Jürgen H. Ruhr

Reise - Begleitung


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griff der andere in seine Manteltasche. War dies der Augenblick? Aber er brachte lediglich seine Geldbörse zum Vorschein. Schließlich klopfte er dem schmächtigen Elektromännchen auf die Schulter, grinste breit und schüttelte ihm anschließend die Hand. Die Frau an der Kasse stand wartend daneben. War auch sie eingeweiht, deckte sie zu guter Letzt den Diebstahl?

      Ich musste näher heran. Was wurde dort gesprochen? Vorsichtig umschlich ich ein Regal mit Computerspielen, ließ dabei aber die beiden nicht aus den Augen.

      Und stolperte prompt über einen halbhohen CD - Ständer, der krachend zusammenbrach. Drei Augenpaare blickten mich fragend an, dann kam das Elektromännchen auf mich zu. Aus den Augenwinkeln konnte ich erkennen, wie der Schwarzgekleidete an der Kasse zahlte.

      „Jonathan. Du wieder hier? Suchst du wieder ein Buch oder kann ich dir diesmal helfen?“ Das Männchen deutete auf den Kunden an der Kasse: „Ein schwieriger Fall, der Mann suchte ein bestimmtes Computerspiel. Zum Glück wusste ich, dass wir genauso eines noch am Lager hatten. Und: voilà - wieder ein zufriedener Kunde. Wie kann ich dir helfen?“

      Ich musste zugeben, das Männchen war mit allen Wassern gewaschen. Nicht nur, dass er mich beim Namen kannte, sondern auch die Tatsache, dass er dermaßen schnell eine Ausrede parat hatte, verblüffte mich. Eine Ausrede, die mir jetzt leider fehlte. Ich konnte ja schlecht wieder erzählen, dass ich mich beim Suchen der Buchabteilung verlaufen hatte. Blitzschnell griff ich mir eine CD aus dem am Boden liegenden Haufen.

      „Diese CD hier möchte ich kaufen.“

      Der Mann nahm sie mir aus der Hand, betrachtete das Cover und meinte schließlich: „Eine gute Wahl. Hochmodern, diese Musik. Die CDs von diesem Wim Schlensbow gehen aber auch weg wie geröstete Semmeln!“ Er zog mich zur Kasse, blickte dann auf seine Armbanduhr und fügte an: „Zahle doch einfach bei der Kollegin. Ich habe jetzt Mittagspause und ich denke, wir sehen uns gleich im Pausenraum. Viel Spaß mit der Musik.“

      Birgit blickte auf die CD in meiner Hand. Dann grinste sie breit: „Diesmal kein Buch, Jon - athan? Was hast du dir denn diesmal Schönes gekauft?“ Resigniert hielt ich ihr die CD hin, doch Birgit schob sie nur zur Seite.

      „Ich habe etwas beobachtet“, eröffnete sie mir stattdessen und sprach verschwörerisch leise. Dann zog mich meine Kollegin weiter von den Mitarbeitern der Firma Pleckla fort.

      „Wir haben jetzt Mittagspause“, beschied ich ihr. Mein Magen knurrte und der Misserfolg in der Elektroabteilung ließ meine Laune auf den Nullpunkt sinken. Was die Zicke jetzt wieder zu berichten hatte, würde bis nach der Pause warten können.

      Aber Birgit ließ nicht locker: „Das ist wichtig, Jon - athan. Hör mir wenigstens zu, danach kannst du ja in Pause gehen.“

      „Du aber auch. Wir müssen schließlich zusammen Mittagspause machen.“

      Birgit nickte ungeduldig. „Ja, ja. Also - ich habe vorhin die Vier von Pleckla beobachtet und dabei festgestellt, dass sie hochwertige Waren aus den Regalen auf die Paletten laden und anschließend lediglich die vorderen Reihen mit minderwertigem Ersatz auffüllen. Die Paletten bringen sie dann - sobald eine voll ist - fort.“

      Ich musste schmunzeln. Meine Miss Marple! Was Birgit sich aber auch für Gedanken machte. Natürlich mussten die vollen Paletten ja fortgeräumt werden. Sonst würde hier ja alles die Gänge verstopfen. Machte die kleine Möchtegern - Detektivin sich denn darüber keine Gedanken? Einfachste Logik. Schließlich mussten die Gänge begehbar bleiben.

      „Birgit, also“, holte ich zu einer umfangreichen Erklärung aus, „natürlich können die Waren nicht im Gang auf den Paletten bleiben. Da kommt doch kein Kunde mehr durch. Also müssen sie fortgeschafft werden. Das erklärt sich doch von selbst. Und jetzt lass’ uns endlich Pause machen, ich habe noch nichts gegessen.“ Schließlich warteten meine Brote auf mich. Vollkornbrote, denn die sättigten ganz ordentlich. In dieser Hinsicht - das musste ich zugeben - befolgte ich den Rat des Elektromännchens.

