Jürgen H. Ruhr

Reise - Begleitung


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überführt, so würde er mir seine Dankbarkeit schon ganz von alleine zeigen.

      Dafür sprudelte Birgit direkt mit Neuigkeiten heraus, kaum dass ich wieder vor meinem Regal stand: „Vorhin war Sanurski hier und hat dich gesucht.“

      Na gut, das war keine Neuigkeit für mich. „Weiß ich, er hat mich ja auch gefunden. Wieso kommt der Kerl eigentlich immer dann, wenn man ihn nicht gebrauchen kann? Ich war so nahe daran die Diebe zu überführen.“ Ich hielt Daumen und Zeigefinger wenige Zentimeter auseinander, um Birgit begreiflich zu machen, wie nahe ich an der Bande heran gewesen war.

      „Ich habe mit Sanurski gesprochen und er ...“ - „Ich auch“, unterbrach ich meine Kollegin. Die sah mich jetzt irritiert an, zuckte mit den Schultern und meinte: „Die Leute der Firma Pleckla arbeiten morgen in der Elektroabteilung.“

      „Ha“, jubelte ich, „jetzt schnappe ich sie alle zusammen. Das Elektromännchen und seine Diebesbande.“ Voller Vorfreude rieb ich mir die Hände. Der morgige Tag war meiner.

      „Ja, aber Jökelmöller wird in der Schuhabteilung eingesetzt.“

      Was wollte die Zicke denn jetzt wieder von mir? „Und wer ist Jökelmöller? Sollte ich den kennen, liebe Birgit?“

      Die Zicke nickte: „Jökelmöller ist dein schmächtiger Freund aus der Elektroabteilung. Dein Hauptverdächtiger.“

      Aha. Ich kombinierte. Die gemeine Diebesbande ging in die Elektroabteilung, während der Hauptverdächtige und Organisator sicher bei den Schuhen saß! Wie raffiniert der Mann doch war.

      „Sanurski hat mir das unter dem Siegel der Verschwiegenheit berichtet“, fuhr Birgit fort. „Jökelmöller, also dein Elektromännchen, weiß nämlich noch nichts davon, dass er morgen in der Schuhabteilung aushelfen muss. Das erzählt ihm unser Abteilungsleiter erst morgen früh.“

      Ich schüttelte den Kopf. So viele Informationen auf einmal. Das Männchen aus der Elektroabteilung hieß Jökelmöller. Gut und schön, dafür konnte der Mann ja schließlich nichts. Aber jetzt sollte er nichts davon wissen, dass Sanurski ihn zu den Schuhen versetzte? Am gleichen Tag, an dem die Mitarbeiter der Firma Pleckla Elektro unsicher machen würden? Mir schwirrte der Kopf. Wie passte das jetzt alles zusammen? Steckte am Ende Sanurski da auch noch mit drin? Aber Birgit unterbrach abrupt meine wilden Gedankengänge.

      „Außerdem trennt Sanurski uns beide. Er ist der Meinung, dass du mich alleine arbeiten lässt und zu viel deinen eigenen Interessen nachgehst. Ich konnte ihm ja schlecht erklären, dass wir hinter den Kaufhausdieben hinterher sind.“

      „Was heißt das denn jetzt schon wieder?“, stöhnte ich und sah Schlimmes auf mich zukommen. Wieso Birgit und mich trennen?

      „Sanurski setzt mich in der Elektroabteilung ein. Du sollst hier weiter Inventur durchführen. Aber das wird er dir morgen früh noch selber sagen.“

      Erneut musste ich aufstöhnen. „Wie kommt dieser Idiot denn auf so eine hirnrissige Idee?“, wollte ich wissen, obwohl Birgit mir wohl kaum die Lösung würde sagen können.

      „Das war meine Idee“, grinste sie mich an und lachte leise, als mein Unterkiefer hörbar nach unten klappte. „Sanurski sprach davon, uns zu trennen. Und er erwähnte, dass die Einräumer morgen in der Elektroabteilung tätig wären. Was lag da näher, als ihm nahezulegen mich in die Elektroabteilung zu versetzen.“

      Ich schüttelte den Kopf: „Ich muss in die Elektroabteilung! Nur so kann ich die Diebesbande überführen. Es kann doch nicht sein, dass ich hier die Kartons zählen soll, während sich das ganze Geschehen drüben abspielt.“ Ich musste unbedingt mit Sanurski reden. Das war doch ein Ding der Unmöglichkeit, dass meine gesamte Observation den Bach herunterging.

