K.P. Hand

Willenbrecher


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Alessandro, der die Ausweichtaktik in den letzten Jahren perfektioniert hatte. Ihm war es nicht fremd, dass man so auf ihn reagierte. Um ehrlich zu sein, hätte es ihn mehr verwundert, wenn es anders gewesen wäre.

      »Beantworten Sie einfach unsere Fragen«, forderte der gut aussehende Mann auf.

      Alessandro grinste ihn an und wollte wissen: »Beantworten Sie dann auch meine Fragen, Herr Kommissar

      Er wurde nur kühl angesehen.

      Enttäuscht lehnte er sich gegen seine Stuhllehne. Einen momentlang musterte er die Erscheinung des jungen Mannes, der ihm gegenüber saß. Er schätzte, der Ermittler konnte höchstens in seinem Alter sein.

      So jung, dachte Alessandro bei sich. So jung aber seine Augen strahlten mehr Klugheit und Weisheit aus, als all die anderen Polizisten, denen Alessandro im Laufe seines Lebens bereits begegnet war.

      »Sie sind neu, nicht wahr?«, fragte Alessandro. »Ein Frischling in der Abteilung.«

      Noch immer erwiderte der Mann nichts, sein kühler, distanzierter Blick blieb immer gleich. Abwartend saß er dort, als kenne er bereits jeden Ablenkungstrick, den Alessandro auf Lager hatte.

      Ein Schmunzeln breitete sich auf Alessandros Lippen aus. Dieser Kerl schien ein harter Brocken zu sein. Gut! Denn Alessandro mochte es, wenn man es ihm nicht so leicht machte. Endlich hatte die Abteilung für organisiertes Verbrechen einen fähigen Ermittler ins Rennen geschickt. Diese Sache hier konnte tatsächlich interessant werden.

      »Sie wollen wissen, wo ich letzten Montag war?«, fragte Alessandro und lehnte sich auf die Tischplatte. »Ich sag Ihnen was, schicken Sie doch Ihren Kollegen nach draußen und ich verrate Ihnen alles, was Sie wissen wollen.«

      Der Kollege schnaufte belustigt, doch das Interesse des anderen Ermittlers war geweckt, das konnte Alessandro ihm deutlich ansehen. Er schien sowieso keine Lust dazu zuhaben, das man ihm bei dem Verhör über die Schulter blickte.

      »Ist gut«, beschloss er und wandte sich dann an seinen Kollegen, »geh doch kurz vor dir Tür, ich regle das.«

      Der Kollege blickte den Mann vor Alessandro grimmig an. Er schien etwas sagen zu wollen, doch er schloss wieder den Mund und ging kopfschüttelnd zur Tür.

      Alessandro sah ihm etwas verwundert nach, er hätte nicht erwartet, dass sein Vorschlag so schnell angenommen werden würde.

      Befürchtend blickte er den Kommissar wieder an, der nun ein leicht amüsiertes Funkeln in seinen braunen Augen hatte.

      Vielleicht war das doch keine so gute Idee gewesen, befürchtete Alessandro. Er wäre nicht der erste Verdächtige, der verprügelt worden wäre.

      »Also«, drängte der Ermittler, »wo waren Sie am besagtem Tag?«

      Alessandro nahm einen verschlossenen Gesichtsausdruck an und lehnte sich wieder zurück, eher er erwiderte: »Wieso, was war denn da?«

      »Das wollte ich von Ihnen hören, Alessandro«, wich der Ermittler aus.

      Alessandro lächelte und sagte: »Das ist unfair, oder?«

      »Was denn?«, brummte der Kommissar.

      »Sie kennen meinen Namen, ich aber Ihren nicht.« Und es war wichtiger denn je, den Namen zu erfahren. Er schien ein unnachgiebiger, verbissener Hund zu sein, die Sorte Ermittler, die endlich mal Aktion in das Getümmel bringe würde. Aber nichtsdestotrotz war er eine Gefahr, die man besser im Auge behalten sollte. »Nennen Sie mir Ihren Namen, Herr Kommissar, und ich verrate Ihnen, wo ich letzten Montag war.«

      Nun lehnte sich der Ermittler auf den Tisch und erklärte ungeduldig: »Das hier ist eine Befragung, das ist Ihnen doch bewusst, oder? Das wird kein Geben und Nehmen-«

      »Das ist aber schade«, witzelte Alessandro, »denn ich bin für gewöhnlich der, der sehr gerne gibt. Genau genommen, gebe ich ausschließlich und nehme nichts dafür. Wie wäre es? Ich gebe und Sie nehmen sich, was immer Sie von mir benötigen. Glauben Sie mir, Sie verpassen da wirklich etwas, wenn Sie das Angebot abschlagen.«

      Für gewöhnlich zuckten Polizisten bei seinen zweideutigen Aussagen zurück, oder wurden zumindest aus dem Konzept gebracht, weil es ihnen unangenehm war. Doch dieser nicht. Er schien Alessandros Verhalten als Taktik, das Verhör sabotieren zu wollen, abzutun. Mit anderen Worten: er schien Alessandro nicht ernst zu nehmen.