      Ich lächelte die Zicke an. Aber Fräulein Zickler schien mir ihre weiteren Überlegungen und Beobachtungen mitteilen zu müssen. „Also, Jon - athan. Das stinkt mir gewaltig. Die räum...“

      Ich unterbrach den Redeschwall: „Birgit! Hat das nicht Zeit bis nach der Pause? Mir knurrt der Magen und die Vier dort werden uns nicht weglaufen. Sieh’ nur, wie es scheint, arbeiten die sogar die Mittagspause durch. Das sind fleißige und ordentliche Mitarbeiter.“

      Birgit zuckte mit den Schultern: „Wie du willst, Jon - athan. Aber sage später nicht, ich hätte dich nicht gewarnt.“ Sie drehte sich um und schlurfte vor mir Richtung Pausenraum. Was war jetzt wichtiger als ein Pausenbrot!

      Diesmal gab es genügend freie Stühle. Lediglich zwei Frauen und natürlich das Männchen aus der Elektroabteilung saßen an den Tischen. Wir gesellten uns dazu.

      „Ah, da ist ja unser Musikliebhaber“, krakeelte der Mann direkt als er mich sah. „Hat mit sicherer Hand die neueste Wim Schlensbow CD herausgesucht. Allerdings nachdem er den ganzen CD Ständer umgerannt hatte ...“

      Die beiden Frauen lachten. Auch Birgit konnte ein Schmunzeln nicht unterdrücken. Dann sah sie mich an: „Du hörst Wim Schlensbow? Soviel Musikgeschmack hätte ich dir gar nicht zugetraut.“

      Ich nickte grinsend: „Du weißt so vieles nicht, Birgit. Ich war sogar Schlensbows Bodyguard bei einem Konzert hier in Gladbach. Da staunst du, was?“

      Birgit schien das nicht sonderlich zu beeindrucken, aber die beiden Frauen - obwohl schon älteres Semester - blickten mich bewundernd an. „Das müssen sie uns erzählen. Sie waren der Bodyguard von Wim Schlensbow? Bei einem Konzert hier in Gladbach? Wann war das denn? Wir gehen zu all seinen Konzerten.“

      Die Frauen löcherten mich mit Fragen. Ich warf mich in die Brust. Jetzt war es an der Zeit, von Jonathan Lärpers Heldentaten zu berichten. Ich biss rasch von meinem Brot ab und überlegte mir dabei, wie ich beginnen würde.

      Dann traf mich der Tritt Birgits unter dem Tisch an das Schienbein und ihr böser Blick brachte mich zum Schweigen, bevor ich überhaupt geredet hatte. Urplötzlich verstand ich, was sie mir sagen wollte. Verdammt, das wäre beinahe schief gegangen. Da saß ich neben dem vermeintlichen Kaufhausdieb und fing an von unserer Detektei zu plaudern. Damit hätte ich unsere gesamte Aktion verraten können.

      Birgit rettete die Situation: „Herr Lärpers hat wohl einmal kurz als Aushilfe bei einem Konzert geholfen - so wie er mir erzählte. Danach wurde er arbeitslos.“

      Ich nickte. „Ja, das stimmt. Aber über Wim Schlensbow kann ich ihne...“

      „Schade, unsere Pause ist um“, unterbrach mich Birgit. „Wir müssen wieder an die Arbeit. Vielleicht kann Herr Lärpers später mehr erzählen.“

      Die beiden Frauen nickten.

      „Jon - athan, Jon - athan. Das war verdammt knapp. Was ist nur in dich gefahren? Hast du unseren Auftrag vergessen?“

      Ich schüttelte kleinlaut den Kopf. Wie konnte mir das nur passieren? Dann hatte ich eine Idee, wie ich Birgit von dem Thema ablenken konnte: „Was ist nun mit den Leuten von dieser Firma Pleckla? Was wolltest du mir vor der Pause erzählen?“

      „Du willst ja nur von dem Thema ablenken ... Aber gut, Jon - athan. Dies ist schließlich wichtig. Ich habe beobachtet, wie die Vier die Regale leerräumten, also alles auf die Paletten luden und anschließend nur die vorderen Reihen wieder auffüllten.“

      „Ja, vielleicht muss das aber so sein. Alte Ware raus, neue Ware rein.“

      „Bestimmt, Jon - athan, das wäre ja auch in Ordnung, wenn sie neue Waren hereinbringen würden. Die Herrschaften nehmen aber Sachen aus anderen Regalen und füllen damit die leeren Reihen auf.“

      „Aus anderen Regalen?“ Das konnte ich mir nun wirklich nicht vorstellen. Warum sollten sie das machen? „Das ergibt doch keinen Sinn, Birgit. Welchen Grund hätten die Mitarbeiter der Firma Pleckla, Waren auf eine Palette zu räumen, diese rauszubringen und nichts Neues einzuräumen? Deren Aufgabe ist es doch, neue Produkte in die Regale zu stellen.“