      Meine vorsichtig vorgebrachte Argumentation am nächsten Morgen, warum ausgerechnet ich jetzt weiter Waren zählen und nicht in der Elektroabteilung arbeiten sollte, schob Sanurski mit dem Wedeln seiner rechten Hand beiseite. „Lärpers“, meinte er, „sie kennen doch Fräulein Zickler kaum. Ich denke sie beide wurden vom Arbeitsamt hergeschickt und kannten sich vorher noch nicht. Oder habe ich da etwas verpasst? Stehen sie in irgendeinem Verhältnis zu der jungen Frau?“

      Ich schüttelte den Kopf. Wie sollte ich argumentieren? Dass ich der ausgebildete Detektiv auf der Suche nach den Kaufhausdieben war? Keine gute Idee, insbesondere dann, wenn unser Herr Abteilungsleiter selber in die Sache involviert war. Schließlich musste ich mich resigniert geschlagen geben.

      „Aber ich bin ein Mann und wir Männer kennen uns doch wesentlich besser mit der Technik aus, als die Frauen“, brachte ich ein letztes, für meine Begriffe wirklich logisches, Argument vor. Doch Sanurski winkte ab: „Dann beantworten sie mir doch bitte folgende Frage - die Fräulein Zickler übrigens mit großer Sachkenntnis erklären konnte: Worin besteht der gravierendste Unterschied zwischen einer DVD und einer BD?“

      Ich musste lächeln. Natürlich würde ich den Unterschied besser erklären können als Birgit. Das lag einfach in der Natur der Sache; schließlich war ich der Mann. Nur - was zum Teufel war eine BD? Ich sah Sanurski fragend an: „Nun, der Unterschied ist ganz einfach. Aber zunächst: können sie BD ein wenig spezifizieren?“

      Sanurski sah mich an, als wäre ich der größte Idiot unter der Sonne. „Lärpers, ich glaube sie sind dort, wo sie gerade arbeiten, bestens aufgehoben. BD steht für Blu-ray Disk. Schon mal gehört? So und jetzt an die Arbeit. Sie vertrödeln hier meine Zeit und es gibt noch jede Menge Artikel zu zählen. Also los.“

      Mittags traf ich Birgit wieder im Pausenraum. Das zum Schuhmännchen mutierte Elektromännchen war diesmal nicht da, dafür mehrere der Frauen. Ich versuchte ein paar diskrete Worte an meine Kollegin zu richten: „Und wie läuft’s? Was ist mit unseren Freunden von Pleckla?“

      Birgit beugte sich verschwörerisch vor. Sie flüsterte ebenso leise wie ich: „Die Vier sammeln fleißig Blu-ray Player und Fernseher. Ich schätze, dass die erste Palette nach dem Mittag fertig sein wird. Deswegen muss ich meine Pause auch frühzeitig beenden und zusehen, dass ich den Abtransport mitbekomme.“

      Ich nickte. Das war die Gelegenheit - ich würde später einfach mit ihr in die Elektroabteilung gehen. Die Pause ein wenig früher beenden. Ein Plan entstand in meinem Kopf. „Ich komme mit dir in die Elektroabteilung“, eröffnete ich Birgit meine Gedanken. „Wir gehen etwas früher aus der Pause zurück und observieren die Leute. Also ich jedenfalls. Du hältst die Stellung in der Elektroabteilung, während ich unauffällig der Spur der Palette folge!“

      Birgit schüttelte den Kopf. „Das fällt auf, Jon - athan. Dann schöpfen die doch direkt Verdacht. Vielmehr“, sie sah mich an und ein verschmitztes Lächeln glitt über ihr Gesicht, „wäre es doch sinnvoller wenn wir uns aufteilen und du die Bande vom Kopf her erwischst.“

      Verdutzt blickte ich meine kleine Miss Marple an. Was meinte sie nun wieder damit? Die Bande vom Kopf her erwischen? Ich würde sowohl Kopf und Körper dingfest machen. „Was meinst du? Von was für einem Kopf?“

      „Ganz einfach, Jon - athan. Der Kopf der Bande ist doch Jökelmöller. Und der sitzt momentan in der Schuhabteilung. Du begi...“

      „Eine großartige Idee, Birgit. Ich weiß, was du meinst: Ich observiere das Schuhmännchen und wir nehmen alle zeitgleich beim Diebstahl der Waren fest.“ Ich schlug mir spielerisch gegen den Kopf. „Da hätte ich aber auch selber drauf kommen können. Jökelmöller ist schließlich der Kopf der Bande. Sehr gut, Frau Miss Marple“, lobte ich dann meine Kollegin großzügig. So ein Lob hin und wieder hebt die Moral. „Jetzt aber los, sonst ist die Pause gleich um.“

      Geduckt schlich ich in der Schuhabteilung hinter einigen Regalen herum, während ich mir zur Tarnung einen großen Karton mit irgendwelchen Freizeitschuhen vors Gesicht hielt. Diesmal würde das Elektro - Schuhmännchen mich nicht erwischen. Ich sah mich sorgfältig um. Weit und breit niemand, der mir gefährlich werden konnte. Weit und breit kein Jökelmöller oder Abteilungsleiter Sanurski.

      Dafür sprach mich plötzlich eine Stimme von hinten an: „Hallo, junger Mann. Kann ich ihnen helfen? Wollen sie die Schuhe da anprobieren?“