Angelika B. Klein

Schuld, die dich schuldig macht


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er völlig übermüdet ein, so dass ich nach seinem Ipod greife und Musik höre.

      Nach der Ankunft in Casablanca müssen wir zwei Stunden auf unseren Anschlussflug warten. Wir setzen uns in die Abflughalle vor das Gate. Nachdem der Flughafen hier wesentlich größer ist, als der in Lusaka, sind hier wesentlich mehr Menschen unterwegs, die auf ihrem Weg nach Europa hier einen Zwischenaufenthalt einlegen müssen.

      Mir fällt auf, dass wir von einigen Passagieren angestarrt werden. Ein ungutes Gefühl macht sich in mir breit. Ich mag es nicht, beobachtet zu werden, dabei habe ich immer das Gefühl, die Leute schauen mir direkt in meine Seele. Louis bemerkt meine Unruhe und zieht mich zu sich heran.

      „Hey, was ist los? Macht dir irgendetwas Sorgen?“

      Ich schiele zu den Leuten und flüstere: „Warum starren die uns so an?“

      Louis dreht seinen Kopf zur Seite und lächelt in die Menschenmenge, die hauptsächlich aus jungen Mädchen besteht. Die Fans quittieren seine Aufmerksamkeit sofort mit Kichern und Tuscheln.

      Eines der Mädchen schreit: „Louis, I love you!“

      Schlagartig wird mir bewusst, dass die Band wohl doch bekannter ist, als ich es erwartet habe. Wenn es hier, im Norden Afrikas, schon so viele Fans gibt, wie wird es dann erst in London? Ängstlich greife ich nach Louis Hand und drücke sie. Auf was habe ich mich da nur eingelassen? In dem Moment, als Louis mich jedoch anlächelt und mir tief in die Augen schaut, weiß ich wieder, warum ich das alles auf mich nehme und riskiere, von meiner Vergangenheit eingeholt zu werden. Liebevoll küsst er mich.

      Plötzlich bemerke ich, dass Blitzlichter von verschiedenen Geräten, hauptsächlich von Handys, aufleuchten. Scheu verstecke ich mein Gesicht an Louis Schulter. Erneut stellt sich mir die Frage: Auf was hast du dich da nur eingelassen?

      Kapitel 14

      DREI JAHRE ZUVOR

      Der Ausflug zum hinteren Teil des Obstgartens bleibt nicht ohne Konsequenzen.

      Marco und Isabel tragen Elena ins Auto und fahren mit ihr und Luca zurück zum Haus. Salvatore und Valentina sind beide noch unterwegs. Marco nimmt Elena auf den Arm und bringt sie in ihr Zimmer. Dort legt er sie vorsichtig auf ihr Bett und bleibt unschlüssig im Raum stehen. „Du solltest lieber den Arzt rufen, damit er sich die Wunde nochmals anschaut“, sagt er fürsorglich zu Isabel.

      „Ja, das mach ich gleich.“ Isabel folgt Marco aus dem Zimmer und geht hinter ihm die große Treppe hinunter. Vor der Eingangstüre bleibt Marco stehen und dreht sich zu ihr um. „Ich geh dann wieder, ich habe noch einiges zu tun.“ Isabel geht einen Schritt auf ihn zu und blickt ihm in die Augen: „Marco, danke dass du so schnell gekommen bist.“

      „Keine Ursache“, sagt Marco lächelnd. Isabel zieht sich leicht an ihm hoch und gibt ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange. Lächelnd verabschiedet sie sich von Marco und eilt zum Telefon in der Küche.

      Einen Stock höher, steht Luca am Treppengeländer und beobachtet die Szene mit beunruhigendem Blick. Wütend presst er seine Lippen aufeinander.

      Der Arzt, welcher die Kinder der Familie Frapatelli von Anfang an betreut, erscheint wenig später und untersucht Elenas verletztes Bein. Anerkennend wendet er sich an Isabel: „Sie haben absolut richtig gehandelt, junge Dame. Und so wie es aussieht, war es wohl tatsächlich eine giftige Schlange, die Elena gebissen hat.“

      „Woher wissen Sie das?“, fragt Isabel neugierig.

      „Hier“, dabei zeigt er auf die Wundränder des Schnittes, „sehen sie die Veränderung der Haut und des Untergewebes?“ Isabel schaut sich die Stelle genau an, erkennt aber nur eine starke Rötung der Stelle um den Schnitt.

      Der Doktor reinigt die Wunde und verschließt sie anschließend mit einem Klebestrip. Nachdem er sich von seiner kleinen Patientin verabschiedet hat, verlassen er und Isabel Elenas Zimmer.

