Johann Heinrich August Leskien

Balkanmärchen auf 251 Seiten


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der sieghafte Held.

       Der Zar aber fragte ihn: »Was wünschest du dir von

       mir? Wünsche, was du willst, ich gebe es dir, denn

       ich habe es gelobt, und du hast meine Ehre gerettet.«

       Aber der Held antwortete: »Nichts anderes wünsche

       ich von dir, erhabener Zar, als nur das Tuch, mit dem

       du dir das Gesicht nach dem Waschen abtrocknest.«

       Der Zar gab es ihm, und er ging damit nach Hause;

       auch die anderen gingen fort, er ging aber zuerst an

       den Ort, wo er den Rindsmagen gelassen hatte; dort

       tat er wie früher, setzte den Rindsmagen auf und

       machte sich wieder zum Grindskopf; Pferd und Kleider

       verschwanden. Zu Hause angekommen, hängte er

       auch das Tuch an die Wand wie früher das Waschbecken.

       Als nun die Schwestern gingen, ihrem Vater Glück

       zu wünschen, zu dem Siege, ging auch die Frau des

       Grindskopfes, und als sie ihren Glückwunsch angebracht

       hatte, fragte sie den Vater: was er dem Sieger

       für ein Geschenk gemacht habe. »Er wollte nichts«,

       antwortete der Vater, »als nur das Tuch, womit ich

       mir das Gesicht abtrockne, und das habe ich ihm ge-

       geben.« – »Wie, das Tuch?« fragte sie weiter, »dein

       Tuch ist ja da bei uns zu Hause, hängt in der Stube an

       der Wand.« Der Zar wollte das nicht glauben: »Wie

       kann es bei euch im Hause sein?« – »Ja wohl, es ist

       bei mir im Hause«, wiederholte sie. – »So geh und

       hole es, daß ich es sehe.« – Da ging sie, das Tuch des

       Zaren zu holen, aber ihr Mann ließ es nicht zu, sondern

       sagte: »Laß es da, mir ist es recht, wo es ist.«

       Bald darauf wurde dem Zaren zum drittenmal

       Krieg erklärt; die Herolde riefen überall aus und forderten

       die Helden auf, dem Zaren im Kriege zu Hilfe

       zu kommen; der Zar würde dem Sieger alles geben,

       was er nur wünschen möge. Da kamen alle großen

       auserwählten Helden, auch die beiden älteren Schwiegersöhne

       des Zaren kamen, und zuletzt der jüngste,

       der Grindskopf. Wie früher, versteckte er den Rindsmagen

       und warf das schwarze Haar in die Luft. Sogleich

       erschien ein Rappe und schwarze Kleider. Die

       zog er an, bestieg das Pferd, sprengte fort und kam

       dem ganzen Heere des Zaren voran, schlug sich heldenhaft

       und siegte zum drittenmal.

       Als so der Krieg zu Ende war, kamen wieder die

       Großen zum Zaren, ihm Glück zu wünschen, dabei

       auch der Held, der Sieger, und wieder fragte ihn der

       Zar, was er ihm für ein Geschenk geben solle für den

       Heldenmut, mit dem er das feindliche Heer vernichtet

       hatte. Der Held aber antwortete: »Ich wünsche nichts,

       erhabener Zar, als daß du mir sagst, wer ich bin«;

       dann sagte er aber selbst: »Ich bin dein jüngster

       Schwiegersohn, dem du deine jüngste Tochter nicht

       geben wolltest und den du in einer Stube dicht bei den

       Pferden wohnen ließest.«

       Von da an ehrte ihn der Zar mehr als die beiden andern

       Schwiegersöhne und machte ihn zum ersten von

       allen seinen Leuten.

       So wurde der verachtete Grindskopf der erste von

       allen und kam mehr zu Würden und Ehren als alle.

       8. Kaiser Konstantins Schatz, oder: Das Auge

       des Menschen ist unersättlich

       Es waren einmal ein Vater und ein Sohn; die hatten

       einen Acker mit Weizen besät; da kamen Sperlinge

       geflogen und pickten den Samen weg. Der Vater

       schickte den Sohn auf den Acker, um ihn vor den

       Sperlingen zu hüten. Der Sohn ging auch einige Tage

       nach der Reife dahin und paßte auf, aber zuletzt wollte

       er nicht mehr gehen. Der Vater versuchte mit aller

       Gewalt, ihn anzutreiben, daß er ginge, aber er ging

       nicht. Endlich gerieten Vater und Sohn in Streit und

       Schlägerei, der Sohn nahm einen Stein und verwundete

       seinen Vater am Kopf. Der ging und klagte vor Gericht.

       Der Richter ließ den Sohn rufen und fragte ihn,

       warum er seinen Vater verwundet habe. Der antwortete:

       »Weil er mich auf den Acker schickte, um ihn

       gegen die Sperlinge zu hüten. Ich bin auch ein-, zweimal

       gegangen und habe aufgepaßt; aber da ich einmal

       den großen Sperling seinen Sperlingsjungen sagen

       hörte: pickt nur die Körner, die nicht aufgehen, bin

       ich den nächsten Tag, als mich der Vater wieder

       schicken wollte, nicht gegangen; deswegen prügelte

       mich der Vater, und ich habe ihn am Kopf verwundet.

       «

       Da sagten der Richter und der Zar zu ihm: »Na!

       wenn du verstehst, was die Sperlinge reden, dann

       mußt du auch wissen, wo der Schatz des Kaisers

       Konstantin ist«. Er antwortete, er wisse nichts anderes,

       als was er ihnen gesagt habe, und schwur darauf;

       sie glaubten ihm aber nicht, setzten ihm weiter zu,

       und endlich gab er nach und sagte ja.

       Darauf bat er sie um drei Tage Bedenkzeit; die gewährten

       sie ihm; nach den drei Tagen ließen sie ihn

       wieder rufen, und er sagte dann zu dem Zaren:

       »Bringt mir fünfhundert Pferde, tausend Kühe und

       dreihundert Schafe, häutet sie ab und bringt sie an den

       und den Ort im Gebirge.« Der Zar befahl sogleich,

       daß ihm dieser Wunsch erfüllt werde, und das geschah

       ohne Zögern. Dann forderte er noch, daß man

       an denselben Ort auch andere Nahrungsmittel bringen

       sollte und ein Schutzdach zur Wohnung für ihn auf

       sechs Wochen, denn er wollte so lange dort leben und

       aufpassen. Er saß nun dort einige Zeit Tag und Nacht,

       und allerlei Tiere kamen und fraßen von dem Pferde-,

       Kuh- und Schaffleisch; er aber saß verborgen und

       hörte zu, was die Tiere miteinander sprachen. Sie fraßen

       so lange, bis alles Fleisch aufgefressen war und

       nur noch Knochen übrig waren. Bis zum letzten

       Abend vor Ende der sechs Wochen