Wieland Barthelmess

HAT-SCHEPSUT: Das Geheimnis der Frau auf Ägyptens Thron


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Gesicht. „Aber auch nach dir …“ Unwillkürlich streckte sie ihre Hand aus, als ob sie Pharao über die Wange streicheln wollte. „Ich weiß doch, wie viel Ah-hotep dir bedeutet hat. Es tut mir aufrichtig leid, dass sie von uns gegangen ist.“ Erst jetzt sah sie den Affen auf Thot-moses Schulter. „Wo hast du das grässliche Tier her? Ist das etwa der Affe von Ah-hotep?“

      „Ja“, entgegnete der Thronfolger trotzig. „Und seit gestern Abend ist es meiner, denn Ah-hotep hat darauf bestanden, dass ich ihn von nun an haben soll. Nicht wahr, Hat-schepsut?“

      „Jawohl.“ Kurz erzählte das Mädchen von den Geschehnissen des Abends zuvor sowie von ihrem eigentümlichen Abschied von Ah-hotep. Niemand wagte es von da an mehr, die Entscheidung der göttlichen Ah-hotep anzuzweifeln, dass Thot-mose der Geeignete wäre, um auf den Affen Acht zu geben.

      „Nun, jedenfalls ist es immer günstig, die Ursachen von Luftverpestung nahe beieinander zu halten“, ließ sich Ahmes schließlich vernehmen. „Solch ein Tier stinkt doch gewaltig, wenn es nicht richtig gepflegt wird.“

      Thot-mose sah betreten zu Boden und war abermals den Tränen nahe. Mut-nofret tat so als hätte sie nichts gehört, setzte sich neben ihren Sohn und gab ihm einen Knuff in den Rücken, damit er gefälligst aufrecht sitze.

      „Ich danke dir, dass du gekommen bist, um dein Beileid auszusprechen“, sagte Pharao zu seiner Nebenfrau und drückte ihre Hand, während Ahmes’ Miene versteinerte. „Dein Sohn war auch so lieb, vorbeizuschauen, wie du siehst. Er hat mein trauriges Herz wahrhaft erwärmt.“

      „Wirklich?“, fragte Thot-mose überrascht.

      „Aber ja, mein Sohn. Das hast du wirklich.“

      Es klopfte ein weiteres Mal, dringlich und immer lauter werdend. Sit-Re öffnete. Die Königsmutter Seni-seneb stand in Tränen aufgelöst in der Tür. Ohne auch nur ein Wort zu sagen, lief sie auf Pharao zu, der aufstand und seine Mutter umarmte.

      „Wir haben unsere liebe Ah-hotep verloren“, flüsterte sie ihrem Sohn ins Ohr, als wagte sie nicht, das Unaussprechliche laut zu sagen. „Wo wären wir heute, wenn sie nicht gewesen wäre …“

      „Wahrscheinlich im Palastgarten, um Blumen zu pflanzen“, sagte Ahmes trocken. „Es konnte ja niemand vorhersehen, dass Pharao Amun-hotep keine Kinder zeugen würde, so dass man auf ein illegitimes Kind seines kleinen Bruders zurückgreifen musste.“

      „Aber heute wissen wir doch alle“, wandte Hat-schepsut ein, „dass es Gott Amun höchstselbst war, der sich des Körpers von Prinz Ah-mose Sa-pair bedient hat, um meinen Vater zu zeugen. Nicht wahr?“

      Der Oberpriester Hapu-seneb verneigte sich eifrig. „Es steht vollkommen außer Frage, dass dem so war. Pharao Thot-mose ist der leibliche Sohn Amuns. So wie der Thronfolger ebenfalls der Sohn dieses Gottes ist.“

      Ahmes beugte sich vor, um zu ihrem Stiefsohn Thot-mose hinüberzuschauen, während sie sich mit einem Tüchlein die Nase betupfte. „Tja, man glaubt es kaum. Aber offenbar sind die Götter auch nur Männer. Wenn sie der Hafer sticht, gibt es kein Halten mehr und sie besteigen das nächstbeste Weib.“

      „Kaum jemand sollte das besser wissen als du“, gab Pharao zurück. „War es doch Amun der zwei Söhne und zwei Töchter mit dir gezeugt hat.“

      „Nun, bei mir war es etwas ganz anderes. Über mich ist er nicht einfach hergefallen, sondern hat Gott Thot vorausgeschickt, um sein Kommen anzukündigen. Und er hat sich, wie es sich gehört, deines Körpers bedient, um unsere Kinder zu zeugen.“

      „Genauso wie er sich des Körpers meines Vaters Prinz Ah-mose Sa-pair bedient hat, um mich zu zeugen“, entgegnete Pharao.

