Gabriele Schillinger

Vertrauensbruch mit Folgen


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und brachte Maria ein Glas davon. Maria bedankte sich.

      Danach setzte er seinen durchdringenden Blick auf.

      „Ich möchte mit Ihnen über den Tag sprechen, an dem Sie gefunden wurden. An was können Sie sich noch erinnern?“

      „Man sagte mir, ich lag neben Bahnschienen, als man …“

      „Nein, ich meine nicht, was man Ihnen gesagt hat, sondern an was Sie sich noch erinnern.“

      „Ich war bewusstlos. Wie soll ich da noch etwas wissen?“

      „Erzählen Sie mir darüber, wie Sie im Krankenhaus aufgewacht sind.“

      Maria schnaufte leise. Irgendwie drehte sich alles immer nur um den Tag, an dem sie gefunden wurde.

      „Ich hörte, wie jemand redete. Dann versuchte ich die Augen zu öffnen, aber es war sehr hell und tat weh. Plötzlich griffen Hände nach mir. Eine an den Beinen, und eine andere streichelte über meinen Kopf. Man fragte ständig, ob ich dies oder das spüren konnte. Einige Zeit später erkannte ich, dass ich in einen Krankenhaus war. Immer wieder wollte man wissen, ob ich mich erinnern konnte, weshalb ich da war, aber ich hatte keine Ahnung.“

      „Was dachten Sie, als man Ihnen erzählte, wie Sie gefunden wurden?“

      „Ich dachte an einen bösen Traum.“

      „Sie wurden mit einen Krankenwagen vom Fundort ins Krankenhaus gebracht. Wurden Sie im Wagen einmal kurz wach?“

      „Ehrlich gesagt bin ich mir nicht sicher, aber ich denke einmal kurz. Zumindest höre ich in meinen Träumen immer wieder die Sirenen eines Krankenwagens. Manchmal sehe ich auch ein Gesicht eines Sanitäters vor mir. Aber ich kann nicht sagen, ob das wirklich so gewesen ist.“

      „Macht nichts. Erzählen Sie mir mehr von diesem Traum.“

      „Nun ja, viel gibt es da nicht.

       Ich spüre ein heftiges Rütteln. Es schaukelt mich auf dem Krankenbett hin und her. Dann höre ich die Sirene und öffne kurz meine Augen. Überall ist Blaulicht und ein Sanitäter ist über mich gebeugt. Ach nein. Das war vorher. Der Sanitäter fragte, wie ich heiße und dann hob man mich auf ein Krankenbett und schob mich in einen Rettungswagen. Jetzt bin ich ganz durcheinander.“

      „Macht nichts.“

      „Im Rettungsauto bekam ich dann so eine Flasche angehängt und irgendetwas piepste andauernd. Mehr weiß ich nicht mehr.“

      „Immerhin.“

      „Glauben Sie, es ist nur ein Traum oder ist es wirklich so gewesen?“

      „Es könnte von allem ein wenig sein. Es kann passieren, dass wir träumen, was geschehen ist, aber auch was wir von anderen gehört haben, was passiert sein könnte.

       Manchmal sind Träume derart real, dass sie wie geschehen wirken. Doch oft denken wir auch nur mit verschlossenen Augen vor uns hin, was tatsächlich passiert ist.“

      „Nun, dass man mich nach meinem Namen gefragt hat, wurde mir erzählt, aber ich sehe immer das gleiche Gesicht vom Sanitäter.“

      „Erzählen Sie. Wie schaute der Sanitäter aus?“

      Maria lehnte sich zurück und dachte nach.

