Josef Mugler

Die Adria entlang von Görz bis Bar


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aber nicht schlagartig eine Seemacht. Wesentliche Teile der venezianischen Flotte verkamen erst einmal, vermoderten oder wurden gezielt abgewrackt. Nur langsam setzte sich die Auffassung durch, dass der Seeweg durch die Adria dem Binnenland Österreich neue Handelswege eröffnete, ferner dass diese auch gegen Seeräuber geschützt werden mussten und die neuen Besitzungen vielleicht auch einmal gegen das sich vereinigende und Ansprüche auch auf die Ostküste der Adria stellende Italien zu verteidigen sein würden. Die slawische Bevölkerung und deren Wohlergehen spielten in diesen Überlegungen eine eher untergeordnete Rolle.

      Als markante Ereignisse dieser zaghaften Zuwendung zur Adriaküste können genannt werden: 1833 wurde auf Betreiben des Triestiner Kaufmanns Freiherr von Bruck nach Londoner Vorbild der Österreichische Lloyd gegründet. Nachdem sich ein Großteil der italienisch dominierten Flotte im Revolutionsjahr 1848 gegen die Habsburger gestellt hatte, holte man für den Wiederaufbau der Marine einen Experten aus Dänemark, Admiral Dahlerup, der 1854 von dem politisch durchschlagskräftigen jüngeren Bruder des Kaisers Erzherzog Ferdinand Maximilian, dem späteren unglücklichen Kaiser von Mexiko, abgelöst wurde.

      Am 3. Juli 1866 besiegte Preußen im Entscheidungskampf um die Vorherrschaft in Deutschland die österreichische Nordarmee bei Königgrätz in Böhmen, während die gleichzeitig vom kurz zuvor (1861) neu gegründeten Königreich Italien angegriffene Südarmee standhielt. Vor allem der unerwartete Sieg der immer noch rückständigen Kriegsmarine unter ihrem Befehlshaber Wilhelm von Tegetthoff über die überlegene italienische Flotte bei Lissa, dem heutigen Vis, am 20. Juli 1866 bewirkte, dass einige vorwiegend italienisch besiedelte Landesteile noch für rund ein halbes Jahrhundert, bis zum Ende des Ersten Weltkriegs, dem österreichischen Kaiser erhalten blieben. Allerdings nicht Venezien: Denn trotz der Siege zu Lande und auf See musste Österreich auf Druck Preußens nach der Lombardei (1859) sowie Modena und der Toskana (1860) nun auch Venezien an Italien abtreten.

      „Küstenland“ ist eigentlich ein Kunstwort, das 1849 von der österreichischen Verwaltung eingeführt wurde, und zwar für Gebiete, die entweder bereits seit Jahrhunderten (z.B. Triest seit 1382, Görz seit 1500) habsburgisch waren oder es nach dem Ende der Republik Venedig 1797 erstmals wurden. Das trifft beispielsweise auf die Inseln Veglia (Krk), Cherso (Cres) und Lussin (Lošinj) zu, die vorher zum venezianischen Dalmatien gehörten.

      Diese Gebiete wurden nach dem napoleonischen „Zwischenspiel“ durch die Ergebnisse des Wiener Kongresses von 1815 bis 1849 Teil des neu geschaffenen Königreichs Illyrien und danach bis 1861 als „Küstenland“ ein eigenes Kronland des Kaiserreiches Österreich. 1861 wurde die Bezeichnung „Österreichisch-illirisches Küstenland“ eingeführt, die sich aber praktisch nicht durchsetzte. Nach dem Ausgleich mit Ungarn war das Küstenland von 1868 bis 1918 Kronland der österreichischen Reichshälfte der österreichisch-ungarischen Monarchie (Cisleithanien). Die Grenze zur ungarischen Reichshälfte verlief östlich von Opatija (Abbazia) zwischen Volosko (Voloska) und Rijeka (Fiume).

      Das Küstenland gliederte sich in folgende drei Gebiete:

      die gefürstete Grafschaft Görz und Gradisca,

      die Markgrafschaft Istrien mit den Inseln Veglia (Krk), Cherso (Cres) und Lussin (Lošinj) sowie einigen kleineren benachbarten Inseln und

      die reichsunmittelbare Stadt Triest, die auch Hauptstadt des Küstenlandes war und weiter als heute in das slowenische Sprachgebiet hineinreichte.

      Die österreichische Küste, also die Küste des Kaiserreichs Österreich bzw. nach dem Ausgleich mit Ungarn der k.u.k. österreichisch-ungarischen Monarchie war allerdings viel länger. In ihrer weitesten Ausdehnung, das war in den Jahren von 1797 bis 1805 und von 1815 bis 1866, begann diese Küste im Westen am Po, genauer am südlichsten Arm des Po-Deltas, dem Po di Goro, und reichte am östlichen dalmatinischen Ufer der Adria zuletzt, das heißt nach einer geringfügigen Gebietserweiterung auf dem Kongress von Berlin 1878, bis zu einem kleinen Flüsschen, das heute am nördlichen Stadtrand von Bar im Staat Montenegro in das Meer mündet und den Namen Željeznica trägt.

