Jürgen H. Ruhr

Reise - Begleitung


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dann also probieren. Ich wollte zu Messer und Gabel greifen, musste aber feststellen, dass weder das eine noch das andere vorhanden war. „Erwin, ich brauche eine Gabel.“

      „Oh, natürlich. Die habe ich vergessen. Entschuldige Jonathan, aber ich war aufgeregt wegen des neuen Tellers, also wegen meiner neuen Kreation ...“

      Erwin steckte einen Plastikpiekser mitten in die Mayopampe. „Bitteschön.“ Dann leckte er sich die Finger ab, war mit dem Ergebnis aber nicht wirklich zufrieden und wischte sie mit dem Lappen sauber. So sauber das jedenfalls mit einem vor Bier triefenden Lappen ging.

      Ich stocherte mit dem Finger in der Mayonnaise und fand schließlich die kleine Gabel. Genüsslich spießte ich ein Stück Wurst auf. „Lecker“, konstatierte ich dann.

      Erwin grinste mich zufrieden an. „Lärpers Spezial, meine Kreation. Ich glaube, jetzt kann ich mit Fug und Recht von gehobener Küche sprechen.“

      Ich schüttete ein wenig des Bieres auf den Tisch und entwand Erwin den Lappen. Dann wischte ich so gut es ging den Tisch sauber. Ein Großteil der Fritten war durchweicht und nicht mehr genießbar. Der Rest aber schmeckte gewohnt gut. Ich war zufrieden!

      VI.

      Die nächsten Tage vergingen wie im Flug - und ohne, dass ich wirklich einen Schritt bei meiner Suche nach den Dieben weiterkam. Birgit hielt sich ungewöhnlicher Weise zurück. Kein ‚Johni’ mehr und keine dummen Bemerkungen. Dafür stellte ich fest, dass sie ihre Augen und Ohren offen hielt und alles in unserer Umgebung genauestens beobachtete.

      Sanurski, unser Abteilungsleiter, zeigte sich mit unseren Ergebnissen der Inventur einigermaßen zufrieden. Auch wenn er immer wieder betonte, dass wir mehr leisten könnten. Leider kam ich nicht mehr dazu, einen Abstecher in die Elektroabteilung zu machen und musste mich auf die Befragung der Kollegen in unseren Pausen beschränken. Allerdings stellte sich das Elektromännchen dabei so geschickt an, dass ich nichts Wichtiges aus ihm herausbrachte. Entweder war der Mann extrem dumm oder es handelte sich wirklich um den gewieften Verbrecher, den ich in ihm vermutete.

      Nach dem Feiertagswochenende trat Sanurski eines Morgens zu uns. „Guten Morgen, Frau Zickler, Herr Lärpers. Ich möchte sie darauf hinweisen, dass heute einige Mitarbeiter der Firma Pleckla in unserer Abteilung sein werden, die die Regale dort drüben mit Waren auffüllen sollen. Dadurch kann es ein wenig hektisch und eng werden. Stören sie sich einfach nicht an den Kollegen. Übrigens brauchen sie die Waren, die neu in die Regale kommen, nicht zu erfassen. Das wurde vorab schon ins System gegeben. Sie arbeiten weiter wie gehabt.“

      Mit einem kurzen Nicken zog Sanurski wieder von dannen. „Na, das kann ja heiter werden“, meinte Birgit nur, ließ aber offen was sie damit meinte. Wir widmeten uns wieder unserer öden Zählerei.

      Während ich Packungen und Rollen von Toilettenpapier zählte - eigentlich müsste man alle auspacken und die einzelnen Blätter zählen, um auf eine wirklich genaue Inventurzahl zu kommen - ging mir nicht aus dem Kopf, wie ich es schaffen könnte, in die Elektroabteilung zu gelangen. Vielleicht ergab sich eine Gelegenheit, wenn die Kollegen an den Regalen arbeiteten. Ich nahm mir vor, meinen Hauptverdächtigen noch heute zu beschatten und womöglich das Geheimnis der Kaufhausdiebe zu lösen.

      Die Mitarbeiter der Firma Pleckla trudelten gegen elf Uhr ein. Laut schwatzend und lachend traten nacheinander zwei Männer und zwei Frauen in unseren Gang. Alle trugen gleiche grüne Arbeitskittel und ich konnte mir nur mit Mühe die Bemerkung ‚wie Chirurgen’ verkneifen. Perplex blieben die vier stehen und betrachteten meine Kollegin und mich eingehend. Ich starrte zurück. Dann nickte einer der Männer uns kurz zu: „Hallo, wir sind von der Firma Pleckla. Lassen sie sich von uns nicht stören ...“

      Birgit und ich murmelten ein ‚Guten Morgen’ und zählten weiter. Unauffällig beobachtete ich die Leute, die jetzt an uns vorbei zum Ende des Regals vordrangen. Der Mann, der zuvor mit uns gesprochen hatte, schien der Chef der kleinen Gruppe zu sein. Leise teilte er seine Leute zum Arbeiten ein. Ich schüttelte den Kopf. An diesen Menschen war nichts Ungewöhnliches. Ich musste mich wieder mehr auf meine Aufgabe, in die Elektroabteilung zu gelangen, konzentrieren.

