Johann Heinrich August Leskien

Balkanmärchen auf 251 Seiten


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gesagt hatte: »Du

       sollst die Straße vom Tor des Zarenschlosses bis zu

       deinem, die seine Tochter ziehen soll, mit Gold pflastern,

       dann will er sie dir geben; so befiehlt der Zar.«

       Der Bursche pflasterte nun mit Hilfe des Ringes den

       ganzen Weg vom Tore des Zaren bis zu seinem mit

       Gold und schickte wieder seine Mutter zum Zaren,

       ihm das zu berichten und die Tochter zu verlangen.

       Sie ging und sagte dem Zaren: »Erhabener Zar! du

       siehst, mein Sohn hat den ganzen Weg von deinem

       bis zu unserm Tor mit Gold gepflastert; wie nun,

       willst du ihm jetzt deine Tochter geben?« Der Zar

       antwortete ihr: »Laß deinen Sohn einen Garten herrichten

       wie meinen, darin sollen die Nachtigallen sin-

       gen und die Falken schreien wie im Mai; dann will

       ich sie ihm geben.« Die Mutter ging nach Hause und

       berichtete ihrem Sohne die Antwort des Zaren. Der

       Bursche aber sprach zu dem Ringe: »Ich wünsche

       morgen, wenn ich aufstehe, einen Garten vorzufinden

       wie den des Zaren mit Nachtigallen und Falken«, und

       am nächsten Morgen war es nach seinem Wunsche

       geschehen. Die Mutter ging nun wieder zum Zaren

       und verlangte seine Tochter. Da antwortete der Zar:

       »Dein Sohn soll mit dem Hochzeitsgefolge kommen,

       alle auf weißen Pferden und in weißen Kleidern.« Der

       Sohn tat so, zog zum Zaren, bekam dessen Tochter

       und ging mit seiner jungen Frau nach Hause.

       Der Zar aber hatte einen Diener, einen Neger; der

       sagte eines Tages zu der jungen Frau: »Kannst du

       nicht herausbringen, mit was dein Mann alles ausführt,

       was er sich nur denkt?« Sie antwortete ihm: »Er

       hat einen Ring, den er unter der Zunge hält, mit dem

       macht er die Sache.« Der Neger sagte weiter: »Kannst

       du ihm den nicht auf irgendeine Weise wegnehmen

       und mir ihn geben? Er hat ja schon alles und braucht

       ihn nicht mehr.« – »Ich kann ihn nicht wegnehmen, er

       hält ihn immer unter der Zunge fest.« – »Mach deinen

       kleinen Finger im Wasser naß,« riet der Neger, »stekke

       ihn dann in die Pfefferbüchse und fahre deinem

       Mann damit in die Nase, wenn er schläft; er wird

       dann niesen, der Ring wird ihm aus dem Munde und

       ins Bett fallen; dann nimm ihn und gib ihn mir.« Die

       Frau tat so und gab dem Neger den Ring; der nahm

       ihn und legte ihn unter die Zunge.

       Eines Tages sprach der Neger zu dem Ringe: »Ich

       wünsche, daß du mich ins Gebirge versetzest mit dem

       Schloß des Holzsammlers, daß das Schloß mein wird,

       und daß er wieder in seiner alten Hütte wohnt.« Sofort

       geschah das. Am anderen Morgen wunderte sich

       der Bursche, des Zaren Schwiegersohn, wie es gekommen

       wäre, daß er sich wieder in einer ärmlichen

       Hütte befand, und sagte zu seiner Mutter: »Mutter,

       ich will den Esel nehmen, den Hund und die Katze,

       will gehen und überall herumwandern, mein Schloß

       zu suchen.« Wie er gesagt hatte, so tat er.

       So wanderten sie dahin und kamen an einen Fluß

       mit starkem Strom. Am Ufer fand der Bursche einen

       Fisch, der rücklings auf dem Trocknen lag, ergriff ihn

       und warf ihn ins Wasser. Der Fisch dankte ihm für

       seine Güte und sagte zu ihm: »Für das Gute, das du

       mir getan hast, will ich dir auch alles Gute tun, was

       du wünschest; schneide mir eine Flosse ab, und wenn

       du irgend etwas von mir brauchst, brenne sie an, ich

       komme dir dann gleich zu Hilfe.« Der Bursche schnitt

       dem Fisch eine Flosse ab und steckte sie ein.

       Nach kurzer Wanderung erblickte er das Schloß.

       Da schickte er Hund und Katze aus, daß sie in das

       Schloß gehen, dem Neger den Ring wegnehmen und

       ihm bringen sollten. Sie gingen; die Katze stieg in die

       Stuben hinauf, der Hund blieb unten am Tor. Die

       Mäuse im Schlosse hielten gerade Hochzeit; als die

       Katze hereingetreten war, fing sie den Bräutigam; da

       sammelten sich alle Mäuse um die Katze und versprachen

       ihr alles, was sie nur haben wolle; nur solle sie

       ihnen den Bräutigam freilassen.

       Die Katze willigte ein, den Bräutigam freizulassen,

       wenn die Mäuse dem Neger den Ring wegnähmen

       und ihn ihr brächten; sie gab ihnen auch an, wie sie

       ihn bekommen könnten: »Macht euch die Schwänze

       mit Wasser naß, dann pfeffert sie in der Pfefferbüchse

       ein, und wenn er schläft, steckt sie ihm in die Nase;

       dann wird er niesen, und der Ring wird ihm herausfallen.

       Ihr nehmt ihn und bringt ihn mir, dann gebe ich

       euch den Bräutigam.« Die Mäuse taten das, brachten

       der Katze den Ring, die gab ihnen den Bräutigam frei

       und ging mit dem Ring davon. Der Hund wartete

       unten am Tore auf sie, und sie rief ihm zu: »Laß uns

       schnell laufen, ich habe den Ring«, und so machten

       sie sich fort. Als sie an den Donaufluß kamen, sagte

       die Katze zu dem Hunde: »Jetzt will ich auf dir reiten,

       damit wir über die Donau kommen.« Der Hund duckte

       sich, sie stieg auf, und so wollten sie über den Fluß

       schwimmen. Aber als sie in der Mitte waren, sagte

       der Hund zu der Katze: »Gib mir den Ring, ich will

       ihn tragen; wenn nicht, laß ich dich ins Wasser

       plumpsen.« Die Katze nahm den Ring aus dem Maul,

       um ihn dem Hunde zu geben, aber als sie ihn hinreichte,

       fiel er in den Fluß. Was nun? Sie gingen weiter

       zu ihrem Herrn, dem Holzsammler, und die Katze

       erzählte ihm alles, wie es zugegangen war. Da fiel

       dem Burschen der Fisch ein; er brannte die Flosse an,

       die er eingesteckt hatte, und als der Fisch die Hitze

       merkte, eilte er sogleich zu ihm hin und fragte:

       »Wozu brauchst du mich? Ich bin da.«

       Der Bursche antwortete: »Mir ist ein Ring mitten

       im Flusse hineingefallen; kannst du mir ihn wieder