      „Da siehst du mal, wie wirklich gute Detektivarbeit aussieht. Selbst du hast nicht bemerkt, dass ich hier alles ständig observiere.“

      Birgit schüttelte den Kopf: „Dann hast du ja sicher auch bemerkt, wie die ältere Kundin ein Stück Seife eingesteckt hat!“ - „Seife? Was für Seife?“ - „Kernseife.“

      Natürlich war mir so etwas nicht aufgefallen. Nicht einmal einen Kunden oder eine Kundin hatte ich bemerkt. „Natürlich habe ich das gesehen. Aber was sollte ich denn machen? Wir haben einen größeren Auftrag, als einer Kernseifen - Diebin hinterher zu spüren.“

      „Johni, Johni! Du hast nicht aufgepasst, denn dann wäre dir aufgefallen, dass es keine Kernseife war, sondern eine Flasche Spülmittel. Das ist doch der Beweis, dass du auf nichts hier geachtet hast, du Superdetektiv.“

      „Na wenigstens scheinst du deine Augen ja überall zu haben“, entgegnete ich pikiert. „Hoffentlich schaffst du dann dein Pensum. Sonst schmeißt Sanurski dich nämlich raus und ich kann die ganze Arbeit hier alleine machen.“

      „Da mach dir mal keine Sorgen, lieber Johni. Außerdem habe ich schon mehr geschafft, als du. Du bist einfach zu langsam.“ Sie zeigte auf das Regal und bezeichnete einen Punkt, bis zu dem sie die Waren erfasst hatte. Es war deutlich mehr, als bei mir.

      „Wo ist denn hier die Kantine?“, lenkte ich vom Thema ab. Außerdem hatte ich jetzt wirklich Hunger. Und wer wusste schon, wie lange unsere Pause dauerte. Also, warum hier herumstehen und die Zeit vertrödeln?

      Birgit deutete mir, ihr zu folgen und schließlich marschierten wir an Sanurskis Büro vorbei in Richtung Umkleide. Mir fiel ein, dass wir - wieder entgegen meinem Traum - hier nicht einmal einen Arbeitskittel bekommen hatten. Gut, dass ich heute eher einfache und zweckmäßige Kleidung trug.

      Birgit führte mich zu einer Tür, die genau gegenüber der Umkleidekabine lag. Dieser Raum war mir vorher nicht aufgefallen, aber ich konnte meine Augen ja auch nicht überall haben. Er war recht klein - es fanden gerade einmal zwei Tische darin Platz. Zwei Tische und acht Stühle, von denen sieben besetzt waren. Als wir in das Zimmer traten, wurde es plötzlich totenstill. Vierzehn Augen richteten sich auf Birgit und mich, kauende Münder standen still und zum Mund geführte Gläser verharrten in der Luft.

      „Ah, die Neuen“, krakeelte eine Männerstimme und ich versuchte den Sprecher zu identifizieren. Ein Männchen im Hintergrund. Der einzige anwesende Mann, wie ich unschwer erkennen konnte. Während ich mir unsere Kolleginnen und den einen Kollegen so ansah, nahm Birgit schon Platz. Auf dem einzigen freien Sitz.

      „Nur herein, nur herein“, rief der Mann jetzt wieder, was angesichts der Gegebenheiten überflüssig war, da wir ja schon eingetreten waren.

      Ich sah mich um. Nein, alle Plätze waren belegt. Ob Birgit ein wenig auf ihrem Stuhl rutschen würde, so dass wir beide dort sitzen könnten? Ich schüttelte den Kopf. Nie und nimmer. „Lärpers, Jonathan Lärpers“, stellte ich mich vor. „Ich bin vom Arbeitsamt geschickt worden.“

      „Das wissen wir.“ Wieder diese Männerstimme. Die Frauen schauten mich nur schweigend an. Dann wurde ich stutzig. Woher wusste der Mann meinen Namen? Ob der Abteilungsleiter seine Leute auf unser Erscheinen schon vorbereitet hatte? Vermutlich. „Ah, sie kennen mich schon.“

      Der Mann sah auf: „Nein, wieso?“ - „Sie haben doch gesagt, dass sie das schon wissen.“ - „Was wissen?“ - „Na, meinen Namen.“

      Jetzt schüttelte das Männchen den Kopf: „Nein, nein. Wir wissen nur, dass zwei Neue vom Arbeitsamt kommen sollen. Wegen der Inventur.“

      Eine Frau kicherte. „Lärpers. Was für ein komischer Name.“ Jetzt fiel Birgit ein und bemerkte genüsslich: „Ich nenne ihn ja immer Johni. Das hört er gerne.“

      „Das stimmt nicht“, dementierte ich. „Meine Freunde dürfen mich Jon nennen - aber nicht Johni.“ Ich hockte mich auf die Kante des Tisches. Direkt neben Birgit und sah sie böse an. „Jon, aber niemals Johni“, wiederholte ich und sah acht grinsende Gesichter. Die Frauen sprachen zwar nicht viel, schienen sich aber an solchen Sachen durchaus erfreuen zu können. Mir lag schon eine entsprechende Bemerkung auf der Zunge, als mir einfiel, dass wir uns diese Kollegen ja zu Freunden machen mussten. Der Auftrag hatte schließlich Priorität. Seufzend hielt ich mich zurück.