Gabriele Schillinger

Vertrauensbruch mit Folgen


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laut Anweisung warten, dass Maria ein kurzes Gespräch mit ihr führte. Nun durfte sie wieder auf ihr Zimmer. Die Schwester winkte einem Aufseher zu, der ihr half, sie wieder ins Haus zu bringen.

      Was Maria noch nicht wusste, es würde nicht der letzte Ausflug für sie sein. Frischluft stand ab nun öfter am Programm.

      Erneut schlief sie tief und fest in ihrem Bett. Ein Pfleger weckte sie. Er hatte das Abendessen gebracht. Gleich wollte sich Maria wieder umdrehen, da kamen die zwei Wärter ins Zimmer. Sie zogen Maria aus dem Bett, setzten sie erneut in den Rollstuhl und schoben sie nah an den Esstisch im Raum. Der Pfleger gesellte sich zu ihr und begann sie zu füttern. So viel Aufmerksamkeit nur für sie? Hatten die Männer nichts Besseres zu tun?

      Die Wärter blieben neben der Türe stehen. Sie hatten enorme Oberarme. Anscheinend wurden sie deshalb eingestellt, weil schon allein ihre Muskeln zu sehen einschüchternd wirkten.

      Maria öffnete widerwillig ihren Mund. Zumindest war es nicht schon wieder ein Grießbrei, sondern Milchreis. Nach der Hälfte in der Schüssel spannte ihr bereits der Magen. Da sie schon länger nichts Festes zu sich genommen hatte, war dieser zu klein für die ganze Essensmenge. Da der Pfleger keine Ruhe gab, aß sie noch einen Löffel voll, aber dann war Schluss.

      Drei Tage später war Maria wieder länger munter. Die Nebenwirkungen der Medikamente begannen schwächer zu werden. Dennoch war sie noch nicht für die Hypnose bereit. Es würde noch mindestens eine Woche dauern, bis sich die Depressionen zu legen begannen.

      Dr. Schuh ordnete an, dass alle zwei Stunden nach der Patientin geschaut werden musste. Maria war ein besonderer Fall. Bei kaum einem Patienten waren die Begleiterscheinungen der Tabletten derart stark. Depression und Aggression waren eine gefährliche Mischung. Natürlich hätte er ihr auch noch etwas Beruhigendes geben können, doch er musste auf ihre Blutwerte achtgeben. Ihre Medikamente erhöhten sowieso schon Leber- und Nierenwerte.

      Je besser ihr Zustand wurde, desto öfter begann Maria fad zu werden.

      Der Spaziergang im Garten, den sie einmal so verflucht hatte, war nun ihr einziges Highlight am Tag. An diesem Morgen jedoch zeichnete sich bereits ein Regentag ab. Wo war sie blos, dass es hier so viel regnete?

      Da sie nicht hinausdurfte, versuchte sie ein wenig mit dem Pfleger zu plaudern. Erst jetzt bemerkte Maria das Namensschild auf seiner Brust. Er hieß Fritz. Von nun an sprach sie ihn mit seinem Namen an.

      Fritz war kein schöner Mann, aber sehr nett. Er bemerkte Marias Bedürfnis zu reden, also blieb er noch ein wenig. Sie redeten vom Essen. Maria fragte, ob es einen neuen Koch gab, weil das Essen plötzlich besser gewürzt war. Fritz verneinte, aber die Nebenwirkungen der Medikamente könnten schuld gewesen sein, dass sie erst jetzt die Gewürze bemerkte. Oft reduzieren sie am Anfang den Geschmacksinn. Es war ein gutes Zeichen, wenn er jetzt wieder zurückkam.

      Als Fritz wieder gegangen war, wurde es still im Raum. Ja, von der Stille hatte Maria mehr als genug.

      Hätte sie wenigstens einen Fernseher gehabt, dann könnte ein wenig Leben ins Zimmer kommen. Zurzeit gab es lediglich die Auswahl, beim Fenster hinaus zu schauen, starr ins Zimmer zu blicken oder zu schlafen.

      Am Gang draußen wurde es plötzlich laut. Ein Patient begann zu schreien und die Wärter zu beschimpfen. Ein Gerangel war hörbar. Mehrere Stimmen sprachen durcheinander, obwohl man nicht genau hören konnte, was gesagt wurde, konnte die angespannte Situation erkannt werden. Gerade noch schrie der Patient und eine Sekunde später war es still. Maria wurde ein wenig unheimlich. Was tat man dem Mann da draußen blos an?

      Sie entschied spontan, sich ins Bett zu legen und zog sich die Decke über den Kopf.

      Das Badezimmer

      Ein paar Tage später kam eine Schwester in Marias Zimmer.

