Jürgen H. Ruhr

Reise - Begleitung


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drei Komplizen, die uns jetzt neugierig anblickten. „Noch einer“, grinste mein Bewacher und öffnete die Tür. Verzweifelt blickte mir Birgit entgegen. Die Ganoven hatten ihr die Hände und den Mund mit Klebeband gefesselt. Unauffällig nickte ich ihr beruhigend zu.

      „Los, die Hände nach hinten!“ Klebriges Gewebeband wurde um meine Handgelenke geschlungen. Dann bekam ich einen Stoß in den Rücken und stolperte mit Mühe in den Transporter. Unangenehmerweise schlug ich mir dabei das Knie an. Ich beschloss dies dem Gauner später heimzuzahlen.

      „Kein Wort, sonst knall ich dich ab!“ Krachend schlug die Tür zu. Dann hörte ich, wie die hintere Türe ebenfalls geschlossen wurde. Im Innern des Transporters wurde es dunkel, zumal es weder Fenster, noch eine Verbindung zur Fahrgastzelle gab. Birgit stöhnte gequält auf.

      „Keine Sorge, Birgit“, beruhigte ich sie. „Ich habe alles im Griff.“

      Sie murmelte etwas, das ich aber nicht verstehen konnte. Wenige Sekunden später setzte der Wagen sich in Bewegung. Mit quietschenden Reifen und aufbrüllendem Motor schoss das Fahrzeug vorwärts. Um wirkliche Profis konnte es sich hier nicht handeln, die wären unauffälliger vom Hof gefahren.

      Wir wurden in dem Transporter arg durchgeschüttelt und mehr als einmal befürchtete ich, dass die Paletten neben uns umkippen oder ins Rutschen kommen könnten. Birgit blickte mich ängstlich an und ich sprach beruhigend auf sie ein. Dann endlich stoppte der Wagen mit quietschenden Reifen. Türen schlugen und krachend öffnete sich unsere Schiebetür. Erneut blickten wir in die Mündung der Ruger.

      „Los raus! Alle beide.“

      Das grelle Sonnenlicht blendete mich und ich blinzelte in die Helligkeit, bevor ich von der niedrigen Ladekante sprang. Beinahe wäre ich ins Straucheln gekommen, was ich im letzten Moment aber verhindern konnte. Mit den Händen auf dem Rücken hätte ich mich bei einem Sturz unweigerlich verletzt.

      Wir standen vor einer Lagerhalle in so einer Art Industriegebiet. Ein langgestreckter Bau, der sich in nichts von den üblichen Lagerhallen unterschied. Die beiden Frauen verschwanden gerade durch eine kleine Türe, die rechts von einem Tor angebracht war. Der zweite Mann dieses Diebes - Kleeblatts machte sich an den Hecktüren des Transporters zu schaffen. Kurze Zeit später öffnete sich das Rolltor rasselnd und eine der Frauen erschien mit einem Hubwagen. Die Gauner waren gut organisiert, stellte ich fest. Jetzt galt es nur noch herauszufinden, wie schwer bewaffnet die Truppe war. Verfügte jeder der Gangster über eine Pistole, oder war die Ruger die einzige Waffe? Und die Hände musste ich freibekommen. Leider erwies sich das Klebeband als äußerst widerstandsfähig. Ohne Birgits Hilfe würde ich kaum freikommen.

      „Los, ab in die Halle“, befahl unsere Wache jetzt und stupste mich mit der Pistole an. Wirklich prima, dass keine Patrone in der Kammer war. Birgit sah mich hilfesuchend an und ich nickte ihr zu.

      Die Halle stand voll mit Paletten, auf denen Waren aller Art gestapelt waren. Ich stellte fest, dass das Kaufhaus Kaufstatt offensichtlich nicht alleine von den Dieben heimgesucht wurde. „Da rüber, in das Büro!“ Wieder ein unsanfter Knuff mit der Pistole. Der Mann schien Gefallen daran zu finden, mir seine Waffe in den Rücken zu piksen. Ich würde ihm später - nur so zum Spaß - auch ein paar blaue Flecken verpassen.

      Wir stolperten in das kleine Büro, das mit Aktenschränken vollgestopft war. In der Mitte des Raumes stand ein schmuddeliger Schreibtisch hinter dem ein fetter Mann mit einer Zigarre im Mund saß.

      „Sind das die beiden?“, fragte der Zigarrenraucher und offenbarte damit das ganze Ausmaß seiner Intelligenz. Wer sonst, außer ‚den beiden’ sollten wir denn sein? So gefesselt wie wir vor ihm standen.

      „Das sind sie Boss. Die haben uns hinterher geschnüffelt. Da die Frau und der Mann.“ Der Pistolenträger zeigte mit seiner Waffe erst auf Birgit, dann auf mich. Musste er seinem Chef jetzt erklären, wer von uns beiden Mann und wer Frau war?

      Der Fette lehnte sich in seinem Sessel zurück, der ein bedenkliches Knarren von sich gab. Ich musste grinsen, als ich mir vorstellte, wie der Mann mit seinem Sessel nach hinten umkippte.

