Jürgen H. Ruhr

Reise - Begleitung


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ich in den Raum und wieder war es der Mann, der mir antwortete: „Nur was du dir selbst mitbringst. Oder du musst draußen im Laden etwas kaufen. Aber achte darauf, den Kassenzettel vorweisen zu können. Sonst hängt Sanurski dir noch einen Ladendiebstahl an.“ Bei diesen Worten lachte der Mann gehässig und machte sich damit zu meinem Hauptverdächtigen. Wie er allein das Wort ‚Ladendiebstahl’ betonte. Wenn dieser Mann nichts mit der Diebesbande zu tun hatte, wollte ich Glockensiel heißen. Oder Meier - mit e i. Oder ...

      „Aber die Pause ist sowieso gleich um. Da lohnt es sich jetzt nicht mehr, etwas zu kaufen. Das musste vorher machen. Vor der Arbeit. Ich bring’ mir ja immer Brote von zu Hause mit. Mit Wurst oder Käse. Und gutes Vollkornbrot, das sättigt.“ Der Mann schien seine Redseligkeit entdeckt zu haben. Gut so, vielleicht verriet er sich durch das viele Reden. Ich beschloss, ihm etwas mehr auf den Zahn zu fühlen.

      „Das mit dem Brot finde ich gut“, schmeichelte ich zunächst, nur um dann mit meiner ersten knallharten Frage nachzustoßen: „Sie arbeiten auch hier?“ Vereinzelt schlug mir Gelächter entgegen. Bis ich merkte, dass meine Frage ein wenig falsch gestellt war: „Ich meine - also - wo arbeiten sie denn?“

      Einige der Frauen stießen sich lachend an. Birgit grinste bis über beide Ohren, na wenigstens hatten die drei ihre Flüstereien eingestellt.

      „Na hier - ich arbeite auch hier“, erklärte das Männchen und schlug sich vor Lachen auf die Oberschenkel. Ich überlegte, ob ich ihm nicht einen Schlag ins Gesicht verpassen sollte. Nur so, weil es so schön lustig war.

      „Nein, ich meine in welcher Abteilung.“ - „Mal hier, mal dort. Wo halt Bedarf besteht. Aber hauptsächlich Elektro.“

      Sind nicht in der Elektroabteilung letztens noch zahlreiche Geräte abhandengekommen? Also keine Frage - dieser Kerl dort hinten gehörte wohl eindeutig zur Diebesbande. Elektroabteilung aha. Ich beschloss, meinen Aktionsradius ein wenig auszuweiten und den Knaben bei seiner ‚Arbeit’ zu überwachen. Es wäre doch gelacht, wenn ich ihn nicht innerhalb kürzester Zeit würde überführen können.

      Die Pause endete so unspektakulär, wie sie begonnen hatte. Plötzlich strebten alle dem Ausgang zu. Jetzt gab es genügend freie Stühle. Schade, dass auch wir an unseren Arbeitsplatz zurückkehren mussten. Mein Magen knurrte und Durst verspürte ich auch. Na, das konnte ja noch ein lustiger Nachmittag werden.

      Ich hatte gerade fünfzig Stück Seife in meine Tabelle eingetragen und mir ging der Werbeslogan dieses Herstellers nicht mehr aus dem Kopf: ‚Tierische Frische den ganzen Körper rauf und runter’, als ich beschloss, unseren Auftrag jetzt mehr in den Vordergrund zu stellen. Diesmal war es Birgit, die ich überraschte, indem ich sie an der Schulter anstupste: „So fleißig?“

      Birgit sah auf, reckte sich ein wenig und blickte mich an: „Johni, was gibt’s? Sag mir nicht, du bist schon fertig mit deinem Teil.“

      „Nein, nein. Ich finde nur, dass es Zeit wird für einen kurzen Abstecher in die Elektroabteilung.“ - „Elektro? Was hast du jetzt wieder vor, Johni?“

      Wenn sie doch dieses bescheuerte ‚Johni’ weglassen könnte. „Birgit, jetzt höre mir einmal gut zu. Ich wol...“

      „Ich höre dir immer gut zu, Johni“, unterbrach mich meine Kollegin.

      Aber ich hatte einen Entschluss gefasst und ich ließ mich von meinem Vorhaben jetzt nicht abbringen: „Birgit, also: Wir arbeiten doch jetzt so fest und eng zusammen, also du und ich, wir beide eben. Ich nenne dich Birgit und bin auch freundlich zu dir. Eine Hand wäscht die andere, da is...“

      „Sag’ mal, Johni, was willst du? Hast du zu viel Seife gezählt, so dass du jetzt mit deinem Gestammel über Hände, die sich gegenseitig waschen, ankommst. Sag mir doch klipp und klar, was du willst.“

      Auch diese Unterbrechung meines wohldurchdachten Redeflusses nahm ich gelassen hin. Schließlich ging es hier um höhere Ziele. „Birgit! Ich dachte, da wir jetzt so eng zusammenarbeiten und ich dich als neue Detektivkollegin sehr, sehr schätze, wäre es doch wirklich nett von dir, wenn du mich Jonathan oder besser noch ‚Jon’ nennen könntest. Ich sage ja auch nicht ‚Birgi’ zu dir.“

      „Birgi klingt doch ganz gut, finde ich“, lächelte sie und fügte: „John ... i“ hinzu.

