Josef Mugler

Die Adria entlang von Görz bis Bar


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target="_blank" rel="nofollow" href="#fb3_img_img_21edab3c-3ff0-5f2b-98c1-f115a0a57dc3.jpeg" alt="chapter6Image2.jpeg"/> Trieste Centrale, einst das Ende der Südbahn am Meer (2015)

      Angeblich wurde diese Bahnverbindung, die von der privaten Südbahngesellschaft betrieben wurde, wegen der hohen Tarife nicht gut angenommen. Eine Staatsbahn sollte Abhilfe schaffen. Also baute man vom Triestiner Südbahnhof entlang der Riva ein Gleis bis Sankt Andrä am Südende der Stadt („Riva-Bahn“) und weiter hinauf in den Karst nach Hrpelje/Erpelle (heute Hrpelje-Kozina). Diese „Hrpelje-Bahn“ hatte auf 27 Kilometern fast 500 Höhenmeter zu überwinden. Von Hrpelje Richtung Laibach fuhr man zunächst auf dem schon vorhandenen Ast der Südbahnverbindung mit Pola weiter, die in Divača auf die alte Südbahntrasse nach Triest traf. Auch diese ab 1887 zur Verfügung stehende Bahnverbindung brachte nicht die erhoffte Steigerung des Güterverkehrs.

      Daher tauchte bald unter dem Namen „Neue Alpenbahn“ die Idee einer weiteren (dritten) Bahnverbindung auf, die Triest über Görz und Kärnten an Westösterreich und Süddeutschland anbinden sollte. Diese bereits im Zusammenhang mit Görz beschriebene Bahn war eingleisig und führte ab 1906 über Sežana und Villa Opicina an den Abhängen des Karst herab und von Süden in die Stadt hinein zu einem neuen Hafengelände und dem dort errichteten Staatsbahnhof. Das führte dazu, dass Triest trotz schwierigem geografischem Terrain am Beginn des 20. Jahrhunderts von zwei Seiten her an das mitteleuropäische Bahnnetz angebunden war.

      Dass es nicht und nicht zu einer wirtschaftlichen Wende kam, war daher weniger einer unzureichenden Verkehrsanbindung als vielmehr der Ineffizienz des Hafens zuzuschreiben. Der 1867 begonnene Ausbau des neuen Hafens, der heute „alter Hafen“ (Porto vecchio) heißt, an der Endstation der Südbahn wurde erst 1883 fertig. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde ein Hochseeschiff in Hamburg in nur 36 Stunden be- und entladen, während man in Triest dafür angeblich mehr als zwei Wochen brauchte (Neumann-Spallart 1882, S. 45). Hamburg ließ in der Tat Triest als Haupthafen für die österreichische Wirtschaft immer weiter hinter sich. Und für die sprunghaft gestiegene Zahl der Durchreisenden, die in Triest eine Schiffsreise antraten oder von einer zurückkehrten und hier einmal übernachten mussten, war noch am Beginn des 20. Jahrhunderts die verfügbare Bettenzahl zu knapp.

      Heute erinnern nur Ruinen, desolate Hallen mit Billighandelsläden und verlotterte Lagergebäude an das einstige „Welt-Logistikzentrum“ – und die eine oder andere Gedenktafel an Menschen, die hier unter nationalsozialistischer Herrschaft oder danach als Heimatvertriebene (Esuli) aus Istrien und Dalmatien zusammengepfercht waren und eines unbekannten Schicksals harrten. Vereinzelt wird einer der vielen ambitionierten Revitalisierungspläne für das 500.000 Quadratmeter große Areal tatsächlich verwirklicht, wie im Fall des Magazzino 26 anlässlich der Errichtung einer Außenstelle der Biennale von Venedig zur 150-jährigen Wiederkehr der Vereinigung Italiens (1861-2011).

      Um 1900 bestand die Bevölkerung Triests zu ca. 75% aus Italienern, 18% Slawen (vorwiegend Slowenen, welche in der Umgebung bei weitem die Bevölkerungsmehrheit bildeten), 5% Deutschsprachigen und einem multikulturellen Rest. „Es ist doch eine italienische Stadt. Aber sie darf nicht. Daher der Unwille, den man überall spürt. Es ist eine Stadt, die eine unwillige Existenz führt… Der Staat tut alles, um die Stadt zu verkrüppeln, und wundert sich dann, wenn sie nicht wächst. Auf jede Forderung der Stadt antwortet er: Werdet zuerst Patrioten, dann wird man etwas für euch tun! Während sich die Leute natürlich denken: Tut erst etwas, wofür es sich lohnt Patrioten zu sein!“ So sah das seinerzeit Hermann Bahr (Bahr 1909, S. 9).

