Josef Mugler

Die Adria entlang von Görz bis Bar


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Triest zurück.

      Über Jahrzehnte sah Kaiser Maximilian von seinem majestätischen steinernen Denkmal im Park von Miramar auf ein Blumenbeet herab, welches jeden Tag in der Form des aktuellen Datums ausgepflanzt wurde. Das Standbild war 1874 zuerst auf der Piazza Giuseppina gegenüber dem Molo Giuseppina, schräg gegenüber der Fischmarkthalle in Triest aufgestellt worden. Nach der Übernahme Triests durch Italien war es aber offenbar unerträglich, dass ein Habsburger auf Volk und Hafen herabblickte. Nach seinem jahrzehntelangen „Exil“ im Park von Miramar wurde das Monument 2008 wieder auf seinen ursprünglichen Standort zurückgebracht, der nun den Namen Piazza Venezia führt.

      Triest

      Jahrhundertelang, von 1382 bis 1918 - mit wenigen kurzen Unterbrechungen, gehörte Triest zu Österreich und war dessen bedeutendster Hafen. Nach Einrichtung des Kronlandes "Österreichisches Küstenland" war es dessen Hauptstadt. Heute ist Triest Hauptstadt der italienischen autonomen Region Friaul Julisch-Venezien und der Provinz Triest. Die Stadt hat heute rund 200.000 Einwohner; das sind nicht viel mehr als vor hundert Jahren. Wie hat das aber alles angefangen?

      104 v. Chr. ist eine illyrische Siedlung auf dem heutigen Burghügel San Giusto belegt. Triest kommt vom illyrisch-keltisch-lateinischen Tergeste. Terg heißt Markt. Triest war also wohl immer schon ein Platz für den Austausch von Waren. Unter Kaiser Augustus (manche Quellen sprechen schon von 52 v. Chr.) wird Tergeste Teil des römischen Imperiums und wichtiger Stützpunkt für Handel und Militär gegen Osten. Bei einem Gang durch die engen Gassen der Altstadt stößt man an der Piazzetta Barbacan auf den Arco di Riccardo, ein Tor der Stadtmauer von 33 v. Chr.

      Im frühen Mittelalter gehörte Triest zum Herrschaftsgebiet Karls des Großen und im Hochmittelalter wehrte sich die Stadt wiederholt gegen die Unterjochung durch Venedig. Streitobjekt war die damals größte Quelle des Reichtums: der Salzhandel. Den wollte an der Adria Venedig allein beherrschen. 1203 wurde Triest von Venedig erobert und auch danach wiederholt bedroht. Das trieb die Triestiner 1382 zur „Flucht“ unter den Schutzschirm eines mächtigen Rivalen Venedigs: des Herzogs von Österreich, Leopold III.

      Doch die wirtschaftliche Entfaltung Triests wurde durch die Dominanz der „Serenissima“ im Fernhandel über Jahrhunderte gehemmt. Oder soll man eher sagen: durch das Desinteresse der Habsburger am Fernhandel? Erst mit dem Niedergang Venedigs und mit der eigentlich relativ spät einsetzenden Förderung durch die Habsburger (Karl VI., Maria Theresia, Joseph II.) im 18. Jahrhundert stieg die Bedeutung Triests für den Handel mit dem Nahen Osten. Die Ausstattung mit den Privilegien eines Freihafens im Jahr 1719 gilt als markantes Ereignis in der Geschichte der Stadt. Was bedeutete das? – Der Warenverkehr von Schiff zu Schiff und in den dafür vorgesehenen Magazinen an Land war fortan von Zöllen befreit. Unter Maria Theresia wurde diese Zollfreizone auf das Stadtgebiet erweitert. Dazu wurden die Stadtmauern geschleift und auf dem Terrain der Salinen, deren Besitz den Venezianern immer ein Dorn im Auge gewesen war, wurde ein neuer Stadtteil, der Borgo Teresiano, samt dem Canale Grande errichtet, in dem die Schiffe vor Wetter besser geschützt waren als draußen an den Molen. Die Zollfreiheit war übrigens nur ein Mosaikstein im Gesamtbild der gewährten Privilegien. Beispielsweise genossen zugezogene Händler Straffreiheit für anderswo begangene Delikte. Steuerfreiheiten, Schuldenerlässe und Freiheit vor Zugriffen lokaler Behörden ergänzten sich zu einem fruchtbaren Boden für allerlei Unternehmungen, auch wenn dies nach heutigen Vorstellungen moralisch oder öffentlich-rechtlich fragwürdig erscheint.

      1775 wurde eine Ostindische Handelskompanie gegründet und 1776 segelte ein gewisser Kapitän Bolts mit dem Schiff „Joseph und Theresia“ entlang der Ostküste Afrikas bis nach Ostindien. Er erwarb von Einheimischen kleine Ländereien und gründete auf diese Weise erste österreichische (Zwerg-)Kolonien, die aber bald wieder in Vergessenheit gerieten. Während der napoleonischen Zeit verlor Triest vorübergehend seinen Freihafenstatus, ein Drittel seiner Einwohnerschaft und 95% seines Handelsvolumens.

