K.P. Hand

Willenbrecher


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schluckte ein Schlurzen herunter und nickte einmal kurz. Sie hatte das Gefühl, das ihn das zufrieden stellte. Sein einfühlsamer Gesichtsausdruck brachte sie dazu, nun doch zu flehen. Sie nahm die Hände herunter und wandte sich ihm zu. »Bitte ...«

      Schneller als sie hätte reagieren können, schlug er ihr heftig mit dem Griff der Pistole gegen die Wange. Ihr Kopf flog herum. Unbeschreiblicher Schmerz breitete sich in ihrem Gesicht aus. Mona keuchte fassungslos auf. Teils wegen der Schmerzen, teils wegen der plötzlichen Gewalt.

      Sie hielt sich noch die Wange, als sich seine große Hand um ihr Kinn schloss, so, dass er ihren Mund verschlossen hielt. Er zwang sie, ihn wieder anzusehen. Tadelnd schüttelte der den Kopf. »Und dabei hat es so gut angefangen.«

      Mona wusste nicht, was sie falsch gemacht hatte. Hatte sie überhaupt etwas falsch gemacht?

      Sie weinte und ihre Schultern zuckten dabei, doch seine Hand verhinderte, dass sie einen Laut von sich gab.

      »Regel Nummer eins«, sagte er zu ihr, »du sprichst niemals ungefragt! Verstanden?«

      Mona rührte sich nicht.

      Sein Griff wurde fester, er quetschte ihren Kiefer schmerzhaft zusammen. Leise zischend fragte er erneut: »Hast. Du. Mich. Verstanden?«

      Mona nickte so gut sie konnte.

      Da lächelte er plötzlich wieder und nahm die Hand fort.

      Mona wollte nach Luft schnappen, hatte aber Angst, es zutun. Sie senkte lediglich den Kopf und versuchte, keinen Laut von sich zu geben.

      Der Typ mit der Pistole lachte vergnügt. »Sieh mal einer an, ein Naturtalent! Siehst du das, Tie? Da hast du mir ja ein braves, kleines Ding gebracht.«

      »Ich dachte, du musst sie loswerden«, murrte der Kumpane zurück.

      »Ja«, seufzte ihr Entführer bedauerlich.

      Mona sah nur seine Hände, die sich unmittelbar vor ihrem Gesicht befanden. In dem Moment, als er die Pistole hob, seitlich hielt und sie entsicherte - wie sie glaubte - konnte sie sich nicht mehr zusammenreißen. Sie glaubte, gleich erschossen zu werden, noch nie hatte sie mehr Angst in ihrem Leben verspürt. Sie konnte sich nicht wehren, nicht fortrennen, sie hockte einfach da und musste warten ... Warten auf ihren Tot. Ihre Blase gab nach und sie machte sich ein. Scham überkam sie, aber sie konnte es nicht aufhalten.

      Wegen der Peinlichkeit und der Erniedrigung fing sie wieder zu weinen an, doch diesmal konnte sie die Laute nicht unterdrücken.

      »Oh je«, hörte sie diesen Franklin amüsiert ausstoßen, »meine Süße, keine Sorge, ich habe sie nur gesichert!«

      Mona traute ihren Ohren erst nicht. Vorsichtig blickte sie wieder auf seine Hände.

      »Schau! Ich steck sie weg«, versprach er und ließ die Pistole hinter seinem Rücken verschwinden. Danach zeigte er ihr demonstrativ seine Hände. Sie waren leer.

      Mona stieß beinahe dankbar die Luft auf.

      »Okay?«

      Sie nickte, ohne ihn anzusehen.

      Da spürte sie wieder seine Hand, die über ihr Haar strich. »Braves Mädchen, ganz ruhig.«

      Allmählich kam sie sich vor wie ein Tier, das er besänftigen wollte. Traurig stellte sie fest, dass es funktionierte. Er strahlte eine Ruhe aus, die auf sie überging.

      »Ihr habt ihr nicht ihre Haarnadeln weggenommen!«, schimpfte er mit seinem Kumpanen.

      »Was soll sie damit schon tun? Uns allen die Augen ausstechen?«, witzelte dieser.

      »Nein, sie hätte damit die Tür aufmachen können!«

      Mona starrte wie betäubt vor sich hin. Wäre ihr die Idee gekommen ... wäre sie nur etwas früher aufgewacht und auf diese Idee gekommen ... wäre sie dann längst frei?

      »Komm, ich nehme dir die mal raus, Süße«, hörte sie den Kerl sagen.

