K.P. Hand

Willenbrecher


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elegant. Seine schwarzen Schuhe glänzten, als er einen Fuß vor den anderen setzte und selbstbewusst herüber kam. Ein Mann, dessen Aussehen man locker als aalglatt bezeichnen konnte.

      Er zog an seiner Kippe und stieß Qualm aus, als er sich zwischen Julian und Norman stellte.

      Verärgert sah er auf den Mann zu seinen Füßen hinab. »Ist er das?«

      »Laut Ties Männer, ja«, antwortete Julian.

      »Hat er was gesagt?«

      »Er sagte, er hätte Informationen über beide Mädchen auf seinem Schreibtisch-«

      Julian brach ab, als der Mann im Anzug in die Hocke ging und den Mann am Boden ruhig betrachtete.

      Der Anzugträger nahm einen Zug von seiner Zigarette und blies den Rauch in das geschundene Gesicht des Gefolterten.

      Der Gefesselte ließ es stumm über sich ergehen. Anders als bei Julian, schien er nun nicht mehr um Gnade flehen zu wollen.

      »Wo ist dein Schreibtisch?«, fragte der Mann mit der Zigarette geduldig.

      Diese Stimme ... da stellten sich Norman die Nackenhaare auf. So absolut ruhig und beherrscht. Eine Stimme, die zu einem Mann gehörte, der absolut von sich selbst überzeugt war.

      Ohne aufzublicken, antwortete der Mann sofort: »Dritte Reihe von Hinten, vierter Schreibtisch von rechts. Auf der Seite des Tischs steht die Zahl Siebzehn.«

      »Julian?«

      »Ja?«

      »Geh und hol die Informationen«, trug der Anzugmann auf und erhob sich wieder. »Vernichte die Informationen über das freie Mädchen. Die anderen übergibst du mir nachher.«

      Julian nickte, doch er stockte und berichtete dann: »Zwei von Ties Männer laden gerade drei andere in den Van-«

      »Nein, tun sie nicht«, warf der Mann ein. »Sie sind fertig damit und leisten ihren Kollegen jetzt Gesellschaft.«

      Julian wandte sich ab um zu gehen, da rief der Anzugmann ihm hinterher: »Sie sind tot, ich habe sie selbst erschossen. Hat etwas Krach gemacht, wenn ich du wäre, würde ich mich also beeilen, den Van mit den Leichen loszuwerden.«

      Norman sah, wie Julians Augen groß wurden, eher er sich eilig in Bewegung setzte.

      Selbstzufrieden zog der Anzugmann an seiner Kippe und betrachtete anschließend die glühende Spitze, als er fragte: »Wie ist dein Name?«

      Norman brauchte einen Augenblick, bis er kapierte, dass er gemeint war. Doch dann antwortete er recht schnell: »Alex.«

      »Alexander Neumann?«

      Sein Name machte also die Runde. War das gut?

      »Ja«, bestätigte er.

      Nun sah der Kerl ihn an und verzog die vollen Lippen zu einem schiefen Grinsen. »Sie sind der Betäubungstyp.«

      »Entschuldigung, der ... Was?«

      Der Mann lachte leise in sich hinein und wandte sich Norman gänzlich zu. »Der Mann, der Tie mit Betäubungsmittel versorgt.«

      »Ich weiß nicht, für wen es ist«, warf Norman ein. »Ich besorge es nur auf Anfrage. Wer es an wen verteilt, weiß ich nicht.«

      »Ist ja auch nicht wichtig, oder?« Der Mann lächelte und griff sich hinten in den Rücken. »Ich wollte lediglich sagen, dass das Zeug wirklich gut ist, Sie müssen mir unbedingt den Namen verraten.«

      Er zog eine Pistole hervor, entsicherte sie und zielte auf den Mann, der gefesselt auf dem Boden hockte. Ohne auch nur einmal hingesehen zu haben, drückte er ab. Ein ohrenbetäubender Knall hallte durch die Etage.

      Der Mann am Boden sackte zur Seite, er war sofort tot.

      Das Norman nicht einmal mit der Wimpern gezuckt hatte, sondern lediglich den ruhigen Blick des Anzugkerls erwiderte, schien diesen zufrieden zustellen.

      Als Norman jedoch einen Blick nach unten wagte, konnte er nicht verbergen, dass er über den sauberen Kopfschuss staunte. Ohne hingesehen zu haben, hatte der Mann genau die Mitte der Stirn getroffen. Das Opfer war ohne jeden Zweifel sofort tot gewesen.

