K.P. Hand

Willenbrecher


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streckte den Arm aus und machte mit seinen Fingern eine auffordernde Geste.

      Diese herablassende Art die er hier anstrebte, machte Mona langsam wirklich wütend. Am liebsten wäre sie gegangen, doch das würde ihren Vater nur wieder zornig machen, deshalb kramte sie aus ihren Unterlagen den Lebenslauf hervor und gab sie kommentarlos dem Mann.

      Er sah sich das Blatt nicht einmal an, er legte es zur Seite und reichte ihr ein Formular.

      »Ausfüllen«, befahl er im schroffen Ton und knallte einen Kugelschreiber auf das Formular.

      Mona blinzelte ihn verwundert an, doch er würdigte sie keines Blickes.

      Ausatmend nahm sie den Kugelschreiber an sich und beugte sich über das Formular. Die ersten Dinge waren leicht auszufüllen und standen bereits in ihrem Lebenslauf: ihr Name, ihr Geburtsdatum, Familienstand. Hatte sie Eltern? - Wenn ja: Name der Eltern, Tätigkeit der Eltern.

      Aber dann wurde es kurios.

      Sie wurde gefragt, ob sie Medikamente nahm, ob sie ansteckende Krankheiten hätte, ob sie schwanger sei, ob sie rauchte und ob sie schon einmal eine Suchterkrankung aufzuweisen hätte. Zudem wurde gefragt, ob sie zu einem Therapeuten ging.

      Mona wusste, worauf das hinauslief.

      Diese Firma nahm vielleicht mittelmäßige Schüler an, doch diese mussten voll und ganz gesund sein. Körperlich und psychisch.

      Kurz war sie versucht, einzutragen, dass sie eine ehemalige Alkoholikerin wäre und abhängig von schwere Psychopharmaka war. Doch stattdessen kritzelte sie einfach irgendwelche Zeichen in die Spalten, damit es so aussah, als hätte sie etwas eingetragen. Säße sie nicht direkt neben diesem Typ, hätte sie sich die Mühe erspart.

      Wie nicht anders erwartet, nahm er das Formular ohne einen Blick darauf geworfen zu haben an sich und legte es zu ihrem Lebenslauf.

      »Danke. Warten Sie bitte draußen, wir geben Ihnen gleich bescheid.«

      Mona hätte gerne abfällig geschnauft, doch sie verbiss es sich. Kommentarlos erhob sie sich und wandte sich ab.

      Ekelhafter Lustmolch!, schimpfte sie in Gedanken. Da schaut er sich im Internet Prostituierte an, anstatt anständig seinen Job zu machen!

      Aber ihr konnte es recht sein. Nun, da sie das Formular nicht richtig ausgefüllt hatte, waren ihre Chancen hier sowieso auf Null zurückgeschnellt.

      Mona kam wieder im Wartebereich an, nun saß die blonde Frau hinter dem Anmeldetresen. Sie lächelten sich zu, als Mona sich setzte.

      Kurz darauf klingelte ein Telefon. Die Sekretärin nahm den Hörer ab und ging ran. Sie horchte, legte auf und verließ den Raum.

      Mona seufzte tief und lehnte sich gegen die Stuhllehne. Sie wollte hier raus und endlich nach Hause. Hier in dieser Firma würde sie nicht einmal arbeiten wollen, wenn man sie darum anbetteln würde. Ihr Vater sähe das bestimmt anders, aber Mona hatte ein schlechtes Gefühl. Und im Zweifelsfall verließ sie sich stets auf ihre Gefühle.

      Mona musste noch eine volle Stunde warten, eher die blonde Frau wieder auftauchte und mit einem bedauerlichen Blick auf sie zukam. »Entschuldigen Sie, dass Sie warten mussten, aber manche Bewerber werden sofort überprüft, das erspart uns viele Telefonate.«

      Mona erhob sich und zog den Riemen ihre Tasche über die Schulter. Sie wusste, was nun kam.

      »Tut mir sehr Leid, Frau Lorenz, aber ... Sie sind nicht das, was wir suchen.«

      »Schon gut. Verstehe schon.«

      Die Sekretärin sah sie mitleidvoll an: »Tut mir wirklich leid.«

      »Muss es nicht.« Mona lächelte und dachte bei sich, das sie noch einmal davon gekommen war.

      Sie verabschiedete sich von der Frau und verließ den großen Bürokomplex.

      Eisige Luft wehte ihr auf dem Parkplatz entgegen, weshalb sie ihren schwarzen Mantel enger zusammen zog. Es war Januar und tiefster Winter, deshalb war der Himmel der Stadt bereits stockdunkel, obwohl noch nicht einmal achtzehn Uhr sein konnte.

