Josef Mugler

Die Adria entlang von Görz bis Bar


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Alpenbahn in Görz fast tangential berührten – die Südbahn führt an der südlichen Stadtgrenze, die Alpenbahn an der nördlichen vorbei - entstand hier ein bedeutender Bahnknoten für die Wege an die nördlichste Küste der Adria.

      Görz war über rund vierhundert Jahre das Tor Österreichs in die Küstenregion westlich von Triest. Um 1500 erbten es die Habsburger von den Grafen von Görz, die sich wiederum im Mittelalter vom Patriarchat von Aquileia losgelöst und ab 1117 über ein großes Gebiet geherrscht hatten, das sich von Tirol bis Kroatien erstreckte. Aus dieser Zeit stammt auch die Burg, die auf einem Hügel über der Stadt thront und daher einen herrlichen Ausblick über Stadt und Land bietet. Die Anlage betritt man durch die Porta Leopoldina, die 1660 aus Anlass des Besuchs des damals erst 20-jährigen Kaisers Leopold I. errichtet wurde. Sie trägt heute einen venezianischen Löwen, den italienische Nationalisten 1919 hier angebracht haben.

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      Die Burg von Görz (2015)

      Um 1900 war Görz wegen seiner milden Temperaturen als Winterkurort sehr beliebt. Prächtige Palais, Villen, Hotels und Kaffeehäuser säumten die Plätze und den Corso Francesco Giuseppe, der die Bahnhöfe der Alpenbahn und der Südbahn verband. Auf dem Hauptplatz, der einmal Piazza Grande hieß und heute Piazza della Vittoria heißt, stehen die Sankt Ignazius-Kirche und der Neptunbrunnen. Dieser wurde von Nicolò Pacassi entworfen, ebenso wie auch das Palais Attems-Petzenstein, das heute als Museum dient. Der gebürtige Görzer Pacassi war Mitte des 18. Jahrhunderts, also zur Zeit Maria-Theresias, Leiter des Hofbauamtes in Wien und unter anderem an der Ausgestaltung von Schloss Schönbrunn, der Wiener Hofburg und der Prager Burg beteiligt.

      1910 hatten etwa die Hälfte der rund 30.000 Einwohner Italienisch, rund ein Drittel Slowenisch und noch knapp über 10% Deutsch als Muttersprache. Heute leben hier im italienischen Teil rund 35.000 Einwohner und im slowenischen Nova Gorica weitere rund 15.000.

      Im Ersten Weltkrieg waren Görz und Umgebung Schauplatz der grausamen zwölf Isonzo-Schlachten. Die Gedenkstätten in Oslávia, Redipuglia, auf dem Monte Calvario und dem Monte San Michele, um nur die wichtigsten zu nennen, erinnern an das unvorstellbare Leid, das der italienische Angriff und die österreichische Verteidigung nach der Kriegserklärung des italienischen Königs an den österreichischen Kaiser am 23. Mai 1915 verursachten.

      Die Stadt Görz wurde wechselweise mehrmals erobert und stark zerstört. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Görz italienisch, nach dem Zweiten Weltkrieg zwischen Italien und Jugoslawien aufgeteilt. Auf jugoslawischem Territorium entstand der neue Stadtteil Nova Gorica. Auf der Burg wehte über Jahrzehnte eine übergroße, weit in das jugoslawische Gebiet hinein sichtbare Tricolore und auf jugoslawischer Seite prangte dafür auf einem von der Stadt aus gut sichtbaren Berghang der Name „TITO“.

      Die Grenze verlief unter anderem mitten über den Vorplatz des Bahnhofs der Transalpina. Die Grenzbarrieren wurden 2004 entfernt und durch ein Denkmal ersetzt. Erst seit dem Schengen-Abkommen 2007 ist ein Grenzübertritt im Stadtbereich wieder ungehindert möglich. In den letzten Jahrzehnten wurde viel renoviert und wieder aufgebaut und die Stadt profitiert von den landschaftlichen Vorzügen des Collio. Doch das Flair des multiethnischen und mondänen „österreichischen Nizza“ ist wohl für immer verloren.

      Westlich von Görz überschritt man in Cormòns im Ortsteil Brazzano von 1866 bis 1915 (bzw. 1919) die Grenze zu Italien. Alljährlich wird hier und im benachbarten Giassico um den 18. August, dem Geburtstag des Kaisers Franz Joseph, auch heute noch ein Volksfest unter Beteiligung von Traditionsgruppen aus Österreich und anderen Teilen der alten Monarchie gefeiert. Und auf dem Hauptplatz blickt eine Bronzestatue des Kaisers Maximilian I., dem Cormòns sein Stadtrecht verdankt, auf das muntere, zwischen Nostalgie, Traditionspflege und Skurrilität schwankende Treiben herab.

      chapter4Image2.jpeg Das Maximilian-Denkmal in Cormòns (2008)

      Neben Görz war Cormòns in der Monarchiezeit der wichtigste Marktplatz für den Verkauf landwirtschaftlicher Produkte aus dem Collio. Besonders berühmt waren die Kirschen. Sie wurden vorwiegend von jüdischen Händlern aus Wien aufgekauft. Zur Erntezeit wurde deshalb in Cormòns sogar eine provisorische Synagoge aufgestellt. Nach dem Anschluss des Collio an Italien ging diese Tradition verloren, denn es gab andernorts genug Angebot an Obst und Gemüse für den italienischen Markt.

