Jürgen H. Ruhr

Reise - Begleitung


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und mich zu bringen.

      „Bezahlen nicht vergessen!“, rief der hinter mir her und lenkte damit meine Schritte zur nächsten Kasse.

      „Und, wie war’s?“, fragte Birgit mich neugierig, als ich zu ihr zurückkehrte. Dann sah sie das Buch in meiner Hand. „Du hast ein Buch gekauft? Zeig’ doch mal.“

      Schneller als ich reagieren konnte, hielt sie es in der Hand und studierte den Buchtitel. „Aha, na ja vermutlich eine gute Wahl für dich, Johni“, meinte sie lachend und gab mir das Buch zurück. Ich blickte zum ersten Mal auf den Titel: ‚Die sexuelle Schwäche im Alter - Eine Anleitung für Betroffene’.

      Am späten Nachmittag ließ sich Sanurski wieder einmal blicken. Wenn auch nur, um mich zu ermahnen, morgen pünktlich zu erscheinen.

      „Sonst ist Schluss für sie“, grollte er. „Zeigen sie doch mal her, wie weit sie gekommen sind.“ Er nahm mir meinen Tabletcomputer aus der Hand und blickte das Regal entlang. „Naja, da müssen sie aber noch einen Zahn zulegen. Aber für den Anfang will ich das Ergebnis einmal akzeptieren. Sie können sich jetzt umziehen gehen und für heute Feierabend machen.“ Auf Birgits Tabelle warf er nicht einmal einen Blick, sondern lächelte ihr nur gütig zu.

      „Jetzt erzähl’ doch mal, wie es in der Elektroabteilung war. Und wieso hast du dieses dämliche Buch gekauft?“

      Ich erklärte ihr mit wenigen Worten, was passiert war und dass ein Detektiv sich nicht lange das Buch, das er zur Tarnung kauft, anschauen kann. Wichtig war doch, dass das Männchen nichts gemerkt hatte.

      „Und wie gehen wir morgen vor?“ Birgit ging neben mir her und ich wünschte mir eigentlich nichts sehnlicher, als sie los zu werden. Mir knurrte der Magen und vor Durst hing meine Zunge dick und geschwollen im Mund. So fühlte sich das jedenfalls an. Curry - Erwin wäre jetzt die Lösung meiner Probleme. Meine Lieblingsfrittenbude, in der mein Freund Erwin mich immer so fürsorglich bewirtete. Aber Birgit wollte ich auf keinen Fall dabei haben. Zumal sie auf mich nicht den Eindruck machte, als würde sie Hunger oder Durst leiden.

      „Morgen, Birgit. Für heute haben wir Feierabend. Jetzt entspannen wir erst einmal und bereiten uns auf den morgigen Tag vor. Du hast doch bestimmt auch etwas vor. Deinen Freund besuchen - oder so.“ Ich merkte, dass ich so gut wie nichts über Birgit wusste. Hatte sie überhaupt einen Freund, einen Partner - oder, wie es so neumodern hieß - einen ‚Lebensabschnittspartner’?

      Andererseits aber interessierte mich das alles nicht sonderlich. Erwins goldgelbe - na gut, manchmal auch eher bräunliche - Pommes Frites und eine schöne Currywurst, das waren die Dinge, die mich jetzt mehr beschäftigten. Und dazu ein richtig schön kaltes Bier.

      „Schade, Johni. Ich dachte, wir machen noch so eine Art Nachbesprechung des Tages. Unsere Erkenntnisse zusammenfassen und in Gedanken noch einmal alles durchgehen. Ich will doch schließlich etwas lernen ...“

      „Morgen, Birgit. Jetzt habe ich Hunger und Durst. Essen und Trinken, das sind die Dinge, die zunächst ganz oben auf meiner Liste stehen.“ - „Oh, fein, Johni. Dann lass’ uns doch einfach etwas essen gehen. Ein Arbeitsessen quasi. Das ist eine wirklich gute Idee.“

      Ich schüttelte den Kopf: „Nein, Birgit.“ Dann fiel mir etwas ein: „Siehst du, ich hatte dich doch gebeten mich nicht mehr ‚Johni’ zu nennen. Und dieses ‚Johni’ gefällt mir nicht. Und jetzt möchte ich mir auch das Abendessen nicht durch dein nerviges ‚Johni’ verderben lassen. Nein, wir treffen uns morgen im Kaufhaus wieder.“

      Sicherlich, das waren harte Worte, aber ich fühlte mich in diesem Moment auch nicht wirklich gut und die Zicke ging mir ja eh auf den Wecker. Da musste ich nicht noch meine Freizeit mit der verbringen! Ohne ein weiteres Wort änderte ich die Richtung, beschleunigte meinen Schritt und ging Richtung Curry - Erwin davon. Aus den Augenwinkeln bemerkte ich noch, dass Birgit stehen blieb und mir nachsah. Dann war ich endlich aus ihrer Reichweite.

      Geschafft.