      „Also, er könnte so Ende zwanzig sein. Ein drei Tage Bart und eher schlank. Dunkle Haare. Die Augenfarbe weiß ich nicht, aber es waren sehr freundliche Augen. Die Stimme war ein bisschen tiefer, also angenehm und beruhigend.“

      „Na das nenne ich eine gute Beschreibung.“

      „Ich träume ja oft von ihm.“

      „Wenn Sie möchten, frage ich nach dem Aussehen Ihres Sanitäters. Dann wissen wir, ob er nur ein Traum ist.“

      „Oh ja, bitte.“

      „Wieso hatten Sie so viel Blut auf Ihrer Kleidung?“

      „Ich war ja verletzt.“

      „Ja, aber Ihre Verletzungen waren eher innerlich.“

      „Naja, von irgendwo wird es schon hergekommen sein. Ich hatte ja auch eine Platzwunde am Kopf.“

      „Stimmt. Allerdings war es nicht nur Ihr eigenes Blut.“

      „Was meinen Sie damit?“

      „Auf Ihrer Kleidung. Da fand man auch Blut einer anderen Person.“

      „Wahrscheinlich habe ich mich gewehrt und meinen Angreifer verletzt.“

      „Wer hat Sie angegriffen?“

      „Ich weiß es nicht. Aber irgendwer muss mich verletzt haben und neben die Gleise geworfen haben.“

      „Wurden Sie woanders verletzt und zu den Schienen gebracht?“

      „Keine Ahnung!

       Es gibt doch so was wie DNA. Damit könnte man doch leicht herausfinden, wessen Blut das ist.“

      „Sie wissen also nicht, wer Sie angegriffen hat?“

      „Nein!“

      „Seit wann wissen Sie, dass es kein Unfall war, sondern ein Angreifer?“

      „Seit Sie mir sagten, es war fremdes Blut auf meiner Kleidung!“

      Maria war aufgebracht. Das Gespräch hatte so gut angefangen. Jetzt ging ihr der Doktor auf die Nerven.

      Dr. Schuh erhob sich und nahm seine Notizen vom Tisch. Er redete von einem aufschlussreichen Gespräch und holte den Wärter vor der Türe hinein, der Maria wieder in ihr Zimmer bringen sollte.

      Maria konnte es nicht fassen. Er brach einfach das Gespräch ab und verabschiedete sich. Als sie gerade den Raum verließ, sagte er noch, dass sie sich in zwei Tagen wiedersehen würden. Sein Lächeln dabei verärgerte Maria nur noch mehr und hätte sie gekonnt, wäre sie ihn angesprungen.

      Mit wütendem Gesichtsausdruck saß sie auf der Bettkante.

      Was sollten die provokanten Fragen am Schluss? Er wusste doch, sie konnte sich an nichts mehr erinnern.

      Der Tag war nun verdorben. Zu Abend fehlte ihr der Appetit, also ließ sie die Hälfte des Essens wieder zurückgehen.

      Wieso war fremdes Blut auf ihrer Kleidung? Warum hatte sie jemand niedergeschlagen? War sie ein böser Mensch, oder einfach nur ein Opfer?

      Wenn Dr. Schuh die ganze Zeit über von dem Blut gewusst hatte, was wusste er noch und sagte es ihr nicht?

      Vielleicht kannte er sogar den Namen von dem Schläger. Wenn er einfach sagen würde, was er bereits wusste, könnte er es doch einfach sagen. Möglich, dass dann die Erinnerung schneller käme.

      Die Nacht wurde trotz Schlaftablette sehr unruhig. Maria wälzte sich von einer Seite auf die andere.

      Am nächsten Tag wurde sie wieder abgeholt, um im Speisesaal zu frühstücken. Etwas genervt folgte sie einem Wärter in den großen Raum. Thomas saß bereits da und wartete auf sein Frühstück. Gleich neben ihm war ein Tisch frei und sie nahm dort Platz. Maria ließ ihren Blick in die Runde schweifen. Ein paar der Patienten erkannte sie wieder, andere jedoch erschienen ihr neu. Eine etwas ältere Frau strich sich unentwegt durch die Haare. Es war, als hätte sie einen Spiegel vor sich, um Schminke für einen abendlichen Ausgang aufzutragen. Nach einer Weile begann sie sich selbst an den Haaren zu ziehen und hielt kurz darauf ein Büschel davon in ihrer Hand. Einer der Wärter rief lauf ihren Namen, Estella. Er ermahnte sie und nahm ihr das blutige Büschel aus der Hand. Sofort begann die alte Frau zu weinen. Da sie niemand beruhigen konnte, wurde sie in ihr Zimmer gebracht.