K.P. Hand

Willenbrecher


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der andere.

      »Hat sie Familie?«, fragte die dunklere Stimme wütend. »Weißt du, was das bedeutet, du inkompetenter Idiot? - Das jemand nach ihr sucht! Das ihr Gesicht in den Medien gezeigt wird! Das sie eine Gefahr ist!«

      »Dann ... dann ....«

      »Dann was?«, zischte der erboste Mann.

      Das Gespräch verstummte.

      Mona war mittlerweile soweit von der Tür zurückgewichen, das sie mit dem Rücken gegen eine feuchte, kalte Wand stieß. Plötzlich nicht weiter fliehen zu können, sorgte dafür, dass Panik in ihr ausbrach. Sie fuhr herum und tastete hastig die Wand nach einer Fluchtmöglichkeit ab. Einem Schacht, einem abgedunkeltem Fenster. – Irgendwas!

      Aber da war nichts. Sie fand in dem kleinen Raum nur vier Kantige Betonsäulen.

      Es war absurd, das wusste sie selbst, aber hinter einer von ihnen versteckte sie sich und versuchte, ihren Atem zu kontrollieren.

      Was war genau geschehen? Das Letzte woran sie sich erinnerte, war das Vorstellungsgespräch ... Nein, an den Lieferwagen, auf dem Bürogelände ... oder nein! - Das wirklich Letzte, woran sie sich zurück erinnerte, war ihr Weg über die dunkle Straße. Sie hatte ihren Angreifer nicht gesehen, als sich plötzlich schwere Arme von hinten um sie gelegt hatten. Ein Pieks in ihren Nacken und ab da wusste sie nichts mehr.

      Eine Spritze!, erkannte sie nun.

      Man hatte sie betäubt und verschleppt.

      Aber warum?

      Wozu?

      Warum ausgerechnet sie?

      Sie war ein Nichts, ein Niemand! Ihre Familie war weder berühmt noch reich ...

      Ihr Atem ging schneller. Ihre Instinkte schalteten sich ein, sie wollte nur noch fliehen. Sie hatte Angst. Panik. Atmete unkontrolliert. Sie hatte das Bedürfnis, mit ihren Fingernägeln an den Betonwänden zu kratzen, in der Hoffnung, schnell genug ein Loch nach draußen graben zu können. Was natürlich Unsinn war, weil es nicht funktionieren würde. Aber ihr angsterfüllter Verstand suchte verzweifelt nach einer Möglichkeit, von hier zu entkommen.

      Keine Fenster. Keine Luftschächte. Nur diese eine Tür! Immer wieder drang das in ihr Bewusstsein ein. Nur eine Tür! Verschlossen.

      Selbst wenn jemand herein kam, wie hoch standen ihre Chancen, aus der Tür zu entkommen? Sie wusste ja nicht einmal, wie es hinter der Tür aussah. Führte sie nach draußen oder in ein Gebäude? In ein Haus? In einen Keller? Eine Halle? War sie in einem Wald? In einem Industriegebiet? In einem Bunker unter der Erde? War sie überhaupt noch in derselben Stadt? Im selben Land?

      Sie wusste es nicht, das war das Schlimmste daran.

      Und mit dieser Erkenntnis gaben ihre Knie nach. Sie sank zu Boden und erste Tränen der Verzweiflung kullerten aus ihren Augen.

      Ich will hier raus, dachte sie ängstlich. Oh Gott, ich will doch einfach nur nach Hause!

      Mona hörte die streitenden Stimmen näher kommen.

      »Du gehst jetzt da rein und beseitigst das Problem! Verstanden?«, brüllte die herrische Stimme.

      Monas Atem ging noch schneller, sie keuchte beinahe.

      Bedeutete das, was sie befürchtete ...?

      »Ich ... Franklin ... Ich ...«, stammelte die unsichere Stimme.

      Der andere schnaubte verächtlich. »Jetzt muss ich mir auch noch die Finger schmutzig machen!«

      Mona hörte das Klicken eines Türschlosses. Automatisch sah sie sich hektisch nach einem Versteck um. Aber es gab keines.

      »Bleib an der Tür!«, befahl der aufgebrachte Mann.

      Aus purer, verzweifelter Angst zog sie den Kopf ein und umschlang ihn schützend mit den Armen. Die Panik ließ sie wieder zu einem kleinen Mädchen werden, das hoffte, dass man es nicht sah, wenn es selbst nichts sehen konnte.