      Als am 3. November 1918, also erst nach Ende der Kampfhandlungen im Ersten Weltkrieg, der Weg für die italienische Marine nach Triest frei gemacht werden musste, legte als erstes der Zerstörer Audace am Molo San Carlo an, der dafür seit 1922 Molo Audace heißt. Bald entstand das folgende Bonmot: „Was den Österreichern in Jahrhunderten nicht gelungen war, gelang den Italienern in wenigen Minuten: nämlich aus den Triestinern gute Österreicher zu machen.“

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      Der Molo Audace, früher Molo San Carlo (2009)

       Der Anker des Audace ist übrigens am Fuß jenes Leuchtturms ausgestellt, der in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts als „Faro della Vittoria“ auf den Fundamenten einer alten österreichischen Festung zum Gedenken an die „Caduti sul Mare“ (die gefallenen Marinesoldaten im Ersten Weltkrieg) erbaut wurde. Im Friedensvertrag von Saint Germain wurde Triest 1919 offiziell samt einem Großteil Istriens und des Friaul Italien zugesprochen und unter der Herrschaft Mussolinis wurde die slawische Bevölkerung unterdrückt oder vertrieben.

      Dies bekamen auch die slowenischen Einwohner Triests zu spüren. Die Serie der Gewalttaten begann mit der Zerstörung des „Narodni dom“ (vulgo „Hotel Balkan“) an der heutigen Piazza Dalmazia am 13. Juli 1920 und setzte eine Spirale der Gewalt in Gang. Der Triestiner Hafen wurde in der Zwischenkriegszeit aber auch für rund 150.000 Juden zur „Porta di Sion“ (Tor Zions): Transithafen nach Palästina – bis zur Besetzung Triests durch deutsche Truppen nach der Kapitulation Italiens am 8. September 1943. Die italienischen Rassengesetze von 1938 hatten zuvor schon die jüdische Einwohnerschaft zum Rückzug aus Wirtschaft und Kultur gezwungen.

      Ende April 1945 traf die jugoslawische Armee im Raum Triest ein. Der Kampf um Triest und Istrien entbrannte von neuem: diesmal zwischen Jugoslawien und Italien. Titos Truppen und Partisanen herrschten vierzig Tage in der Stadt und Umgebung, bevor alliierte Truppen die Kontrolle übernahmen. Istrien fiel in der Folge an Jugoslawien und damit setzte die „Vertreibung der Vertreiber“ ein. Nur eine Zone, die ungefähr von Duino bis Novigrad (Cittanova) reichte, wurde 1947 zum „Free Territory of Trieste“ erklärt. Bis zur geplanten Einsetzung eines UNO-Gouverneurs wurde dieses Territorium in zwei Zonen getrennt verwaltet: die italienisch dominierte Zone A von Duino bis südlich von Muggia, wo heute die Grenze zu Slowenien verläuft, und die jugoslawisch dominierte Zone B im Anschluss daran. Nachdem die Einsetzung des UNO-Gouverneurs immer wieder scheiterte, wurden im Jahr 1954 die beiden Zonen Italien und Jugoslawien auch offiziell angegliedert.

      Von all diesen Wirren ahnt man nichts, wenn man heute auf der prächtigen Piazza dell‘ Unità d’Italia, der früheren Piazza Grande steht. Der Platz ist zum Meer hin offen und an den übrigen drei Seiten von prächtigen Gebäuden umrahmt. Die Häuser, welche den Platz vom Meer trennten, wurden in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts entfernt, was ihm erst die heutige „Grandezza“ verlieh.

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      Die Piazza dell' Unità d'Italia (2009)

      Dem Meer gegenüber steht die prächtige Fassade des Rathauses. Davor sprudelt seit 1750 ein Brunnen, der die damals bekannten vier Kontinente darstellt und an die von Maria Theresia veranlasste Wasserleitung für Triest erinnert. Hinter dem Rathaus landeinwärts steigt der Hügel von San Giusto an, auf dem die Kathedrale und die Festung thronen. Neben der Kathedrale findet man in einem aufgelassenen Friedhof ein Lapidarium, unter anderem mit dem Grabstein für Johann Winkelmann, dem Kunsthistoriker, der 1768 auf der Durchreise in Triest einem Raubüberfall zum Opfer fiel.

      An diesem Hang liegt der älteste Teil der Stadt, der erst in den letzten Jahrzehnten renoviert wurde. Nördlich der Piazza Grande, wo sich einmal die Salinen von Triest ausbreiteten, liegt die ehemalige Maria-Theresien-Vorstadt (Borgo Teresiano) mit dem rund 300 m langen Canale Grande, in dem die Segelschiffe auch bei rauer See be- und entladen werden konnten. Südlich der Piazza liegt der Borgo Giuseppino, benannt nach Kaiser Joseph II., der im Rahmen der zweiten Stadterweiterung im 18. Jahrhundert entstand.

      Heinrich Freiherr von Ferstel, auch Architekt einiger Palais und der Universität in Wien, plante den Palast des „Österreichischen Lloyd“ (des heutigen „Lloyd Triestino“) an der Südflanke der Piazza Grande, wo sich vorher der Fischmarkt befunden hatte, „in jenem sinnlosen und grundlosen Ringstraßenstil, der wie eine tote Sprache klingt. Ich habe einen alten ungarischen Pfarrer gekannt, der eine Vorliebe hatte, lateinisch zu reden. Gulasch essen und lateinisch reden. Und genau so wirkt dieser Bau. Und dann bin ich immer traurig, beim Lloyd“, klagte seinerzeit Hermann Bahr (1909, S. 12). Aber schön,