Johann Heinrich August Leskien

Balkanmärchen auf 251 Seiten


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Auch diesmal ging der Grindskopf heimlich

       mit und blieb an dem früheren Orte stehen, verbarg

       den Rindsmagen und warf das rote Haar in die Luft.

       Sogleich stand ein Rotfuchs vor ihm und dabei ein

       roter Anzug. Der Grindskopf zog die roten Kleider

       an, bestieg den Fuchs und sprang mit gewaltiger Kraft

       über die Gräben. Die zweite Tochter des Zaren aber,

       die den Sprung mit angesehen hatte, warf ihm zum

       Zeichen einen Apfel zu, und er fing ihn auf und steckte

       ihn ein. Dann eilte er schnell wieder an den alten

       Platz, stieg vom Pferd, legte die roten Kleider ab und

       zog den Rindsmagen wieder über den Kopf; Pferd

       und Kleider verschwanden. Er ging nun schnell nach

       Hause und setzte sich an den Herd, als ob er von

       nichts wüßte. Bald darauf kamen auch seine Brüder

       und erzählten Vater und Mutter, was geschehen war

       und was sie gesehen hatten: »Sieh mal, Vater; es kam

       da ein Held auf einem Rotfuchs und ganz in Rot gekleidet;

       der sprang über die Gräben, und die Zarentochter,

       die zweite, warf ihm einen Apfel zu.« Da fuhr

       auch der Grindskopf mit der Frage drein: »Was, Bruder,

       was?« Die aber sagten zu ihm: »Ach, du Grindskopf,

       du bist nur gut, zu Hause zu sitzen am Herd in

       der Asche; was hast du zu fragen? Schweig du hier

       still!«

       Nach einiger Zeit riefen die Herolde wieder aus:

       »Wer ein Held aller Helden ist, der soll kommen und

       über des Zaren Gräben springen, der Zar will ihm

       seine jüngste Tochter geben.« Da versammelte sich

       eine Menge Helden, um den Sprung zu versuchen,

       aber keiner konnte über die Gräben kommen. Auch

       die Brüder des Grindskopfs waren gekommen, aber

       nur um von ferne zuzusehen, denn den Sprung konnten

       sie durchaus nicht machen, wollten aber wenigstens

       sehen, wer hinüberkommen wird. Ihnen war

       auch ihr Bruder, der Grindskopf, heimlich gefolgt,

       blieb wieder an dem früheren Ort stehen und warf das

       schwarze Haar in die Luft. Sogleich erschien vor ihm

       ein Rappe und ein schwarzer Anzug. Er verbarg den

       Rindsmagen, zog die schwarzen Kleider an, bestieg

       den Rappen, sprengte mit gewaltiger Schnelligkeit

       fort und sprang über die Gräben, und die jüngste Zarentochter

       warf ihm einen Apfel zu. Den fing er auf,

       steckte ihn zu sich und kehrte schnell an den früheren

       Ort zurück. Dort stieg er ab, zog die schwarzen Kleider

       aus und zog den Rindsmagen wieder über den

       Kopf; Pferd und Kleidung verschwanden, er ging

       nach Hause und setzte sich an den Herd, als wüßte er

       von nichts. Als nun die Brüder zurückkamen, erzählten

       sie dem Vater: »Sieh mal, Vater, heute kam ein

       Held ganz in Schwarz und auf einem Rappen, der

       sprang über die Gräben, und die Zarentochter, die

       jüngste, warf ihm einen Apfel zu.« Da kam auch der

       Grindskopf mit der Frage: »Was, Bruder, was?« Die

       aber antworteten ihm nur: »Ach, du Grindskopf, bleib

       du nur am Herd in der Asche, zu anderem bist du

       nicht da.«

       Kurze Zeit verging, da riefen die Herolde wieder

       aus: »Was der erste Held war, der soll zum Zaren

       kommen und sich die älteste Zarentochter nehmen.«

       Da sagte der Grindskopf zu seinem ältesten Bruder:

       »Bruder, ich habe was gefunden, möchtest du, daß ich

       dir es gebe?« – »Was, du Grindskopf,« antwortete

       der, »du willst was gefunden haben? Wohin bist du

       aus dem Hause gegangen, daß du etwas finden konntest?

       « – »Was geht dich das an?« fuhr der Grindskopf

       fort, »kann ich dir nicht etwas geben, was ich gefunden

       habe?« – »Na, da gib her, laß sehen, was du gefunden

       hast.« – Darauf zog der Grindskopf den Apfel

       heraus, den ihm die älteste Zarentochter zugeworfen

       hatte, und gab ihn seinem Bruder. Der ging zum

       Zaren und bekam die älteste Zarentochter zur Frau.

       Der Zar aber gab ihm zugleich mit der Tochter auch

       einen besonderen Palast.

       Nach einiger Zeit riefen wieder die Herolde aus:

       »Was der zweite Held war, der über die Gräben

       sprang, der soll kommen und sich die zweite Zarentochter

       nehmen.« Da sagte wieder der Grindskopf zu

       seinem zweiten Bruder: »Bruder, möchtest du, daß

       ich dir etwas gebe, was ich gefunden habe?« – »Na,

       du Grindskopf, kannst du etwas hier gefunden haben,

       in der Asche?« – »Was geht das dich an?« fuhr der

       Grindskopf fort, »kann ich dir nicht etwas geben?« –

       »Na, so gib, laß sehen, was du gefunden hast.« – Da

       zog der Grindskopf den Apfel der zweiten Zarentochter

       heraus und gab ihn seinem Bruder. Der nahm ihn,

       ging zum Zaren und heiratete dessen zweite Tochter.

       Der Zar aber gab ihm mit der Tochter auch einen besonderen

       Palast.

       Zuletzt, wieder nach einiger Zeit, riefen die Herolde

       aus: »Was der letzte Held war, der über die Gräben

       sprang, der soll kommen und sich die jüngste Zarentochter

       nehmen.« Da ging der Grindskopf mit dem

       Rindsmagen auf dem Kopf und dem Apfel der jüngsten

       Zarentochter zum Zaren, um sich die versprochene

       Braut, die Zarentochter, zu holen. Als aber der

       Zar ihn in dem Zustande sah, mit dem Rindsmagen

       auf dem Kopfe, wollte er sie ihm nicht geben: »Soll

       ich meine Tochter einem Grindigen geben?« Die

       Tochter aber sagte zu ihrem Vater: »I, Vater! der war

       mir zugedacht, den will ich nehmen.« – »Nein,« fuhr

       der Zar fort, »das darf nicht geschehen.« – »Der war

       mir vom Schicksal bestimmt,« sagte sie weiter, »den

       wünsche ich mir, den will ich nehmen und will keinen

       andern.« Da gab sich der Zar, ihr Vater, zufrieden und

       sagte: »Nun, wenn du ihn willst, nimm ihn dir.«