      Unsere Reise beginnt am westlichen Rand jenes Küstenstreifens, der ab 1866 die Grenze zum neu entstandenen Königreich Italien bildete. Sie verlief quer durch das heutige Friaul und in Küstennähe entlang des Grenzflusses Aussa, der westlich von Grado in die Lagune von Marano mündet. Dieser Verlauf entsprach ungefähr der Grenze der habsburgischen Besitzungen seit dem 15. Jahrhundert, vor der Einbeziehung der Lombardei und Veneziens auf dem Wiener Kongress 1815.

      Die wichtigste Stadt in diesem Grenzraum auf österreichischer Seite war Görz. Von Görz fahren wir - mit einem Abstecher ins venezianische Palmanova - über Aquileia nach Grado und weiter nach Triest. Dann geht es entlang der Küste Istriens bis zur ehemaligen Grenze zu Ungarn zwischen Volosko und Rijeka. Die zum österreichischen Küstenland gehörigen Inseln Krk, Cres und Lošinj werden später zusammen mit dem kroatischen Küstenland behandelt. Denn sie sind verkehrsmäßig heute vor allem durch die Brücke von Krk sowie durch Schiffs- und Buslinien primär mit Rijeka und nicht wie zur österreichischen Zeit mit Triest verbunden.

      Von Görz nach Grado

      Heute ist die Autobahn, die sich bei Palmanova in die beiden Äste Richtung Venedig und Triest gabelt, die Hauptverkehrsader in das friulanische Küstengebiet. Doch nicht hier, sondern über Görz (Gorizia, Gorica, Gurize) führten früher „alle“ Wege. Görz liegt an jener Stelle des Isonzo-Tals, wo dieser Fluss die Talengen der Julischen Alpen verlässt und zwischen sanften Hügeln der Mündungsebene südlich von Monfalcone zustrebt.

      Noch am Beginn des 20. Jahrhunderts, also schon nahe dem Ende der österreichisch-ungarischen Monarchie, baute man unter dem Projektnamen „Neue Alpenbahnen“ eine Bahntrasse, welche die Küste und insbesondere den Hafen Triest mit Kärnten, Salzburg und vor allem Deutschland verbinden sollte. In den Südalpen waren hierfür zwei lange Tunnel erforderlich: der rund sieben Kilometer lange Karawankentunnel, der ungefähr parallel zum heutigen Autobahntunnel zwischen dem Kärntner Rosental und Jesenice (Aßling) verläuft, und der Koblatunnel, der die Wasserscheide zwischen Save (Sava) und Isonzo (Soča) unterfährt. Der „Wocheinerbahn“ genannte Abschnitt führte von Jesenice nach Görz und der Abschnitt „Karstbahn“ weiter von Görz nach Triest, umfuhr allerdings Triest im Osten, um dann von Süden her im neu errichteten Staatsbahnhof beim ebenfalls neu errichteten Franz-Josephs-Hafen zu enden. Dieser Staatsbahnhof von Triest ist heute Eisenbahnmuseum.

      Nach Görz führte allerdings bereits ein anderer, nicht weniger als ein halbes Jahrhundert älterer Schienenstrang: Die Südbahn erreichte schon im Jahr 1857 Triest. Das war damals noch gar nicht das Hauptziel, sondern nur eine Abzweigung von der eigentlich geplanten Hauptstrecke, welche die seit dem Wiener Kongress „österreichischen“ Städte Venedig und Mailand mit Wien verbinden sollte. Vor Görz, bei Aurisina wurde mittels einer fast 180-grädigen Schleife auf einem langen Viadukt, das auch heute noch befahren wird, allerdings zuerst der Anschluss „hinunter“ nach Triest gebaut, bevor die Trasse bis Görz verlängert wurde.

      Die Bahnbauten waren technisch aufwändig, weil nicht nur Gebirge durchquert werden mussten, sondern auch die Berghänge im Halbrund um Triest die Überwindung erheblicher Steigungen, vergleichbar der Semmeringbahn, erforderte. Politische, militärische und ökonomische Gründe sprachen jedoch dafür. Oberitalien beziehungsweise, was nach 1866 davon für Österreich übrig blieb, sollte dem Reich verbunden bleiben und notfalls durch rasche Verlagerung loyaler Truppen verteidigt werden können. Ökonomisch sollten die Schienenverkehrswege den Umschlagplatz Triest stärken, was allerdings nur in Ansätzen gelang, weil sich die norddeutschen Häfen, insbesondere Hamburg, für Handel und Industrie (mit ihren Hauptstandorten in Böhmen) effizienter und verlässlicher erwiesen als Triest und weil Ungarn nach dem Ausgleich von 1867 begann, Rijeka als seinen eigenen Hafen auszubauen. Neben der Stichbahn nach Triest entstanden überdies bald nach dem Anschluss Triests an das Bahnnetz auch Stichbahnen von Pivka (St. Peter im Karst) nach Fiume/Rijeka (1873) und von Divača nach Pula (1876) mit einer weiteren Abzweigung nach Rovinj.

      Westlich von Triest wurde später, 1894, für den aufkommenden Tourismus eine weitere Stichbahn von Monfalcone nach Cervignano gebaut, die 1910 über Aquileia bis Belvedere, dem Hafen für die Touristenfähren nach Grado,