K.P. Hand

Willenbrecher


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er seine meisten Aussagen ungenau.

      »Wann kamen Sie dort an?«

      Alessandro holte Luft und erklärte in einem Rutsch: »Ich kam gegen Achtzehn Uhr dort an und übernachtete in meinem alten Jugendzimmer. Gegangen bin ich am nächsten Morgen etwa gegen Elf Uhr.«

      »Und Ihr Bruder wird das bezeugen?«

      »Natürlich, er war ja da«, erwiderte Alessandro.

      »Was haben Sie genau dort gemacht?«

      Alessandro seufzte. »Sie werden meinen Bruder ganz genau darüber ausfragen, habe ich Recht? Und wenn meine Aussage auch nur einwenig von der meines Bruders abweicht, werden Sie mich des Lügens beschuldigen, stimmt doch, oder?«

      »Beantworten Sie mir die Frage!«

      »Erst will ich wissen, was ich angeblich wieder verbrochen habe«, verlangte Alessandro dreist. »Was ist an diesem Tag passiert?«

      Der Polizist warf ihm einen ärgerlichen Blick zu.

      »Hey, Sie werden mir ja wohl sagen können, was Sie mir vorzuwerfen versuchen!«

      Koch atmete geräuschvoll aus und fuhr sich entnervt durch sein geradezu absurd perfektes Gesicht. Sein Antlitz war wirklich faszinierend, musste Alessandro zugeben.

      »Sie würden sich verdammt gut als Marmorstatue machen, wissen Sie das?«, lenkte Alessandro vom Thema ab. »So groß und ... männlich. Mit diesen Muskeln und diesem symmetrischen Gesicht, das zugleich schön und stark wirkt. Was halten Sie davon? In einer Kriegerpose mit hocherhobenem Schwert, zerzaustem Haar und grimmiger Miene ... halbnackt in Stein gemeißelt? Hört sich gut an, oder nicht?«

      Der Kommissar erwiderte ruhig Alessandros Blick.

      Alessandro schüttelte den Kopf. »Nein?«

      Der Kommissar rührte sich nicht.

      Er war enttäuscht. »Dann nicht.«

      Koch atmete ein und erklärte schließlich: »Es geht um eine Vergewaltigung. Eine junge Frau hat Sie angezeigt.«

      Alessandro starrte den Ermittler eine volle Minute sprachlos an. Dann fing er an zu lachen und rief amüsiert: »Was

      Der Ermittler fand das nicht witzig, aber er konnte ja auch nicht wissen, wie absurd das war.

      Alessandro dachte nach, dann kam ihm eine Idee, welches kleine Miststück eine solche Behauptung aufgestellt haben könnten. »Lassen Sie mich raten, die Dame heißt Clarissa Lang?«

      Koch runzelte die Stirn, antwortete aber: »Ganz genau.«

      Alessandro nickte und sagte dann gelassen: »Das kann ich erklären.«

      »Bitte«, forderte Koch ihn auf.

      »Hören Sie, dieses Miststück war lange mit meinem Bruder liiert, überprüfen Sie das, die ganze Stadt müsste davon wissen! Jedenfalls habe ich meinem Bruder gesagt, er soll sie loswerden, weil sie nur eine geldgeile Schlange ist, der man nicht trauen kann. Und ... was soll ich sagen? Mein Bruder hörte eben auf mich und verließ sie, seitdem ist sie darauf aus, mich irgendwie zu zerstören.«

      Es war eigenartig für Alessandro, bei einem Verhör mal wirklich die Wahrheit zu sagen.

      Aber Koch wirkte noch immer nicht überzeugt.

      »Ach ich bitte Sie! Sehe ich aus wie ein Vergewaltiger?«, rief Alessandro. »Sehen Sie mich an, ich bin zwar groß aber schmal. Ich kenne Clarissa, sie hat mehr Oberarmmuskeln als ich, sie wäre mir haushoch überlegen gewesen, selbst dann, wenn ich es versucht hätte. Was ich aber nicht habe!«

      Er hatte sich ja schon viel anhören müssen, aber Vergewaltiger? Das war wirklich geradezu absurd. Er hätte da ein Argument, das er vielleicht vorbringen sollte, aber solange das nicht unbedingt nötig war, würde er es vermeiden, sich zu offenbaren.

