K.P. Hand

Willenbrecher


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in Zukunft eng zusammen arbeiten, Herr Neumann«, grinste Franklin zurück. »Ich habe eine Menge Arbeit für sie.«

      »Dann freue ich mich auf die zukünftige Zusammenarbeit.«

      Norman wollte eigentlich nur noch hier raus, er musste dringend einen alten Bekannten anrufen, obwohl er geschworen hatte, diesen nie wieder um etwas zu bitten.

      »Ach Alex?«, wurde er erneut aufgehalten. »Tun Sie mir einen Gefallen und rasieren Sie sich diesen grässlichen Bart ab.«

      Norman runzelte die Stirn. »Wie bitte?«

      Franklin seufzte und erklärte: »Nichts für ungut, aber ich hasse bärtige Männer! Bärte sind fürs Fußvolk. Für Julian und seine widerlichen Kumpanen, die die Drecksarbeit machen.«

      Lächelnd zeigte er auf Normans Brust. »Aber Sie, mein Freund, sind zu höherem berufen. Sie sind jetzt mein Lieferant. Ein enorm wichtiger Teil in meinem ... Geschäft. Ohne Sie, bekomme ich keine Ware mehr rein. Also sorgen Sie bitte dafür, dass sie etwas seriöser aussehen.«

      Norman nickte und zwang sich zu einem Lächeln. »Der Bart kommt sofort ab.«

      »Schön!«

      »Fein«, erwiderte Norman und wandte sich ab.

      Er zog die Tür des Arbeitszimmers hinter sich zu und atmete erst einmal durch. Kurz nachdem die Tür geschlossen war, hörte er Franklins Stimme sagen: »Tie! Wo zum Teufel steckst du? Ich verspreche dir, ich jage dich bis ans Ende der Welt, wenn du dich bis Mittag nicht zurückgemeldet hast ...«

      Norman hätte gerne das Telefonat belauscht, doch er wusste nicht, ob und wo Kameras in der Nähe waren, deshalb ging er den Flur entlang und verließ die große Villa eilig.

      Franklin hatte etwas von Ware gesagt. Zweifellos hatte er damit die Entführten gemeint. Warum sonst sollte er große Mengen Sedativum benötigen? Seine Männer sammelten die Opfer ein, betäubten sie, und Franklin ... verkaufte sie?

      War Franklin der Kopf einer Bande von Menschenhändlern?

      Wenn dem so war, wollte Norman ganz sicher nicht der Mann sein, der noch mehr Drogen heranschaffte, die die Opfer willenlos machten. Aber wenn er nicht auffliegen wollte, hatte er keine andere Wahl. Und scheitern kam nicht in Frage. Nicht jetzt, wo er langsam begriff, was hier gespielt wurde.

      4

      Alessandro fuhr in seinem schwarzen Sportwagen, der einige Zeit unbewegt bei seinem großen Bruder untergestanden hatte, gemächlich durch die Straßen der Stadt. Er hatte natürlich ein bestimmtes Ziel, aber das bedeutete nicht, dass er auch jedem zeigen musste, dass er etwas vorhatte. Vielleicht war er paranoid, aber in dieser Stadt konnte man nie genau wissen, von wem man gerade verfolgt wurde.

      Seine Rückkehr war kein Zufall gewesen und er hatte diese Entscheidung nicht aus freien Stücken getroffen, auch wenn er seine Heimat stets vermisst hatte, wusste er, dass es hier für jemand wie ihn einfach zu gefährlich war.

      Nun, aber da er sowieso schon in der Stadt war, wollte er dann auch nach einem alten »Freund« sehen.

      Gedankenverloren rieb er sich über seine Lippen, während seine andere Hand locker das Lenkrad umfasst hielt und das Auto steuerte. Er warf einen Blick in den Rückspiegel und sah, dass der Wagen hinter ihm viel zu dicht auffuhr. Der Mann hinter dem Lenkrad zog ein grimmiges Gesicht und schien ausgiebig zu fluchen.

      Alessandro wusste nicht, was der Kerl für ein Problem hatte, immerhin hielt er sich lediglich an die vorgegebene Geschwindigkeitsbeschränkung. Und nur weil so ein Lackaffe im Anzug der Meinung war, ihn bedrängen zu müssen, musste er noch lange nicht darauf eingehen. Im Gegenteil, Alessandro fuhr noch mal extra langsamer, als er an eine Ampel heran fuhr. Sie stand auf Grün, bis er bei ihr ankam, war sie rot.

      Der Anzugträger im hinteren Wagen hupte und schimpfte, so laut, das Alessandro ihn teilweise hören konnte. Mit einem provokanten Grinsen sah er in den Rückspiegel und empfand höchste Zufriedenheit über den Ärger des Mannes.

