Gabriele Schillinger

Vertrauensbruch mit Folgen


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Wahrscheinlich würde dies in nächster Zeit ihre einzige Beschäftigung sein. Andere Patienten beobachten.

      Das Abendessen wurde gebracht. Maria war froh nicht wieder in den Speisesaal zu müssen. Sie fürchtete sich ein wenig vor den anderen. Obwohl man ihr versicherte, dass niemand von ihnen gewalttätig war, konnte sie deren Verhalten nur schwer einordnen. Es war neu sich mit so vielen verhaltensauffälligen Personen in einem Raum zu befinden. Zudem hatte sie das Gefühl, nicht in diese Gruppe zu passen.

      Das Abendessen war wie immer geschmacklos. Manchmal dachte Maria, der Hausküche waren die Gewürze ausgegangen. Jede der Speisen schmeckte gleich fade. Noch bevor sie einen Teil des Essens hinuntergewürgt hatte, kam ein Pfleger mit den Tabletten. Sie musste diese vor dem Personal einnehmen und diesmal blieb der Pfleger auch noch eine Weile, um zu sehen, ob die Medizin auch wirklich den Weg zum Magen fand. Anscheinend gab Dr. Schuh den Auftrag, intensiver darauf zu achten, weil sie schon des Öfteren welche wieder ausspuckte. Maria musste noch vor den strengen Augen des Mannes, nach Einnahme der Tabletten, einen Bissen vom Abendessen zu sich nehmen. Wütend riss Maria danach ihren Mund auf, um zu zeigen, dass sie alles hinuntergeschluckt hatte. In einen Gefängnis konnte es nicht strenger zugehen.

      Als er wieder das Zimmer verließ, schob Maria das Essen zur Seite.

      Warum behandelte man sie derart würdelos?

      Mit Tränen in den Augen schaute sie erneut aus dem Fenster. Die Patienten waren wieder alle ins Haus zurückgekehrt. Eine Frau, die zum Personal gehörte, leerte die Mistkübel neben den Sitzbänken. Mit Handschuhen bewaffnet griff sie in die Behälter und warf den Inhalt in einen großen schwarzen Plastiksack.

      Maria begann ein wenig zu schwanken. Die Tabletten begannen zu wirken und verursachten Schwindel. Besser sie legte sich ein wenig ins Bett. Gedanken konnte sie keinen mehr nachgehen, denn die Medikamente blockierten das Denken. Teilnahmslos lag sie da. Der Tag neigte sich dem Ende zu und obwohl sich Maria bereits in einen lethargischen Zustand befand, musste sie noch eine weitere Schlaftablette zu sich nehmen. Natürlich ebenfalls unter Beobachtung.

      Besuch im Zimmer

      Die darauffolgenden Tage lag Maria nur im Bett. Ihre Medikamente hatten sehr gravierende Nebenwirkungen. Das Personal brachte ihr Essen und holte es unberührt wieder ab. Flüssigkeit nahm sie lediglich zu sich, wenn man die Tabletten brachte. Maria stand nur auf, wenn sie auf die Toilette musste. Allerdings kam die Hygiene zu kurz. Ihr schien zurzeit alles egal zu sein und wäre sie in diesem Moment gestorben, hätte es ihr nichts ausgemacht.

      Dr. Schuh war besorgt. Nebenwirkungen der Medikamente waren vorauszusehen, doch sollte diese extreme Phase nicht länger als eine Woche andauern. Normalerweise klangen sie danach ein wenig ab, bis sich der Körper schließlich daran gewöhnt hatte.

      Er beschoss seine Patientin im Zimmer zu besuchen.

      Zuerst bemerkte Maria seine Anwesenheit überhaupt nicht. Dr. Schuh rückte einen Stuhl nah ans Bett und setzte sich. Erst als er ihre Hand nahm drehte Maria ihren Kopf zu ihm.

      „Wie geht es ihnen Maria?“

      Sie schaute den Arzt durch kleine Augenschlitze an.

      „Sie sollten nicht den ganzen Tag über nur im Bett liegen. Ihr Körper benötigt Essen und Bewegung.“

      „Ich will nicht.“

      „Eine Schwester holt sie in einer Stunde ab und geht mit ihnen in den Garten. Die frische Luft wird ihnen gut tun.“

      „Lassen sie mich in Ruhe.“

      „Nein Maria, so funktioniert das nicht.“

      „Ich möchte nicht in den Garten und auch keine dummen Fragen beantworten. Ich will einfach nur mein Leben zurück. Welches es auch immer sein mag.“

      „Ich weiß, aber das braucht Zeit. Sie waren sehr schwer verletzt. Geben sie sich Zeit.