      Mit der Rückkehr in die österreichische Hegemonie 1813 bzw. „endgültig“ durch die Schlussakte des Wiener Kongresses 1815 setzte allerdings bald wieder ein Aufschwung ein. Mit dem Raddampfer Carolina wurde 1818 die erste Linienschifffahrt in der Adria, von Triest nach dem nunmehr ebenfalls österreichischen Venedig aufgenommen. Die Verwertung der genialen Erfindung des aus Böhmen stammenden Forstbeamten Joseph Ressel versäumte Triest allerdings. 1829 wurde ihm die Vorführung des neuen Antriebs durch eine Schiffsschraube mit dem Schiff „Civetta“ innerhalb des Hafenbereichs wegen Gefährdung der Sicherheit untersagt.

      Im April 1833 gründete der Triestiner Kaufmann Karl Ludwig Freiherr von Bruck nach Londoner Vorbild den Österreichischen Lloyd. Diese Gesellschaft beschloss 1836 den Bau von sechs Dampfschiffen und am 16. Mai 1837 lief der Lloyd-Dampfer „Arciduca Ludovico“ mit 53 Passagieren an Bord zu seiner ersten Fahrt nach Konstantinopel aus.

      chapter6Image1.jpeg Der erste Lloyd-Dampfer "Arciduca Ludovico" (Illustration von Robert Ruß, Kronprinzenwerk, Band Das Küstenland, 1891, S. 315)

      In der Folge wurden in Triest die Versicherungsgesellschaft „Assicurazioni Generali“, das Arsenal und mehrere Werften gegründet. Bis 1914 steigerte der Österreichische Lloyd die Zahl seiner Schiffe auf 65 und die Zahl der Beschäftigten auf 6.000. Dazu kamen noch einige kleinere Reedereien und die von Fiume (Rijeka) aus operierende Ungaro-Croata mit immerhin weiteren 49 Schiffen im Jahr 1914.

      Doch mit dem Hafen ging es in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts trotz des Lloyd wieder mehr bergab als bergauf. Die Wirtschaftskrise im Gefolge des Börsenkrachs von 1873 verstärkte diesen Trend. 1875 appellierte der Präsident der Triestiner Handelskammer Brüll an den Kaiser, „unseren Handel wieder aufblühen zu machen, der jetzt leider in entschiedenem Rückgange begriffen ist“ (Coglievina 1875, S. 9).

      Während der Revolutions- und Abspaltungsversuche der Lombardei, Veneziens und Ungarns im und um das Jahr 1848 blieb Triest den Habsburgern treu und erhielt dafür den Titel „Città fedelissima“ – die Allertreueste. Nach der Gründung des italienischen Nationalstaates 1861 ergriff die Irredentismus-Bewegung aber doch auch Triest. Beim Besuch des Kaisers Franz Joseph 1875 titelte die Zeitung „Adria“ noch: „Noi vogliamo essere Austriaci“ (wir wollen Österreicher sein) und auf der Piazza Giuseppina wurde im Beisein des Kaisers das imposante Denkmal für den in Querétaro hingerichteten Kaiser Maximilian von Mexiko, den Bruder Franz Josephs, enthüllt.

      1882 feierte man das Jubiläum der 500-jährigen Zugehörigkeit Triests zu Österreich ebenfalls in Anwesenheit des Kaisers. Dabei entging Franz Joseph nur knapp einem Bombenattentat durch Guglielmo Oberdan. Im Prozessverfahren bemühte sich angeblich das österreichische Gericht, dem Beschuldigten Verwirrung und fehlende Tötungsabsicht zu unterstellen, was aber am hartnäckigen Bekenntnis von Oberdan gescheitert sein soll. Die Hinrichtung bewirkte seine Verherrlichung als Opfer der österreichischen Unterdrückung.

      Der Schock über die Zustände in Triest – wirtschaftlich und politisch – saß tief. Der Kaiser sprach ein Machtwort: „Es muss etwas für Triest geschehen!“ Auf die allgemeine Ratlosigkeit hin soll Franz Joseph den Stadtplanern gesagt haben: „Machen Sie es so wie in Wien, nur ein bisserl kleiner!“

      An den unbefriedigenden Zuständen konnte auch die neue Bahnverbindung nach Wien wenig ändern: Am 27. Juli 1857 hatte Kaiser Franz Joseph persönlich den Schlussstein für die durchgehende Bahnverbindung von Wien nach Triest gesetzt. Bis dahin „verkehrten“ zwischen Wien und Triest bis zu 40.000 Pferde täglich, welche vor allem von ungarischen Magnaten geliefert wurden. Kein Wunder, dass diese kein Interesse an Kanal- und Bahnbauten über ihr Territorium hatten, sodass zunächst (nach den napoleonischen Kriegen) der Wiener Neustädter Kanal nicht weitergeführt werden konnte und danach die Bahn über den schwierigen Semmering und das hügelige Gelände der Steiermark und Krains geführt werden musste. Der Bahnstrecke folgte 1878 die Eröffnung des im Wesentlichen noch wie damals aussehenden