      Alessandro brachte gern andere Menschen auf die Palme, das hatte er schon als kleiner Junge immer gern getan, mit seinen mittlerweile vierunddreißig Jahren hatte sich das nicht geändert.

      Vierunddreißig ... Alessandro hob den Kopf und betrachtete sich selbst im Rückspiegel. Eingehend betrachtete er sein jung gebliebenes Gesicht. Oft schätzte man ihn höchstens auf achtundzwanzig Jahre, worüber er sehr froh ist. Was sein Aussehen betraf war Alessandro unglaublich eitel, er hatte Angst davor, alt und unattraktiv zu werden. Deshalb pflegte er sich gut. Auch bei seiner Ernähung war er vorsichtig, sein einziges Laster waren die heimtückischen Zigaretten. Dafür ließ er aber die Finger von Alkohol und Drogen; meistens jedenfalls.

      Aber er hatte andere Dinge, die für ihn wie Drogen waren. Von denen er süchtig war, wenn nicht sogar geradezu besessen. Ja, besessen traf die Sache ganz gut, dachte er insgeheim als er den Rückspiegel wieder zurechtrückte, weil die Ampel wieder auf Grün umsprang.

      Alessandro fuhr wieder an und behielt sein gemächliches Tempo bei. Er hielt kurz bei einem Zebrastreifen und ließ eine Klasse Schulkinder darüber, während der Mann hinter ihm im Wagen wieder kräftig die Hupe betätigte.

      Bei der nächsten Gelegenheit überholte der Wagen hinter Alessandro schließlich und zeigte ihm beim Vorüberfahren demonstrativ den Mittelfinger. Alessandro grüßte lediglich freundlich und lächelte nur frech.

      Nachdem er genug davon hatte, die anderen Verkehrsteilnehmer in den Wahnsinn zu treiben, indem sie zwang, sich an die Verkehrsregeln zu halten, bog er schließlich in das Viertel, zudem er von Anfang an hatte gelangen wollen.

      Es handelte sich um einen Wohnblock aus Hochhäusern mit Mietwohnungen. Hier gab diese eine Person auf Erden, die Alessandro benötigte, wie ein Alkoholiker seinen Alkohol.

      Er parkte sein Auto unauffällig auf der gegenüberliegenden Straßenseite unter den kahlen Ästen einer Trauerweide, die am Rande eines kleinen Spielplatzes emporragte.

      Alessandro blieb im Wagen sitzen, als er die graue Fassade des Gebäudes hinaufblickte, zu den Balkonfenstern der einen Wohnung, die ihn interessierte.

      Oft hatte er sich schon gefragt, wie es wohl darinnen aussehen würde. Vermutlich würde er es nie erfahren, geschweige denn, mit eigenen Augen sehen.

      Hier zu sitzen und Stunde um Stunde im Wagen auszuharren war seine ganz persönliche Droge. Na ja, nicht das Rumsitzen, korrigierte er sich, eher das heimliche beobachten der anderen Person, wie ein kleiner, perverser Spanner.

      Um genau zu sein, war er aber kein gewöhnlicher Spanner, da er nicht darauf aus, war etwas Intimes aus dem Privatleben der Person zu erfahren. Er wollte den Menschen nur ... sehen. Da er nicht einfach hingehen und die Person treffen konnte, musste er es eben heimlich tun. Seltsamerweise gab ihm das stets ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit, dabei schwebe er umso mehr in Gefahr, je näher er sich an die Person heranwagte.

      Doch heute stimmte etwas nicht. Während Alessandro hinauf starrte, erkannte er, dass hinter den Fenstern kein Licht brannte. In der Wohnung gab es kein Leben.

      Grübelnd hob er seinen Arm um dessen Handgelenk eine Armbanduhr hing und las die Zeit davon ab. Es war spät und der andere müsste eigentlich schon zu Hause sein.

      Nun, aber er schien mal wieder länger zu arbeiten. Seltsam war aber, dass dessen Wagen auf dem Parkplatz stand, der für ihn bestimmt war.

      Vielleicht war er mit dem Dienstwagen unterwegs, überlegte Alessandro und startete seinen Wagen.

      Auf direktem Weg fuhr er zur Arbeitsstelle seines »Stalking-Opfers« und parkte auch davor auf der gegenüberliegenden Seite. Von dort aus hatte er einen guten Blick in das Büro, indem der andere für gewöhnlich arbeitete. Dort brannte wie üblich Licht, aber er war nicht zu finden.

      Enttäuscht lehnte Alessandro sich zurück, er hatte gehofft, einen kurzen Blick auf ihn erhaschen zu können. Er war neugierig darauf gewesen, wie er sich verändert hatte.

      Seufzend