      „Was gibt es denn da zu grinsen?“, grollte er mich mit der Zigarre im Mundwinkel an und stieß eine Rauchwolke aus. „Du scheinst das ja noch ganz lustig zu finden. Aber das Lachen wird euch schon noch vergehen. Was schleicht ihr auch meinen Leuten hinterher?“

      „Wir sind niemandem hinterhergeschlichen“, erwiderte ich und machte dabei ein ängstliches Gesicht. „Ich habe meine Kollegin hier gesucht und bin dabei zufällig auf ihre Leute gestoßen. Wir sind doch nur einfache Angestellte, die vom Arbeitsamt vermittelt wurden.“ Dabei schaffte ich es meine Stimme ein wenig weinerlich klingen zu lassen. „Bitte lassen sie uns gehen, wir haben doch gar nichts getan.“

      „Das könnte euch so passen. Und uns dann an die Polizei verpfeifen.“ Der Fette paffte aufgeregt an seiner Zigarre, dann sah er den Mann mit der Waffe an: „Ist dieser Sanurski auf dem Weg?“ - „Ja Chef, der müsste jeden Augenblick eintreffen.“ - „Gut, gut. Er soll sofort zu mir kommen. Wir mü...“

      Der ‚Chef’ wurde durch einen Tumult in der Lagerhalle unterbrochen. Erst erklang ein Aufschrei, dann zerbarst klirrend Glas. „Verdammt, was ist denn da los?“ Mühsam erhob er sich aus seinem Sessel und stapfte Richtung Tür. „Du passt auf die beiden auf, ich bin gleich wieder zurück.“

      Der mit der Pistole nickte, richtete die Waffe bedrohlich auf uns und blickte seinem Chef hinterher. Man sah seinem Gesicht an, dass er sich mehr Gedanken um das Geschehen in der Halle, denn um uns beide machte.

      Ich nickte Birgit zu und wies mit dem Kopf auf den Mann. Jetzt war die Gelegenheit gekommen zu handeln. Während Birgit ihn ein wenig ablenkte, könnte ich ihn außer Gefecht setzen. Trotz meiner gefesselten Hände, soviel traute ich mir zu.

      Birgit sah mich aus fragenden Augen an. Wieder nickte ich zu dem Gangster hin. „Hmm?“, war die einzige Reaktion meiner Kollegin. Noch ein Nicken, dann platzte mir der Kragen: „Birgit, du sollst ihn ablenken, das wollte ich dir damit sagen!“, schrie ich die Kleine an. „Aber es geht auch so, danke.“

      Der Mann sah mich fragend an und richtete seine Waffe auf mich. Wie ich unschwer erkennen konnte, befand sich weiterhin keine Patrone in der Kammer, der Knabe hatte die Ruger immer noch nicht durchgeladen. Jetzt galt es zu handeln. Ich verlagerte mein Gewicht auf den linken Fuß, so dass ich einen sicheren Stand hatte.

      Dann lud der Ganove durch.

      Wie in Zeitlupe sah ich seine Hand den Schlitten der Waffe zurückziehen und konnte förmlich spüren, wie eine 9 mm Patrone die Kammer füllte. Das höhnische Grinsen wurde nur von dem mordlüsternen Blick in seinen Augen übertroffen.

      Aus dem Augenwinkel erkannte ich, dass Birgit zu Boden fiel. Hatte der Typ schon geschossen? Nein, meine Kollegin schien sich lediglich hingeworfen zu haben. Mein rechter Fuß beschrieb jetzt - ebenfalls in Zeitlupe - einen Halbkreis und traf den Gauner mit geübter Präzision am Kinn. Knock - out konstatierte ich und spürte im selben Moment, wie eine Kugel an mir vorüberzischte. Knapp vorüber. Ein ohrenbetäubender Knall folgte.

      „Los, Birgit, die Waffe.“ Diesmal verstand mich die Kleine und sie reagierte überraschend schnell. Die Ruger lag neben dem Ohnmächtigen und Birgit kroch darauf zu. In diesem Moment öffnete sich die Tür und der Fette stand im Türrahmen. Mit einem Blick erfasste er die Situation und trat die Waffe zur Seite. Dann fummelte er einen kurzläufigen Revolver hervor und zielte damit auf mich. „Hände hoch“, befahl er.

      „Geht nicht, die sind doch hinter meinem Rücken gefesselt.“ Ich drehte mich ein wenig zur Seite. Nicht um ihm meine Fesseln zu zeigen, sondern um eine bessere Position für einen weiteren Kampftritt zu bekommen. Doch der Fette trat einen Schritt zurück. Entweder ahnte er was ich vorhatte, oder er war einfach nur vorsichtig. Inzwischen trat auch der andere Mann in den Raum und sah fragend seinen Chef an. Dann beugte er sich zu dem Ohnmächtigen herab.

      „Den hat’s voll erwischt, Chef“, stellte er dann fest.

      Birgit war inzwischen zu mir zurückgekrochen und kauerte leise schluchzend am Boden. Bis zur hartgesottenen Privatdetektivin fehlte