       Die Schwester holt sie gleich ab.“

      Maria drehte ihren Kopf wieder zur Mauer.

      Dr. Schuh begann ihren Blutdruck zu messen, er war zu nieder. Er wies an, dass Maria Tropfen gegen den niederen Blutdruck erhielt. Danach verabschiedete er sich wieder.

      Ein Pfleger kam mit den Tropfen und hielt ihr ein Glas Wasser mit dem Medikament darin an die Lippen. Maria war zu kraftlos sich dagegen zu wehren und trank.

      Einige Zeit später kam eine Schwester um sie abzuholen. Maria wollte allerdings nichts von einem Spaziergang wissen. Sie sträubte sich aufzustehen. Die Schwester begann an ihrem Arm zu ziehen, was Maria jedoch nur zornig machte. Es ging so weit, dass sie wie wild um sich schlug. Zwei Aufseher kamen zur Hilfe und zerrten die Patientin aus dem Bett. Maria tobte und schlug einen von ihnen ins Gesicht. Spontan wurde beschlossen sie in einen Rollstuhl zu setzen, in dem man Arme und Beine befestigen konnte. Wütend begann Maria zu fluchen. Da sie weiterhin tobte wurde die Schwester von einem der Aufseher begleitet. Es war zu gefährlich, denn Maria hätte mit dem Rollstuhl umkippen können.

      Nun ging es trotz Widerstand in den Garten. Die Schwester versuchte beruhigend auf die Patientin einzureden. Doch wie sollte sich Maria entspannen, wenn sie gefesselt und gegen ihren Willen in einem Rollstuhl ins Freie gebracht wurde?

      Irgendwann hörte sie auf zu toben. Die Aufregung machte sie sehr müde. Schlussendlich schlief sie im Rollstuhl ein. Die Schwester setzte sich auf eine der Bänke und stellte Maria im Schatten eines Baumes ab. Besser sie schlief vorerst einmal, denn ihr Geschrei tat den anderen Patienten nicht gut, die im Garten Ruhe suchten.

      Zeitweise öffnete sie kurz ihre Augen, schloss sie aber wieder, sobald sie erkannte, nicht im Bett zu liegen. Andererseits hätte sie im Zimmer auch nur geschlafen, aber die Luft war draußen besser.

      Plötzlich begann es zu regnen. Maria schreckte hoch und verlangte sofort wieder hineingebracht zu werden. Die Schwester verhielt sich ruhig und meinte, ein paar Tropfen würden sie nicht zum Schmelzen bringen. Zu Marias Unglück handelte es sich nur um eine Wolke die bald wieder vorbeigezogen war.

      Mit grantiger Mimik saß sie in ihrem Stuhl. Andere Patienten gingen vorbei, oder wurden ebenfalls in einem Rollstuhl geführt. Allerdings waren die nicht angegurtet. Einige der Vorbeiziehenden lächelten Maria an, sie jedoch schenkte ihnen nur einen bösen Blick. Weiter weg saßen zwei Männer auf einer Bank. Sie schauten ständig zu ihr hinüber und lachten. Das machte Maria erneut wütend und sie rief zu ihnen hinüber:

      „Schaut nicht so blöd, ihr Affen!“

      Die Schwester versuchte sofort einzulenken. Sie drehte Marias Rollstuhl in eine andere Richtung, damit sie nicht mehr zu den albernen Männern hinüberschauen konnte. Zornig auf die Schwester, versuchte sie die Drehung zu unterbinden, was ihr jedoch nicht gelang. Nun musste sie gezwungenermaßen die Schwester anschauen, die glaubte, Maria unterhalten zu müssen.

      „Wissen Sie, der Garten ist jetzt wirklich schön. Vor zwei Jahren gab es hier noch ganz alte Parkbänke, die schon kurz vorm Zerfallen waren. Ein ehemaliger Patient hat die neuen gespendet. Viele Menschen, die hier einen längeren Aufenthalt hatten, besuchen uns heute noch. Es geht ihnen besser und sie konnten wieder Fuß in der Gesellschaft fassen.“

      „Ich bin nicht freiwillig hier und besuchen werde ich euch sicher nicht mehr.“

      „Ja, jetzt denken Sie so, aber sie wissen noch nicht, was die Zukunft für Sie bereithält.“

      „Wenn es so weiter geht, nichts.“

      „Ach was. In ein paar Tagen geht es Ihnen besser und dann hilft Ihnen Dr. Schuh sich wieder zu erinnern.“

      „Die Erinnerung ist mir wurscht, ich will nur weg von hier.“

      „Ja, aber …“

      „Ruhe jetzt. Will nicht mehr