      Curry - Erwin empfing mich mit offenen Armen. Um diese Zeit war bei ihm noch nicht viel los, die Gäste kamen meistens später. Grinsend drückte er mich an seine schmuddelige Schürze. Ich bemerkte, wie ein Ketchupfleck auf meinem Hemd zurückblieb. Aber was machte das schon? Morgen würde ich sowieso ein frisches Hemd anziehen.

      „Jonathan. Schön dich wieder einmal bei mir begrüßen zu dürfen. Du hast dich ja Ewigkeiten nicht mehr blicken lassen. Wie immer? Das volle Programm?“

      Ich nickte. „Und dazu ein schönes, kaltes Bier. Aber was heißt ‚Ewigkeiten’? Ich war doch vor kurzem erst noch hier.“

      Erwin lachte, achtete nicht auf die eben auf den Teller geschaufelten Pommes und fegte die heruntergefallenen mit auf dem Tresen liegenden Wurstresten wieder zurück auf den Teller. Dann gab er reichlich Mayonnaise darüber. Seine ‚Detektiv Lärpers Spezialmischung’ wie er es nannte. Grinsend schnippelte er eine Wurst dazu und kippte Soße darüber. Der Teller schwamm vor Soße und Mayonnaise.

      „So liebst du es doch“, meinte er und sah mich nachdenklich an. Diesen Blick kannte ich und jetzt bekam Erwin gerade wieder eine seiner berühmten Ideen. Ich war gespannt.

      „Bist du bereit für etwas Neues?“, fragte er mich und lugte listig hinter dem Teller hervor. „Du brauchst auch nichts extra zu zahlen. Hör’ zu, Jonathan: Ich nenne das Gericht ‚Lärpers Spezial’ - nach dem berühmten Privatdetektiv.“ Jetzt lachte er. Und hielt leider den Teller ein wenig schräg, so dass Soße und ein paar Wurststücke auf die Theke klatschten.

      „Also, was sagst du?“ - „Was soll das denn sein?“, fragte ich skeptisch.

      „Lass dich überraschen, Jonathan.“ Jetzt befand sich kaum noch Soße auf dem Teller. Wenn ich lange zögerte, bestünde das Gericht ‚Lärpers Spezial’ aus einem leeren Teller. Rasch nickte ich.

      Wieselflink hielt Erwin den Teller unter den Spender mit dem Senf und gab eine ordentliche Portion auf die Pommes. Dann klaubte er die heruntergefallenen Wurststücke auf und hielt mir anschließend das Ganze hin.

      „Wuahlah! Der Teller ‚Lärpers Spezial’. Lass es dir schmecken Jonathan.“

      Ich sah mir die Soße - Majo - Senf Pampe an. Irgendwie sah das nach etwas Besonderem aus. ‚Lärpers Spezial’. Ja, eine wirklich gute Idee. „Jetzt fehlt nur noch das Bier“, erinnerte ich Erwin an meine Bestellung.

      „Marschiert!“ Erwin zog ein Bier aus dem Kühlschrank, blieb aber an der Tür hängen, worauf die Flasche krachend zu Boden fiel. Grinsend hob er sie wieder auf und hielt sie mir triumphierend hin: „Nichts passiert, Jonathan. Die neuen Flaschen halten einiges aus. Außerdem kann man die jetzt ohne Öffner aufdrehen.“

      Ich nickte. Das war nichts Neues für mich. Dankbar stellte ich mein Essen auf dem nächstgelegenen Stehtisch ab. Dann drehte ich am Verschluss. Der Abend konnte beginnen! Mein Feierabend nach einem reichlich anstrengenden Tag.

      Nachdem ich einiges an Kraft aufwenden musste, um die Flasche zu öffnen, wurde ich mit einer Fontäne besten Bieres belohnt. Der Gerstensaft spritzte über mein Gesicht, mein Hemd und auf meinen ‚Lärpers Spezial’ - Teller. Dann versiegte die Quelle endlich und wie ich feststellte, verblieb noch gut die Hälfte des Bieres in der Flasche. Na also!

      Erwin war sofort heran und begann mich mit einem Lappen abzutupfen. „Ist dir was passiert, Jonathan? Was hast du denn wieder angestellt? Warte, ich mache dich sauber. Nee, nee, wie das hier wieder aussieht. Gut, dass wir so dicke Freunde sind. Jetzt iss aber endlich. Ich will sehen, ob dir der ‚Lärpers Spezial’ auch schmeckt.“

      Erwin drückte seinen Lappen in mein Gesicht, worauf lauwarmes Wasser über mein Hemd floss. Wie sollte ich essen, wenn mein Freund immer so an mir herumtupfte?

      „So kann ich nicht essen, Erwin“, beschwerte ich mich, musste aber zunächst noch zusehen, wie Erwin mit dem nassen Lappen mein Hemd abrieb. Ein riesiger roter Fleck machte sich auf meiner Brust breit. ‚Soße’, dachte ich bei mir, musste mich dann aber korrigieren. Der Fleck war rot - weiß. Soße und Mayonnaise. Naja.

      Erwin schien