      Und endlich ergab sich auch eine Gelegenheit. Birgit kam gerade von einem ihrer zahlreichen Toilettengänge zurück und wollte an mir vorbei gehen, da nahm ich sie zur Seite: „Ich muss auch mal eben zur Toilette“, teilte ich ihr mit. „Halte du hier solange die Stellung.“

      Meine Kollegin nickte.

      Ich drehte mich um und wollte gerade den Gang entlanglaufen, als sie mich zurückrief: „Jon - athan, zur Toilette geht es aber da lang.“ Sie zeigte mit ausgestrecktem Arm in die Richtung, aus der sie eben gekommen war.

      „Ja klar - aber viele Wege führen nach Rom“, konterte ich und grinste.

      „Sicher, und viele Wege führen auch in die Elektroabteilung. Dass du dir diese unsinnige Idee immer noch nicht aus dem Kopf geschlagen hast. Du kannst mir glauben, wenn ich dir sage, dass der Mann nichts mit den Diebstählen zu tun hat.“

      Ich lachte. Birgit, die kleine, unerfahrene Detektivanwärterin schien ja mehr zu wissen, als ich. Was dachte sie eigentlich, wer sie wäre? Sherlock Holmes? Als ihr Chef und Ausbilder musste ich sie natürlich zurechtweisen: „Birgit, Birgit. Wie kommst du darauf, dass dieses Männlein nichts mit der Sache zu tun haben könnte? Denkst du vielleicht, du wärst Sherlock Holmes?“

      Das würde ihr zu denken geben.

      Aber die Zicke sah mich nur grinsend an: „Joh - nathan, Sherlock Holmes war ein Mann. Du könntest mich dann eher mit Casey Jones vergleichen. Obwohl ich von der Figur her doch ein wenig schlanker bin.“

      „Casey wer?“, fragte ich. Mit was für einem Halbwissen wollte meine Kollegin denn jetzt wieder auftrumpfen? Außerdem könnte man doch vielleicht sagen: der weibliche Sherlo...

      „Casey Jones. Eine Privatdetektivin in den Romanen von Katy Munger. Aber vielleicht kennst du ja Miss Marple?“

      Ich blickte Birgit nur fragend an. Klar, von einer Miss Marp... hatte ich schon einmal gehört. War das ni...

      „Jane Marple, die Amateurdetektivin in den Romanen von Agatha Christie. Jetzt sag’ nicht, dass du die auch nicht kennst.“

      Ich nickte. Klar kannte ich die. Aber wen interessierten denn schon Romandetektive? Hier und jetzt spielte das wahre Leben und da galt es, dass der Privatdetektiv Jonathan Lärpers den Kaufhausdieb Elektromännchen dingfest machte. Nicht das tote Bücherwissen zählte. Ich hob die Hand, drehte mich um und stolperte fast über einen der Regaleinräumer. Mich entschuldigend hastete ich weiter. Das waren redliche, fleißige Arbeiter. Alle vier knieten vor dem Regal und holten auch noch aus der hintersten Ecke irgendwelche Kartons mit Waschmitteln, die sie ordentlich auf eine leere Palette stapelten. So war es recht, Platz für Neues schaffen.

      Jetzt konnte mich aber niemand mehr aufhalten! Den Weg zur Elektroabteilung kannte ich ja noch und als ich durch die Buchabteilung ging, dachte ich kurz darüber nach, mir ein Buch von dieser Miss Kathy Mumper zu kaufen. Aber die Zeit drängte, bald würde die Mittagspause beginnen und das Männchen wäre nur noch im Aufenthaltsraum anzutreffen. Also musste der Buchkauf warten.

      In der Elektroabteilung sah ich sofort meinen Verdächtigen. Der Mann sprach gerade mit einem ganz in schwarz gekleideten jungen Mann. Schwarze Hose, schwarzes Hemd und darüber ein weiter, schwarzer Mantel. Ich rieb mir die Hände. Dem Kameraden war doch seine schwarze Gesinnung schon an der Kleidung anzusehen! Jetzt hatte ich meinen Kaufhausdieb. Und auch noch in flagranti. Bei der in unauffälligem schwarz gekleideten Person konnte es sich ja nur um den Komplizen meines Diebes handeln. So stellten die das also an! Die Waren wurden unter dem weiten Mantel aus dem Kaufhaus getragen. Schlau, schlau. Ich beobachtete die beiden und ärgerte mich, keinen Fotoapparat zur Beweissicherung dabei zu haben. Jetzt hielt das Männchen dem Schwarzgekleideten eine Packung hin. Es war ziemlich sicher, dass die gleich unter dem Mantel verschwinden würde. Ich machte mich sprungbereit, um eingreifen zu können.

      Aber die Packung verschwand nicht unter dem Mantel, vielmehr