Johann Heinrich August Leskien

Balkanmärchen auf 251 Seiten


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kleine Stube zur Wohnung, am Pferdestall

       nahe bei den Pferden.

       Bald darauf kam der Zar in Sorge, ein anderer Zar

       hatte ihm Krieg erklärt, daher ließ er die Herolde ausrufen:

       »Wer dem Zaren im Kriege zu Hilfe kommt,

       dem wird er ein Geschenk geben, was er sich nur

       wünscht.« Da zogen viele Helden zu Hilfe; auch hatte

       er die beiden älteren Schwiegersöhne aufgefordert,

       und sie gingen. An den jüngsten dachte er nicht einmal

       so weit, daß er überhaupt da war, und ließ ihn

       nicht einmal wissen, daß er mit jemand Krieg führte

       und in Not war.

       »Na!« sagte der Grindskopf zu seiner Frau, »dein

       Vater hat seine beiden andern Schwiegersöhne zum

       Krieg aufgerufen, mir hat er nicht einmal angezeigt,

       daß er Krieg führt und Not hat. Meinetwegen, aber

       wenn ich auch zu nichts anderm tauge, hätte er mich

       wenigstens zum Zusehen einladen können.«

       Da ging die Frau zu ihrem Vater, weinte ihm etwas

       vor und sagte: »Vater, warum tust du das? Deine beiden

       andern Schwiegersöhne hast du zum Krieg aufge-

       rufen, warum nicht auch den jüngsten? Und wenn du

       ihn schon dazu nicht aufrufst – er taugt ja auch nicht

       für den Krieg –, warum hast du es nicht so gemacht,

       daß du ihm irgendeinen elenden Gaul gibst, damit er

       wenigstens mitgehen und aus der Ferne zusehen

       kann.« Da befahl der Zar seinen Dienern, ihm den

       alten Gaul zu geben. »Mag er denn auch gehen und

       zusehen, wenn er will.«

       Der Grindskopf nahm den alten Gaul, stieg auf und

       zog mit dem Rindsmagen auf dem Kopfe fort. Als er

       so dahinzog, blieb der Gaul in einem Graben stecken,

       und er konnte nicht mit ihm herauskommen. Alle, die

       das sahen, lachten ihn aus; endlich aber kam er mit

       großer Mühe wieder aus dem Graben heraus. Darauf

       versteckte er irgendwo den Rindsmagen und warf das

       weiße Pferdehaar in die Luft. Sogleich, hast du nicht

       gesehen, erschien vor ihm ein Schimmel und ein weißer

       Anzug; er zog die weißen Kleider an, bestieg den

       Schimmel und machte sich auf, das Heer, das weitergezogen

       war, einzuholen. Er holte es auch ein und

       sprengte vor dem ganzen Heere so mächtig einher,

       daß keiner ihn aufhalten konnte. Sie schlugen sich

       nun mit dem Feinde herum, besiegten ihn und kehrten

       am Abend zurück; auch der Zar kam zurück. Am

       nächsten Morgen kamen zum Zaren alle seine Großen,

       ihn zu dem Siege zu beglückwünschen, darunter

       auch der Held mit dem Schimmel, der Sieger. Sie stie-

       gen hinauf, und alle standen stramm vor ihm; dann

       setzten sie ihn an den obersten Platz, ganz oben. Als

       sie nun tüchtig getrunken hatten, wie es damals Sitte

       war, sagte der Zar zu ihm:

       »Nun, was wünschest du dir von mir? Wünsche,

       was du magst, ohne Scheu.« Er aber antwortete:

       »Nichts wünsche ich, erhabener Zar.« – »Wieso

       nichts? Ich habe doch gelobt, dem Sieger alles zu

       geben, was er nur wünscht.« Der Held wiederholte:

       »Ich wünsche nichts, erhabener Zar, als nur das Bekken,

       das du zum Waschen brauchst, nur das gib

       mir.« – »Das Waschbecken«, antwortete der Zar,

       »kannst du leicht haben, aber wünsche dir noch

       etwas.« – »Nichts anderes wünsche ich«, sagte der

       Held noch einmal, »als das Becken.« Da gab man ihm

       das Waschbecken, und er ging damit nach Hause; das

       Pferd aber und die weißen Kleider verschwanden, und

       er zog wieder den Rindsmagen über den Kopf, das

       Waschbecken aber hängte er in der Stube an die

       Wand.

       Zum Glückwünschen kamen ja auch des Zaren

       Töchter, so auch die jüngste, die Frau des Grindskopfs.

       Die fragte ihren Vater: »Vater, was für ein Geschenk

       hast du dem Helden gegeben, der in dem Kriege

       gesiegt hat?« – Der Vater antwortete: »Er wollte

       nichts, meine Tochter, als nur mein Waschbecken,

       und das habe ich ihm gegeben.« – »Was,« sagte sie,

       »wie kannst du ihm das Waschbecken gegeben

       haben? Das ist ja da bei uns im Hause, hängt an der

       Wand in unsrer Stube.« – »Nein,« erwiderte der Zar,

       »wie kann das sein? Mein Waschbecken ist Gott weiß

       wo; der Held war nicht von hier; er nahm das Waschbecken

       und ging damit fort.« – »Nein, Vater, das

       Waschbecken ist bei uns zu Hause.« – »So geh und

       hole es, daß ich es sehe.« – Die Tochter eilte nun nach

       Hause, um das Waschbecken zu holen und es ihrem

       Vater zu bringen, daß er es sehe und ihr glaube; aber

       ihr Mann ließ es nicht zu, sondern sagte: »Laß das

       Waschbecken hier; mir ist es recht da, wo es ist.«

       Bald darauf wurde dem Zaren wieder Krieg erklärt;

       die Herolde riefen überall aus: »Wer ein tüchtiger

       Held ist, der soll dem Zaren zu Hilfe kommen, er will

       ihm zum Geschenk geben alles, was er nur wünschen

       mag.« Da kamen viele Helden; der Zar hatte auch

       seine beiden älteren Schwiegersöhne aufgerufen, und

       die waren gekommen. Dem jüngsten aber, dem

       Grindskopf, gab man wieder den alten Gaul, er solle

       auch gehen, aber nur, um aus der Ferne zuzusehen.

       Da sagte er zu seiner Frau: »Was soll ich mit dem

       Gaul? Besser, ich gehe zu Fuß und sehe so von ferne

       zu.« Darauf ging er zu Fuß an den früheren Ort, versteckte

       dort den Rindsmagen und warf das rote Haar

       in die Luft; sogleich kam vor ihm ein Rotfuchs heraus

       und ein roter Anzug. Den zog er an, bestieg das Pferd,

       sprengte fort, dem Heer voran und schlug sich heldenhaft.

       Sie kämpften lange mit dem Feinde, aber durch

       den Heldenmut des Grindskopfes gewann das Heer

       des Zaren den Sieg. Als sie heimgekehrt waren,

       kamen alle Großen