      Mona hasste es, alleine bei Dunkelheit durch die Straßen zu laufen, egal wie früh am Abend es war. Aber sie hatte kein Auto, nicht einmal eine Fahrerlaubnis, und ihre Mutter hatte keine Zeit, sie abzuholen. Vielleicht wäre ihr Bruder zuhause, aber zu diesem hatte Mona kein gutes Verhältnis.

      Sie holte ihr Handy hervor und sah auf die Uhr. - Es war gerade erst 17:48Uhr.

      Zwar lag die nächste Bushaltestelle nur fünf Minuten entfernt ... trotzdem beschloss Mona, den langen Weg zum Fitnessstudio zu laufen, in dem ihr fester Freund arbeitete.

      Dafür musste sie aber in die andere Richtung. Zum Glück wusste sie, das es hinter dem Gebäude einen weiteren Ausgang gab, von dort aus sie auf die Straße gelangte, die sie nehmen musste. - Eine willkommene Abkürzung!

      Nachdem Mona sich in Bewegung gesetzt hatte, bereute sie ihre Entscheidung bereits nach drei Metern, denn hinter dem Bürokomplex war es noch düsterer. Hier gab es keine Autos, keine umliegenden Hauswände mit Fenstern. Nur Müllcontainer, dunkle Ecken und die große Garagentore in der Fassade des Betongebäudes.

      Mona ging schneller, als sie glaubte, hinter sich ein Geräusch gehört zu haben. Schlurfende Schritte, wenn sie sich nicht täuschte.

      Sie beruhigte sich damit, dass ihr Verstand ihr Streiche spielte. Wer sollte hinter ihr sein? Obwohl ... plötzlich erinnerte sie sich daran, das es zwei Städte weiter vermehrt zu Vergewaltigungen gekommen war. Außerdem waren in letzter Zeit in der Gegend mehrere Menschen verschwunden. Einige hat man tot wieder aus dem Fluss gefischt.

      Mona ging nun schneller, sie rannte fast, während ihre Schuhe laut auf dem Betonboden klackerten.

      Als sie endlich das geöffnete Tor erreichte, bog ein großer Lieferwagen in die Einfahrt.

      Mona war gezwungen, auszuweichen. Sie ging einige Schritte zurück, damit der Fahrer die Tordurchfahrt durchqueren konnte, dabei sah sie, dass niemand hinter ihr her gewesen war.

      Alles nur Einbildung, beruhigte sie sich und atmete erleichtert auf.

      Der Wagen fuhr auf das Gelände und umrundete das Gebäude, bestimmt hatte er ebenfalls nur eine Abkürzung nehmen wollen.

      Mona verließ die Tordurchfahrt und schüttelte über sich selbst den Kopf.

      Sie war stets so ängstlich!

      Über sich selbst schimpfend lief sie die dunkle Straße entlang und bemerkte dabei nicht, dass sie von einem Schatten verfolgt wurde, der sich seit dem Verlassen der Firma an ihre Fersen geheftet hatte.

      ***

      Norman rieb sich über sein müdes Gesicht.

      In den Innenflächen seiner Hände spürte er die Stoppel seines Dreitagebarts, den er sich hatte wachsen lassen, um seiner falschen Identität den letzten Schliff zu verleihen.

      Als Norman Koch, der Mann, der er wirklich war, trug er stets ein glatt rasiertes Gesicht und sportlichelegante Kleidung. Aber so durfte seine Rolle nicht auftreten.

      Der Name seiner Rolle lautete Alexander Neumann. Ein fiktiver Mann, der auf der Straße aufgewachsen und sich als Kleinkrimineller durchgeschlagen hatte. Solche Kerle trugen selten Sportsakkos und glatt rasierte Gesichter.

      Norman hatte sich gehen lassen. Wochenlang! Eher er in seine Rolle geschlüpft war.

      Und es hatte sich gelohnt. Die Kerle haben es ihm abgekauft. Nun durfte er sich als integriertes Mitglied einer organisierten Verbrecherbande sehen; über die seine Vorgesetzten dringend mehr Informationen benötigten. Denn diese Kerle waren neu in der Stadt und seitdem sie da waren, fischte man mehrmals im Monat Leichen aus dem Fluss. Es verschwanden Menschen; überwiegend Leute mit recht wenig Angehörigen. Bis ihr Verschwinden bemerkt wurde, konnten die Behörden nicht mehr viel zutun.

      Keiner, der bisslang Entführten, konnte bisher lebend gefunden werden.

      Und