      Heute sind Görz und Cormòns Ausflugsziele, aber keine Meilensteine für die Annäherung an die friulanische Küste vom Norden her. Die Hauptroute führt heute über die Autobahn durch das Kanaltal und westlich an Udine vorbei. Rund zwanzig Kilometer südlich von Udine und etwa ebenso viele Kilometer westlich von Görz trifft man auf das Städtchen Palmanova.

      Palmanova hat heute nicht viel mehr als 6000 Einwohner, ist aber historisch und städtebaulich interessant: Es hat die Struktur einer achteckigen Festung, deren imposanter Mauerring fast vollkommen erhalten ist. Diese Festung wurde 1593 als Bollwerk Venedigs gegen die immer stärker gegen das christliche Abendland heranrückenden Türken (Osmanen) gebaut. Als Gründungsdatum für Palmanova wurde der 7. Oktober gewählt, der 22. Jahrestag des Sieges in der Schlacht von Lepanto und Jahrestag des heiligen Justinus, der auch zum Stadtpatron erklärt wurde.

      Wie kam es dazu? – 1526 besiegten die Türken die ungarischen Truppen in der Schlacht bei Mohács in Südungarn. Der zwanzigjährige ungarische König Ludwig II., der mit einer Habsburgerin verheiratet war, fiel in dieser Schlacht und dadurch erbte auf Grund eines früher geschlossenen Vertrags sein Schwager, der Habsburger Erzherzog und spätere Kaiser Ferdinand I. Ungarn, Kroatien, Slawonien und Böhmen. Die Türken eroberten allerdings rasch fast ganz Ungarn und Kroatien, belagerten 1529 erstmals Wien und standen über 150 Jahre lang als ständige Bedrohung kaum 100 km östlich von Wien.

      Die Venezianer befürchteten, dass die Türken eines Tages aus Kroatien über Istrien bis in ihr Festlandterritorium, die Terraferma, vordringen und ebenso wie Wien auch Venedig bedrohen könnten. Davor sollte Palmanova bewahren. Im Hintergrund spielte aber auch der Gedanke mit, dass diese Festung, wenn die Bedrohung durch die Türken erst einmal vorbei sein würde, auch österreichischen Ausbreitungsgelüsten Einhalt gebieten könnte.

      Auch auf dem Meer drohte von den Türken Gefahr: Papst Pius V. gelang es, die sonst meist gegenläufigen Interessen des habsburgischen Spanien sowie Venedigs und Genuas zu überbrücken und diese christlichen Mächte zur Ausstattung einer gemeinsamen Kriegsflotte zu bewegen. Die so entstandene „Heilige Liga“ besiegte am 7. Oktober 1571 unter dem Kommando des 26-jährigen Don Juan d‘Austria, einem unehelichen Sohn des habsburgischen Kaisers Karl V., bei Lepanto im Golf von Patras die zahlenmäßig überlegene türkische Flotte. Der Tag von Lepanto sollte daher die Botschaft der siegreichen Verteidigung Venedigs auch zu Lande – mit Hilfe von Palmanova – ausstrahlen.

      Dass Palmanova für Venedig auch gegen die österreichischen Habsburger nützlich sein könnte, ergab sich nicht nur aus der Abtrünnigkeit Triests, sondern auch aus der toleranten Haltung der Habsburger gegenüber den seeräuberischen Uskoken, die aus Bosnien vor den Osmanen geflüchtet waren und vornehmlich vom habsburgischen (ungarisch-kroatischen) Senj aus die reich beladenen venezianischen Frachtschiffe und gelegentlich auch türkische Schiffe angriffen. Das wollten die Venezianer nicht ewig so hinnehmen und griffen 1615 von Palmanova aus die habsburgische Festung Gradisca am Isonzo an. Natürlich könnte dabei auch die Hoffnung mitgespielt haben, mit diesem Streich auch wieder Triest und dessen Salzproduktion unter venezianische Kontrolle bringen zu können.

      chapter4Image3.jpeg Gradisca, links der Palazzo Torriani (2008)

      Vor der habsburgischen Zeit, Ende des 15. Jahrhunderts, war Gradisca von den Venezianern selbst als Festung gegen die Türken ausgebaut worden. Am Festungsbau soll sogar Leonardo da Vinci mitgewirkt haben. Nun widerstand Gradisca als habsburgisches Bollwerk dem Ansturm der Venezianer. Allerdings musste sich der Erzherzog von Österreich, der dann als Ferdinand II. auch Kaiser wurde, zwei Jahre später im Frieden von Madrid verpflichten, die Uskoken aus Senj abzusiedeln. Venedig hatte damit