      Er soll sich an Frauen vergehen? ... So etwas Bescheuertes hatte er wirklich noch nie gehört.

      »Also, was haben Sie bei Ihrem Bruder gemacht?«, fragte Koch erneut.

      Alessandro ließ den Kopf hängen und verharrte eine Weile so.

      »Wir haben zusammen gegessen«, antwortete er schließlich auf die Frage. »Nach dem Essen blieb ich noch eine Weile. Wir unterhielten uns, tranken dabei etwas zu viel Alkohol, weshalb ich schließlich nicht mehr fahren konnte. Deshalb habe ich dort übernachtet. Das kann nicht nur mein Bruder bezeugen, sondern auch sämtliches Personal.«

      Koch hatte sich das alles auf einem Zettel notiert, er nickte dabei immer mal wieder.

      »Okay, vielen Dank.«

      »Ich schätze, Sie müssen mich jetzt gehen lassen«, sagte Alessandro triumphierend. »Meine Aussage steht gegen die des angeblichen Opfers. Bis mein Alibi überprüft wurde, bin ich ein freier Mann.«

      »Da haben Sie recht«, gab der Kommissar zurück.

      Und da Alessandro die Wahrheit sagte, würde er auch weiterhin frei bleiben.

      »Wenn Sie die Wahrheit sagen, sollten Sie sich überlegen, mal juristisch gegen diese Clarissa Lang vorzugehen, Alessandro.«

      Alessandro grinste und fragte provozierend frech: »Sorgen Sie sich um meinen guten Ruf, Kommissar?«

      »Nur darum, Ihr Gesicht öfter sehen zu müssen«, gab der Ermittler zurück.

      Ach, Alessandro hätte aber nichts dagegen, ihn öfter zu sehen. Allerdings wären ihm eine andere Umgebung und eine andere Situation lieber gewesen.

      »Ich nehme an, Sie wollen jemanden anrufen, der Sie abholt?«, fragte Koch und deutete mit dem Kugelschreiber auf Alessandros nackte Brust.

      Kurz sah Alessandro an sich hinab, dann erwiderte er: »Ist es nicht Erregung öffentlichen Ärgernis, wenn ich so nach Hause laufe? Demnach dürfen Sie mich so wohl nicht gehen lassen, oder?«

      »Ich weiß nicht.« Der Kommissar runzelte die Stirn. »Ist vielleicht eine Grauzone«, scherzte er dann, »immerhin sind Sie nicht ganz nackt.«

      Alessandro schmunzelte ihn an. »Könnte man schnell ändern.«

      »Könnte man«, gab der Kommissar - ganz zu Alessandros Erstaunen - zurück. Und dann lächelte er auch noch! Das war das erste Mal, das Alessandro ihn lächeln sah.

      Und es war herrlich!

      Der Kommissar schob die Blätter wieder in die Akte und erhob sich schließlich von seinem Stuhl. Er ging in Richtung Tür. »Ein Kollege wird Sie zu einem Telefon bringen.«

      »Ist gut«, erwiderte Alessandro, konnte aber den Blick nicht von dem Ermittler nehmen.

      »Ach und ... nein, auf mich wirken Sie nicht wie der typische Vergewaltiger«, sagte der Ermittler und drehte sich an der Tür noch einmal um. »Sie ... haben einfach nichts ... Dominantes an sich.«

      Oh, wie recht er doch damit hatte, überlegte Alessandro schmunzelnd.

      »Und ehrlich gesagt ...«, der Kommissar musterte Alessandros Erscheinung, »... nun, ich schätze, jemand wie Sie hat es auch nicht nötig, oder?«

      »War das ein Kompliment?«, hakte Alessandro erfreut nach.

      Koch grinste verschmitzt, erwiderte aber: »Nichtsdestotrotz behalte ich Sie im Auge!«

      Darauf hatte Alessandro gehofft.

      »Ich bin sicher, wir werden in Zukunft viel Spaß miteinander haben, Kommissar Koch«, rief er dem Ermittler nach, als die Tür hinter diesem langsam zufiel, dabei betonte er mit Absicht die letzten Worte anzüglich.

      Oh ja, dachte er bei sich, der neue Ermittler würde endlich frischen Wind in die Stadt bringen.

      1

       8 Jahre später...

      Mona