      »Wo ist sie?«, fragte die wütende Stimme.

      Mona hörte große, laute Schritte nahen. Und als sie zur Seite schielte, trat ein eleganter Schuh in ihr Blickfeld.

      Erschrocken fuhr sie zusammen und krabbelte von der Säule in die nächstgelegene, dunkle Ecke. Wie eine Maus auf der Flucht. Aber sie saß in der Falle. Kein Entkommen.

      Bitte nicht ... Bitte nicht ..., flehte sie innerlich. Ihr kam in keiner Sekunde der Gedanke, laut um Gnade zu flehen. Sie hätte sowieso keinen Ton heraus bekommen.

      Ängstlich wagte sie einen Blick hinauf. Sie konnte ihren Entführer nicht gut erkennen. Aber er war groß, schlank, sein Haar war dunkel und perfekt gestylt. Er trug - zu ihrem Erstaunen - Anzughose, Hemd und Sportsakko. Seine Erscheinung passte so gar nicht zu der schwarzen Pistole, die locker in seiner herabhängenden Hand lag.

      Mona begann zu zittern und petzte die Augen zusammen.

       Dieses Ding in seiner Hand ... dieses große Ding, dazu gedacht, zu töten ...

      Ihr wurde schlecht, aber noch schlimmer war, dass sie nicht wusste, ob ihre Blase ihrer Todesangst standhalten konnte. Wie erniedrigend es doch wäre, sich jetzt auch noch in die Hose zu machen ...

      »Na toll«, sagte der Mann mit plötzlich sanfter Stimme, »jetzt sieh dir dieses arme Ding an! Sie ist ja völlig verängstigt.«

      Mona, deren Augen immer noch fest zusammen gepetzte gewesen waren, schielte vorsichtig zu ihm auf.

      Immer noch mit der bedrohlichen Pistole in der Hand, kam er zu ihr und ging vor ihr in die Hocke. Mona versuchte, mit der Wand zu verschmelzen, und hätte gerne geweint, weil es nicht funktionieren wollte.

      Er legte den Kopf schief und betrachtete sie eingehend.

      »Franklin?«, fragte sein Kumpane, der noch immer in der Nähe der Tür stand. »Wir sollten es schnell machen, du hast gleich ein Treffen mit einigen ... Geschäftspartnern.«

      Dieser Franklin seufzte und blickte zur Tür hinüber. »Wir tun gar nichts«, tadelte er den anderen. »Du und deine nichtsnutzigen Männer haben einen Fehler gemacht, um den ich mich jetzt kümmern muss, weil du zu feige bist, einem Mädchen das Licht auszuknipsen!«

      Mona fuhr zusammen und begann zu wimmern. Sie presste das Gesicht gegen ihre Arme, die sich an die feuchte Betonwand klammerten, und petzte die Augen zusammen. Sie wollte nicht sehen, wie er die Pistole hob und auf sie zielte.

      Gleich ist es vorbei, sagte sie sich in Gedanken vor. Dann ist alles vorbei.

      Das Problem war nur, das sie nicht sterben wollte.

      »Na-na!« Dieser Franklin schnallste mit der Zunge und rückte näher.

      Mona versteifte sich, als sie seine große Hand spürte, die beruhigend über ihr Haar strich.

      »Soviel Angst vor dem Tod ... Armes Mäuschen.«

      Sein ruhiger, einfühlsamer Ton brachte sie unweigerlich dazu, zu hoffen.

      Mona öffnete die Augen und sah ihn an.

      Er hatte ein wirklich schönes Gesicht, das zu seiner melodischen Stimme passte. Das Gesicht eines Modells oder eines Filmstars. Ebenmäßige Haut, große blaue Augen, gerade Nase, hohe Wangenknochen und volle, sinnliche Lippen. Kein Mann, den man sich als Entführer vorstellen konnte, und doch hing Mona in seinen Fängen.

      Er legte den dunklen Haarschopf schief und betrachtete lange stumm ihr Gesicht.

      »Frank-«

      »Schnauze«, wies er den anderen zurecht. »Ich überlege gerade.«

      Der andere seufzte verhalten. »Können wir das später machen? Ich muss auch bald wieder los, ich habe noch zutun.«

      »Ich sagte: Schnauze!«, brüllte der Pistolenmann.

      »Okay«, murmelte der andere.