      Schade eigentlich ...

      »Wir spielen hier keine Spielchen«, sagte der Kommissar ruhig aber betont. »Ich stelle die Fragen und Sie antworten mir. Andernfalls sehe ich es als Weigerung Ihrerseits und lasse Sie wegsperren, bis Sie bereit sind, mit mir zu sprechen.«

      Alessandro schmunzelte daraufhin belustigt. »Sie sind gut. Wirklich gut! Aber wissen Sie, ich bin nicht dumm und das hier ist auch nicht die erste Vernehmung, die ich mitmache. Ich weiß also, welche Rechte ich habe und welche Sie haben. Und wenn ich nicht auf Ihre Fragen antworte und Sie keine handfesten Beweise für ein schwerwiegendes Vergehen haben, müssen Sie mich gehen lassen.«

      Der Kommissar presste seine vollen Lippen aufeinander.

      »Also, so wie ich das sehe, sind Sie darauf angewiesen, das ich rede, andernfalls, bin ich schneller wieder hier draußen, als Ihnen lieb sein wird.«

      »Ein paar Tage werde ich Sie schon hier behalten können«, warf der Kommissar ein.

      »Sicher«, bestätigte Alessandro. »Wegen Indizien, nehme ich an? Die gleichen Indizien, die Ihnen erlaubt haben, mich halb nackt herzubringen, oder? Aber so oder so, werde ich freigelassen, ob heute oder in drei bis fünf Tagen, wenn mein Anwalt schnell arbeitet.«

      Der Kommissar verengte die Augen und lehnte sich zurück. »Was wollen Sie?«

      »Ihren Namen«, säuselte Alessandro, »fürs Erste.«

      Der Kommissar schnaubte kopfschüttelnd, doch dann sah er Alessandro an und gab nach. »Koch«, antwortete er, »Norman Koch.«

      Der Name sagte Alessandro nichts, also war er wirklich neu in der Abteilung.

      »Und jetzt Sie«, forderte Koch ihn auf.

      »Letzten Montag, hm?« Alessandro grübelte laut. »Das war der elfte Mai, oder? Hm, lassen Sie mich überlegen...«

      »Gegen Einundzwanzig Uhr.«

      »Oh Gott, das ist ewig lange her…«

      Der Kommissar schaute grimmig drein.

      Alessandro musste sich ein Schmunzeln verkneifen. Dieses Hinhaltespielchen trieb er gerne mit den Gesetzeshütern. Das trieb sie alle in den Wahnsinn. Und der ungeduldige Blick diesen Exemplars gefiel Alessandro sehr.

      »Ich war unterwegs.«

      »Wo waren Sie?«, wollte der Ermittler wissen.

      Grinsend antwortete Alessandro: »In der Innenstadt. Ich hatte anonymen Sex in einer Seitengasse.«

      Kommissar Koch verschränkte die Arme vor der Brust. »Kann das jemand bezeugen?«

      »Klar doch! Ungefähr sechs Frauen und zwanzig Zuschauer ...«

      Der Kommissar seufzte genervt.

      »Ich meine, was denken Sie denn?«, lachte Alessandro. »Was glauben Sie, was anonymer Sex bedeutet?«

      »Und wo waren Sie wirklich?«, verlangte Koch zu wissen. Seine Geduld mit Alessandro neigte sich dem Ende zu.

      Alessandro lächelte und beschloss, wahrheitsgemäß zu antworten: »Ich war bei meinem Bruder. Den ganzen Abend.«

      Der Kommissar klappte die Akte auf, er legte einige Blätter verdeckt zur Seite bis er ein freies Blatt fand und nahm dann einen Kugelschreiber zur Hand um sich Notizen zu machen.

      »Die Villa Ihres Bruders Enio Martin?«, fragte er dann.

      »Ja, ich habe nur den einen Bruder.«

      »Ich brauche genaue Aussagen für das Protokoll«, erwiderte der Kommissar, als