      »Er wollte Gnade«, sagte der Mann selbstbewusst grinsend. »Julian hätte ihm die Kehle aufgeschlitzt um keinen Lärm zu machen. Der arme Kerl hätte lange leiden müssen, eher er an seinem eigenen Blut erstickt oder verblutet wäre. Er nannte mir gehorsam die Informationen, die ich von ihm brauchte, der Kopfschuss war mein Geschenk an ihn.«

      Norman widerstrebte es, aber er nickte dem Mann bewundernd zu.

      Der Kerl trat noch näher an Norman heran, steckte die Pistole weg und zog an seiner Kippe, während er mit seinen blauen Augen tief in Normans blickte.

      »Ich bin Franklin«, verkündete er und stieß Zigarettenqualm an Norman vorbei.

      »Ich habe schon viel von Ihnen gehört«, gab Norman ruhig zurück.

      Franklin lachte leise. »Ja, das glaube ich gern.«

      Nach einem letzten prüfenden Blick, wandte er sich ab. Doch über die Schulter forderte er Norman auf: »Kommen Sie mit, Alex. Lassen wir die Drecksarbeit die anderen machen. Ich habe eine bessere Aufgabe für Sie.«

      Norman konnte sein Glück kaum fassen. Nach wenigen Wochen hatte er es durch einen blöden Zufall geschafft, in Franklins unmittelbare Nähe zu gelangen.

      ***

      Fatima und Tom waren beide schon sehr früh im Büro. Keiner der beiden sah aus, als hätten sie in der letzten Nacht viel geschlafen. Das lag vermutlich daran, dass beide unermüdlich an dem Fall der vermissten Mona Lorenz arbeiteten.

      Am Tag zuvor waren sie zu dieser Rechtsanwaltsfirma gefahren und haben ein paar Mitarbeiter verhört. Die Sekretärin, die Mona Lorenz angenommen hatte und den Mann von der Personalabeilung, der das Bewerbungsgespräch geführt hatte, wurden befragt.

      Mona Lorenz war dort gewesen, aber sonst ist nichts Auffälliges geschehen. Die Überwachungsvideos zeigten, dass sie alleine das Gebäude verlassen hatte. Niemand war ihr von dort aus gefolgt. Nur ... es gab keine Kameras auf dem Gelände.

      Fatima fragte sich, wo Mona Lorenz danach hingegangen sein konnte. Es gab zwei Möglichkeiten, hatte ihre Mutter auf die Frage geantwortet, als Fatima am Abend zuvor noch einmal bei den Lorenz’ vorbeigeschaut hatte. Entweder Mona hatte das Gelände auf der belebten Südseite verlassen um zu einer nahe gelegenen Bushaltestelle zu gelangen, oder sie hatte den einsam gelegenen Hinterausgang benutzt, um von dort aus schneller zu dem Fitnessstudio zu gelangen, indem ihr Freund arbeitete.

      Am frühen Morgen war Fatima beide Strecken abgefahren, dann war sie beide Strecken zu Fuß abgelaufen, in der Hoffnung, eine Spur zu finden. Irgendetwas! Ein Haarband oder eine Haarklammer, die Mona Lorenz gehörte. Mit viel Glück vielleicht ihre Handtasche. Aber die Täter hatten nicht einfach nur Mona Lorenz mitgenommen, sie hatten alles mitgenommen.

      Wer immer die junge Frau hatte, war ein Profi.

      Fatima wusste leider nicht genau, was für einen Einsatz Norman hatte, aber sie wünschte sich, dass er bald wieder da wäre. Organisiertes Verbrechen war sein Spezialgebiet.

      Tom, der sich müde durch das Computerprogramm klickte, seufzte schwer. »Wer könnte sie entführt haben?«, fragte er vor sich hinmurmelnd. Er blickte zu Fatima hinüber und überlegte: »Vielleicht hat ihr Freund etwas damit zutun? In den meisten Fällen ist es jemand, den das Opfer persönlich kennt. Personen, die dem Opfer nahe stehen.«

      »Aber wozu?«, fragte Fatima grübelnd. »Welches Motiv könnte er haben?«

      »Geld?«

      »Mona Lorenz ist arbeitslos, bei ihren Eltern mitversichert und besitzt auch keine Lebensversicherung. Sie ist mittellos. Außerdem war er zum Tatzeitpunkt arbeiten, er hat ein Alibi.«

      »Der Tatzeitpunkt kann nicht genau bestimmt werden«, warf Tom ein. »Mona Lorenz wurde zuletzt um kurz vor 18:00 Uhr