      Auf dem Weg nach unten kommen ihnen Salvatore und Valentina entgegen. Besorgt fragt Salvatore: „Francesco! Was ist passiert? Ist etwas mit den Kindern?“ Als Valentina das blutverschmierte Shirt von Isabel erblickt, stürmt sie voller Panik an dieser vorbei, die Treppe hinauf. Der Arzt beruhigt Salvatore: „Es ist nicht so schlimm. Elena wurde von einer Schlange gebissen, aber dank deines umsichtigen Kindermädchens ist alles gut gegangen.“ Salvatore bringt den Arzt zur Tür und verabschiedet sich von ihm. Kaum ist die Haustüre geschlossen, dreht er sich um und geht mit schnellen Schritten auf Isabel zu. Er packt sie unsanft am Arm und zieht sie mit sich in das Wohnzimmer.

      Ernst und wütend schaut er Isabel an. „Was, verdammt nochmal ist passiert? Und ich will es in kurzen, verständlichen Sätzen hören!“, presst er hervor. Isabel überlegt, ob sie ihm eine Ausrede auftischen soll, entscheidet sich dann aber dagegen, da sie sich fast sicher ist, dass die Kinder ihrer Mutter gerade die wahre Geschichte erzählen.

      „Elena ist von einer Schlange gebissen worden und ich habe ihr das Gift aus dem Bein gesaugt.“ Fassungslos schaut Salvatore sie an. „Geht das etwas genauer?“ Isabel kann es sich gerade noch verkneifen, ihre Augen zu verdrehen. Was will er nun? Kurze Sätze oder eine ausführliche Schilderung? Ruhig erzählt sie weiter: „Ich war mir nicht sicher, ob der Biss von einer Giftschlange ist, deshalb habe ich ihr mit einem Messer einen kleinen Schnitt zugefügt und ...“ Salvatore schüttelt leicht den Kopf. „Das habe ich schon verstanden, du hast sie durch deine Aktion gerettet, dafür bin ich dir auch sehr dankbar, aber ...“ Isabel ahnt, welche Frage als nächste kommt. „…Wo zum Teufel warst du mit den Kindern, dass dort Schlangen sind? Hier um das Haus herum sind keine Schlangen, dafür sorgt Marco regelmäßig. Also, WO WART IHR?“

      Seine Stimme wird immer lauter. Den letzten Satz brüllt er fast heraus. Isabel fühlt sich unwohl, nimmt jedoch ihren ganzen Mut zusammen und antwortet kleinlaut: „Wir waren in der Obstplantage, hinten bei dem Pferdewagen.“ Salvatores Augen weiten sich und sein Gesicht läuft rot an. Isabel geht instinktiv einen Schritt zurück und erwartet einen Wutausbruch. In diesem Moment erscheint Valentina in der Tür, überblickt die Situation und eilt auf Salvatore zu. „Beruhige dich Salvatore! Setz dich hin. Es geht Elena doch gut, es ist nichts Schlimmeres passiert.“ Salvatore lässt sich von seiner Frau auf den Sessel drücken und atmet tief durch. Seine Wut verraucht nur langsam. „Hast du eigentlich die Regeln gelesen?“, presst er gereizt hervor. Isabel schaut ihn abschätzend an und nickt.

      „Dann weißt du auch, dass die Kinder dort nicht hingehen sollen. Und zwar genau aus diesem Grund! Weil es zu gefährlich ist! Meine Kinder sind das Wertvollste, was ich besitze. Und du bist dazu da, um sie zu beschützen und nicht, um sie in Gefahr zu bringen!“ Schwer atmend lehnt er sich zurück. Valentina streicht ihm beruhigend über die Schulter. Isabel würde am liebsten herausschreien, dass die Kinder hier in einem goldenen Käfig leben. Dass sie sich wünscht, dass die Kinder spielen, toben und schreien dürfen, wie andere Kinder auch. Dass er sie nicht beschützt, sondern vor der Außenwelt wegsperrt.

      Aber nichts davon kann sie sagen. Sie ist sich sicher, dass ihre Argumente für Salvatore keine Rolle spielen. Valentina wendet sich ruhig an sie: „Isabel, geh jetzt wieder zu den Kindern hinauf.“ Langsam dreht sich Isabel um und trottet aus dem Zimmer.

      Kapitel 15

      HEUTE

      Nach dem dreieinhalbstündigen Flug landen wir in London. Das Wetter zeigt sich von seiner typisch englischen Seite, es regnet und ist kühl. Da ich dieses nasskalte Wetter seit Jahren nicht mehr am eigenen Leib erfahren habe, fröstelt es mich augenblicklich beim Anblick der feucht glänzenden Landebahn, sowie der durch einen Windstoß über den Asphalt wehenden Blätter.

      „Ich glaube, das Erste, was ich hier brauche, ist ein heißes Bad“, sage ich bedrückt beim Blick aus dem Fenster.

      „Das kannst