      Ich seufzte. Der Frau war nicht zu helfen. Da überwand ich mich einmal zu einem - sozusagen - Friedensangebot und diese Zicke schlug meine geöffnete Hand einfach in den Wind.

      „Was also willst du jetzt von mir, Johni?“, fragte sie erneut und zählte rasch einen Stapel Fleckenentferner durch.

      „Ich werde jetzt einmal kurz in die Elektroabteilung gehen.“ - „Das sagtest du schon. Aber nicht, was du dort willst. Also ... Johni?“

      „Der Mann aus dem Pausenraum, du erinnerst dich doch an ihn?“ - „Natürlich, das war ja auch der einzige Mann dort. Außer dir, Johni.“

      „Ja, außer mir natürlich. Also, der kam mir verdächtig vor. Ich will ihn mir einmal an seinem Arbeitsplatz ansehen. Ihn beobachten, observieren, meiner Arbeit nachgehen.“

      Birgit sah mich fragend an: „Und was ist mit mir?“ - „Du hältst hier die Stellung. Und falls Sanurski kommt, erklärst du ihm, ich sei auf der Toilette. Dann fällt meine Abwesenheit nicht weiter auf.“

      Sie schüttelte den Kopf: „Du hast wohl vergessen, dass ich von dir lernen soll? Da kannst du mich doch nicht einfach hier zurücklassen. Ich will schließlich lernen, wie ein richtiger Profi so eine Beschattung durchführt.“

      Irgendwie betonte sie ‚richtiger Profi’ merkwürdig, aber das konnte ja auch an ihrer Aufregung liegen. Trotzdem: In diesem Fall war es besser, ich würde alleine gehen. Ausbildung hin oder her. Lernen würde sie später noch genug können.

      „Hör zu, Birgit, ich ...“ - „Ich höre immer zu, Johni. Wann gehen wir?“

      „Ich gehe alleine. Einer muss hier die Stellung halten. Du wirst später noch genug Gelegenheit bekommen, etwas zu lernen. Jetzt musst du hier darauf achten, dass Sanurski nichts merkt. Wir wissen ja nicht, wer alles bei diesen Diebstählen mitmischt. Sollte Sanurski Wind von unserer eigentlichen Aufgabe bekommen, ist unser ganzer Auftrag hinfällig. Also bleibst du hier.“

      Ich wartete Birgits Antwort gar nicht erst ab, drückte ihr meinen Computer in die Hand und verschwand den Gang hinunter.

      Schade, dass ich jetzt meinen Schlapphut nicht dabei hatte.

      Unauffällig schlenderte ich durch die Gänge. Da ich keine spezielle Arbeitskleidung trug, fiel ich auch nicht weiter auf. Lediglich ein Kunde unter vielen.

      Die Elektroabteilung befand sich im Untergeschoss, das ich über eine Rolltreppe erreichte. Jetzt musste ich nur noch das Männchen finden. Suchend schlich ich durch einige Gänge mit Büchern und Büroutensilien. Immer darauf bedacht, auch ja von niemandem gesehen zu werden. Diese Mission war geheim und sollte auch geheim bleiben. Jonathan Lärpers auf den Spuren der Kaufhausdiebe. Und einen davon hatte ich jetzt schließlich im Visier. Aber wo steckte der Kerl? Ich konnte ihn nirgends entdecken. Vorsichtig näherte ich mich der Elektroabteilung. Neben Radio- und CD Spielern befanden sich hier auch Computerspiele, Videos und Musik CDs. Ein umfangreiches Sortiment. Nur den Kollegen aus dem Pausenraum konnte ich nicht ausmachen.

      „Kann ich ihnen helfen?“ Die Stimme hinter mir kam mir bekannt vor und als ich mich umdrehte, stand ich dem Gesuchten gegenüber.

      „Du bist das? Hast du mich gesucht? Oder willst du etwas kaufen? Hat Sanurski dich gehen lassen?“

      So viele Fragen und ich wusste keine Antwort. Jetzt galt es zu improvisieren.

      „Ja, also eigentlich ... Eher nein. Wissen sie?“

      Das Männchen sah mich fragend an.

      Jetzt kam mir die rettende Idee: „Ich wollte ein Buch kaufen, bin aber irgendwie hier gelandet ...“

      Er lächelte und zeigte auf die Bücherabteilung, durch die ich hierhin geschlichen war: „Bücher findest du dort. Suchst du etwas Bestimmtes?“