      Mit strengem Blick zog sie die Decke vom Bett, zog den Überzug ab und murmelte unverständliches vor sich hin. Maria stand gerade vorm Fenster und war froh, nicht noch darin gelegen zu haben. Hätte sie die grantige Frau auch so vom Bett gezogen wie die Decke?

      Nachdem sie mit der Bettwäsche fertig war, zückte sie einen Mob und begann den Boden aufzuwaschen. Maria setzte sich schnell auf einen Sessel und hob ihre Füße. Die Frau würdigte sie nicht einmal eines Blickes. Sie wusch hektisch auf, stieß stätig an den Bodenkanten an und verschwand dann wieder.

      Kaum zur Ruhe gekommen öffnete sich schon wieder die Türe. Allerdings war die Frau diesmal nett. Sie bat Maria, sie zu begleiten. Vorsichtig, so als würde am Gang etwas Böses auf sie warten, setzte sie ihren Fuß über die Türschwelle hinaus. Was wohl jetzt wieder auf sie wartete?

      Ein paar Meter weiter sperrte die Frau eine Türe auf und sie gingen hinein. Ein Großer kalt wirkender Raum mit einer Badewanne in der Mitte wartete auf Maria.

      Eine zweite Pflegerin betrat den Raum und forderte Maria auf, sich zu entkleiden.

      Sollte sie sich jetzt etwa mitten in diesem Raum, vor den Augen der Pflegerinnen, nackt in die Badewanne setzen? Wollten die Frauen ihr nun beim Baden zuschauen?

      Eine unangenehme Situation tat sich auf. Bislang durfte sie im Zimmer duschen, warum also jetzt baden?

      Nachfragen hätte allerdings nicht viel gebracht, die Frauen begannen bereits sie auszuziehen. Hilflos beugte sie sich, hielt die Hände vor heikle Körperstellen und stieg ins Badewasser. Leider gab es keinen Schaum, der die Sicht unter Wasser verhindert hätte, also saß sie etwas verkrampft in der Wanne. Unerwartet duschte eine der Frauen über Marias Kopf, um die Haare zu waschen. Danach klatschte man ihr Shampoo auf den Kopf und verteilte es gleichmäßig.

      Beim Waschen des Körpers hörte der Spaß auf. Maria nahm der Pflegerin den Waschlappen weg und bevorzugte, sich selbst zu reinigen.

      Endlich ließ man sie ein wenig in Ruhe. Das warme Wasser tat gut. Die Frauen schauten auch nicht mehr ständig auf ihren Körper, sondern plauderten abseits miteinander. Ein wenig Scham stellte sich wieder ein, als sie aus der Wanne steigen musste. Das Badetuch konnte nicht schnell genug in ihre Hände kommen. Die Frauen wollten Maria abtrocknen, doch diesmal stieß sie die beiden ein wenig zur Seite. Die Frauen lachten und Maria wollte nur noch in ihr Zimmer. Die getragene Kleidung nahm man ihr ab, mit Frischer ging sie wieder zurück.

      Etwas erschöpft setzte sie sich auf ihr neu überzogenes Bett. Anfangs konnte Maria dieses Bett nicht sonderlich leiden. Immerhin war es so eines wie in den Krankenhäusern. Also ein Metallgestell mit einer Matratze. Jetzt war sie es schon gewohnt und konnte sogar gut darin schlafen.

      Maria verspürte Müdigkeit. Sie war so viel Bewegung nicht mehr gewohnt. Immerhin saß oder lag sie den ganzen Tag nur im Zimmer. Die täglichen Spaziergänge erschöpften sie meist auch, obwohl sie nicht allzu lange andauerten.

      Das Mittagessen kam. Es gab seit langem wieder einmal Fleisch.

      Nachdem Maria gegessen hatte, hielt sie ein Mittagsschläfchen. Doch war es ihr nicht gegönnt, von allein wach zu werden. Einer der Wärter betrat das Zimmer und bat, ihm zu folgen. Wohin sollte sie denn heute noch? Sie würden doch nicht in den Garten gehen, immerhin regnete es bereits.

      Nein, in den Garten ging es nicht. Dr. Schuh erwartete sie.

      Maria setzte sich, noch etwas verschlafen, aufs Sofa. Dr. Schuh nahm ihr gegenüber Platz.

      „Wie geht es Ihnen, Maria?“

      „Ich bin müde und kaum mehr Bewegung gewohnt.“

      Der Arzt lachte.

      „Wären Sie bereit, ein wenig mit mir zu plaudern?“

      „Hab‘ ich eine Wahl?“

      „Es freut mich zu sehen, dass Ihr Humor wiedergekehrt ist.

       Wie war Ihr Bad?“

      „Anstrengend.“

      „Haben Sie