      Mona hielt still, während er ihr sorgsam die Haarklammern und Haarnadeln abnahm, und Strähne für Strähne ihr welliges Haar um ihr Gesicht fiel. Sie konnte sich nicht rühren, zu groß war die Angst vor weiteren Schlägen.

      Es war eigenartig, denn einerseits hasste sie ihn vom ersten Moment an abgrundtief, andererseits war er es, der die Macht hatte, sie zu töten und es nicht getan hatte. Jedenfalls noch nicht. Aus unerklärlichen Gründen empfand sie ihm gegenüber einen Anflug von Dankbarkeit. Mona verabscheute sich selbst für derlei Gefühle.

      »So«, sagte er und ließ mehrfach seine Hände durch ihr Haar gleiten, um sicher zu gehen, dass auch alle Klammern draußen waren.

      Er ließ die Utensilien in seiner Hosentasche verschwinden. Anschließend streckte er erneut die Hände nach ihr aus. Strich ihr beinah fürsorglich das Haar aus dem Gesicht und zwang sie, den Kopf zu heben.

      »Lass mal sehen«, flüsterte er interessiert. »Schau mich mal an.«

      Mona hob den Blick und sah ihm in die Augen.

      Was er erblickte, schien ihm zu gefallen, denn er lächelte zufrieden.

      »Siehst du das, Tie?«, fragte er den anderen ohne den Blick von ihr zu wenden. »Keine Abscheu, keine hasserfüllten Blicke. Nur pure, erstickende Angst!«

      Es war noch einmal beängstigender, das er diese Tatsache aus ihrem Blick hatte ablesen können. Mona schluckte schwer und war versucht, erneut um Gnade zu flehen. Aber der Schlag in ihr Gesicht hatte sich eingebrannt, deshalb blieb sie stumm.

      »Also«, begann er freundlich, »willst du leben, kleines Mäuschen?«

      Mona unterdrückte die nächsten Weinkrämpfe und öffnete den Mund um zu bejahen.

      Doch sie verstummte, als er sie streng ansah. Sie presste die Lippen aufeinander und nickte.

      Das stimmte ihn erneut zufrieden. »Du lernst schnell, das sprich für dich.«

      »Franklin, du sagtest, die ganze Stadt werde irgendwann nach ihr suchen«, versuchte der andere, den Mona wegen der Säule noch immer nicht sehen konnte, auf ihn einzureden.

      »Vielleicht«, stimmte Franklin zu. Aber er lächelte Mona an. »Wer wird sie hier schon suchen?«

      »Sie ist eine Schwachstelle! Das hast du selbst gesagt!«

      »Nicht, wenn sie brav ist«, warf er ein und grinste Mona nun breiter an.

      Er beugte sich zu ihr, noch immer hielt er ihr Gesicht fest. Dann, als würde er mit einem Welpen reden, sprach er zu ihr: »Kannst du das, Süße? Hm? Kannst du brav sein? – Ja! Ich bin sicher, dass wir das lernen können, oder? Du willst doch leben, Kleine. Ich schenk dir dein Leben, wenn du meine Regeln achtest. - Wie hört sich das für dich an?«

      »Das ist eine blöde Idee«, murrte dieser Kerl, der Tie genannt wurde.

      Mona fragte sich, ob dieser Spitzname für den Buchstaben T, der im englischen Tie ausgesprochen wurde, stand oder wurde er Tea genannt, wie Tee, weil er vielleicht absurder Weise eine Vorliebe für Tee hatte? Eine witzige Vorstellung, sich einen ihrer Entführer mit einer Tasse warmen Kamillentee vorzustellen ...

      Ein Anflug von Hysterie machte sich in Mona breit. Am liebsten hätte sie laut gelacht und gleichzeitig geweint. Verzweiflung breite sich in ihrem Inneren aus.

      »Beachte ihn nicht«, sagte Franklin zu Mona, die ängstlich versucht hatte, einen Blick in die Richtung des Mannes zu werfen, der ihren Tod provozierte. »Das ist eine Sache zwischen dir und mir, Kleine. Er hat da kein Mitspracherecht, keine Sorge.«

      Sie sah den dunkelhaarigen wieder in die Augen.

      »Also?«, drängte er. »Willst du ein braves Mädchen sein?«

      Sie hätte ihm am liebsten in sein perfektes Gesicht gespuckt und ihn verflucht.

      Ob nun aus Angst oder aus letzten bisschen Vernunft, sie tat nichts dergleichen, stattdessen nickte sie zögerlich.

      Er