      „Wohl wahr“, versuchte Ahmes das Gespräch zu beenden. „Doch hat er sich in deinem Fall für seine Lust keine der königlichen Damen ausgesucht und schon gar keine Gottesgemahlin, sondern eine Gärtnerstochter, die mit bloßen Händen in der Erde grub.“

      Seni-seneb wurde bleich. „Es war der weise Ratschluss des Gottes, der ihn mich als Mutter des Pharaos aussuchen ließ.“

      „Wohl wahr“, wiederholte sich Ahmes. „Aber es war die Weisheit Ah-hoteps, die aus deinem Sohn erst einen Herrscher geformt hat.“

      „Ihr seht“, versuchte Pharao, die verschiedenen Argumente zu einem positiven Schluss zusammenzufassen, „dass ein jeder von uns der großen Ah-hotep viel zu verdanken hat.“

      Dem Oberpriester Hapu-seneb war es halbwegs peinlich, Ohrenzeuge dieser eher familiären Unterhaltung zu sein. Also bat er darum, sich zurückziehen zu dürfen, gab es doch noch genügend vorzubereiten, um die Prinzessin als Gottesgemahlin des Amun einzusetzen.

      „Ja, auch ich habe noch zu tun“, schloss sich Pharaos Haushofmeister an und verneigte sich. „Die Einbalsamierer sind zu verständigen und wir müssen Briefe an unsere Freunde und Verbündete schreiben, die sie vom Ableben der Großen königlichen Gemahlin unterrichten.“

      Pharao winkte geistesabwesend, als er beiden gestattete, sich zu entfernen. Schnell leerte sich Hat-schepsuts Wohnung, während die beiden Leibwächter vor der Tür Stellung bezogen. Auch die Große königliche Gemahlin Ahmes verabschiedete sich, um auf die Einhaltung der Trauer im Palast sowie im ganzen Land zu achten. Außerdem musste eine ganze Armee von Herolden ausgesandt werden, um das Volk von Ah-hoteps Ableben zu informieren. Mut-nofret wies ihren Sohn Thot-mose darauf hin, dass er seiner dringend notwendigen Körperpflege noch nicht nachgekommen sei. Das Bad sei sicherlich schon längst vorbereitet und er wisse ja, wie wichtig es war, dass es heiß genommen werden musste. Schicksalsergeben drückte Thot-mose den Affen an sich und verabschiedete sich von Vater und Schwester. Auch Seni-seneb verneigte sich vor Sohn und Enkeltochter, um in den Tempel zu eilen, damit sie für Ah-hotep zu den Göttern beten könne. Wollte sie sich doch von niemandem nachsagen lassen, dass sie undankbar sei. Schließlich waren Vater und Tochter wieder allein.

      „Sobald du als Gottesgemahlin des Amun eingesetzt bist“, sagte Pharao zu Hat-schepsut, „wünsche ich, dass du an allen Besprechungen, Audienzen und Ratsversammlungen teilnimmst. Du wirst die täglichen Geschäfte eines Herrschers von Kemet kennen lernen. Du wirst erste Entscheidungen treffen und dich an die Verantwortung gewöhnen, die auf dich wartet.“ Zärtlich nahm er die Hand seiner Tochter in die seine. „Der Hofstaat ist loyal und wird dich, wo immer es nötig sein wird, unterstützen. Ich werde darauf achten, dass man dir den nötigen Respekt entgegenbringt. Um die Amun-Priester musst du dich jedoch selbst kümmern. Mach sie dir gewogen, sei eine gute Gottesgemahlin des Amun. Dann wird alles gut.“

      „Es wird alles gut“, entgegnete Hat-schepsut stolz. „Ich bin ebenso Amuns Tochter wie du sein Sohn bist oder mein zukünftiger Brudergemahl Thot-mose. Und ich werde einfach immer nur daran denken, was Ah-hotep an meiner Stelle getan hätte.“

      Gottesgemahlin des Amun

      Die siebzig Tage der Einbalsamierungszeit waren wie im Flug vergangen und Hat-schepsut hatte sie zu nutzen gewusst. Nach reiflicher Überlegung hatte sie sich entschlossen, den Palast der Gottesgemahlin doch zu beziehen. Es war Zeit, von dem Haremsgeschwätz fortzukommen und der ständigen Überwachung durch ihre Mutter, der Großen königlichen Gemahlin Ahmes, zu entrinnen. Wer im Harem lebte, hatte sowieso nichts zu sagen. „Sobald du kannst, musst du da raus“, hatte Ah-hotep ihr immer wieder eingeschärft, und so wollte Hat-schepsut die Gelegenheit nun auch wahrnehmen. Wenigstens war Thot-moses Wohnung gleich die erste im königlichen Palast, so dass sie gleichsam Tür an Tür leben würden. Vor zwei Jahren erst hatte man Thot-mose im dunkelsten Winkel des Palastes, in dem sich auch der Übergang zum Amun-Tempel befand, eine kleine Wohnung zugewiesen. Vielleicht würde ihre Lage sich nun sogar als Vorteil herausstellen. Denn zwischen die beiden Gebäude hatte man, wie es Hat-schepsut auszudrücken beliebte, den Palast der Gottesgemahlin hineingequetscht. Vielleicht, so überlegte Hat-schepsut, sollte man einen Mauerdurchbruch machen, um Thot-moses Wohnung direkt mit ihrem Palast zu verbinden. Aber das hatte alles auch später noch Zeit.

      Allein die Vorbereitung des so lange unbewohnt gebliebenen Gemäuers beschäftigte sie in