K. Krista

DNA


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ziemlich ergrauter, aber durchaus noch attraktiver Mann auf mich zukam und mich in korrektem Deutsch nach meinem Anliegen befragte.

      Ich erklärte ihm die Situation, die er mir zunächst nicht abnahm. Da ich ihm nichts von meiner Fähigkeit erzählen konnte und wollte, nur meine Familie und engste Freunde wissen von meiner Mutation, hielt er es doch für sehr unwahrscheinlich, dass es mir möglich war, ein solches Gespräch zu belauschen. Ich erklärte ihm, dass ich sehr geübt im Lippenlesen sei und mir deshalb sicher war, dass mit den beiden Herren etwas nicht stimmt. Nach langen Minuten konnte ich ihn endlich davon überzeugen, dass er die beiden von mir beschrieben Männer, die sich hoffentlich immer noch an dem Flugschalter befinden, zur Befragung in sein Büro bringen lässt.

      Ich wurde in einem anderen Raum weiter festgehalten und bereute schon fast, mich eingemischt zu haben und musste von dort aus zusehen, wie die Maschine nach München, ohne mich startete. Es dauerte beinahe zwei Stunden, bis der Flughafenleiter freundlich lächelnd wieder den Raum betrat, in dem ich warten musste.

      Wie sich herausstellte, hatte ich recht, im Handgepäck eines der Herren wurde eine Pistole, in kleinste Einzelteile zerlegt, entdeckt.

      Allerdings wäre eine Entdeckung der Waffe eher unwahrscheinlich gewesen, auch wenn sie nicht zerlegt worden wäre, da dieser Herr plötzlich einen Diplomatenpass vorlegte, der erst bei genauerer Untersuchung als Fälschung erkannt werden konnte. Der Flughafenleiter ging davon aus, dass die Männer wahrscheinlich vorhatten, den Check-in für VIPs zu benutzen und das Gepäck der Beiden wäre, ohne meinen Verdacht niemals kontrolliert worden.

      ZWEI

      Sehr geehrte Damen und Herrn, hier spricht ihr Flugkapitän, ich hoffe sie hatten einen angenehmen Flug, wir erreichen in wenigen Minuten den Franz-Josef-Strauß Flughafen in München. Ich wünsche ihnen einen schönen Tag. Im Namen der gesamten Crew bedanke ich mich bei ihnen und würde mich freuen, wenn sie uns bald wieder beehren.

      Gott sei Dank, endlich zu Hause.

      Mit vierstündiger Verspätung komme ich an. Leider konnte ich meine Eltern noch nicht telefonisch erreichen und sie von meinem späteren Eintreffen informieren. Kurz denke ich darüber nach, es noch einmal zu versuchen, lasse es jedoch bleiben, da ich nur einen kurzen Fahrtweg von 10 Minuten habe.

      Nachdem ich durch den halben Flughafen gelaufen bin, um endlich an mein Gepäck zu kommen ist eine gute halbe Stunde später ein Taxi schnell gefunden. Kurz habe ich es bereut, nicht auf meinen Vater gehört zu haben, der mir immer wieder predigt, erster Klasse zu fliegen. Nicht der Luxus von mehr Platz und besseres Essen wäre dafür ausschlaggebend, dies ist meinem Vater nicht wichtig, doch Personen der ersten Klasse vor allem mit VIP Status, den ich als Tochter und „Vielflieger“ von Thomas Arnold genieße, werden bevorzugt abgefertigt.

      Ich könnte schon seit einer halben Stunde im Taxi sitzen. Egal, die Freude, meine Eltern nach einer Woche Abwesenheit wieder zu sehen, ist riesengroß und die lasse ich mir nicht durch ein paar Minuten verlorene Zeit verderben.

      Schon als das Taxi in unsere Straße einbiegt bekomme ich ein beklemmendes Gefühl, das Atmen fällt mir schwer und mein Herz scheint sich zu verkrampfen. Noch denke ich über meinen irrationalen Zustand nach, da hält das Taxi vor meinem Elternhaus. Was ist hier geschehen?

      Fahrzeuge mit blinkendem Blaulicht, wohin das Auge reicht, uniformierte Polizisten unterhalten sich mit Personen in Zivilkleidung, am Ende unseres Grundstücks stehen zwei Krankenwagen. Es dauert nur den Bruchteil einer Sekunde, in der ich diese Situation aufnehme. Wie in Trance übergebe ich dem Fahrer des Taxis den geforderten Beförderungspreis und steige aus dem Fahrzeug. Langsam bewege ich mich auf den Eingang zu, niemand hält mich auf.

      Die Haustüre steht offen und ich betrete den Eingangsbereich, mein Blick fällt durch die geöffnete Wohnzimmertüre, auf zwei am Boden liegende Personen.

      Beinahe augenblicklich erkenne ich meine Mutter und meinen Vater, mein Entsetzen löst sich in einem Schrei und ich stürze ins Zimmer, werde jedoch von einem Mann aufgehalten, der mich festhält und gleichzeitig die umstehenden Personen wütend anbrüllt, wer mich hereingelassen hätte.

      Ich wehre mich, doch dem Mann gelingt es, mich aus dem Raum, in den Flur zurück zu drängen. Der Schock und mein Entsetzen lähmen mich derart, dass ich meine übermenschlichen Kräfte nicht einsetze. In jahrelangem Training und mit Selbstbeherrschung habe ich gelernt und es immer vermieden, meine Kräfte öffentlich zur Schau zu stellen, daran denke ich in diesem Moment jedoch nicht.

      Mein Entsetzen ist viel zu groß, ungläubig sehe ich den Mann vor mir an.

      >>Was ist hier geschehen<<, flüstere ich kaum vernehmbar.

      Kriminaloberkommissar Max Krämer, wie sich der Mann vorstellt, erklärt mir, mit ein-fühlsamer Stimme, dass die Spurenlage auf einen Raub hindeutet. Er winkt einen Arzt hinzu, der mir eine Spritze verabreicht, was ich willenlos über mich ergehen lasse.

      Noch immer weiß ich nicht, ob meine Eltern noch am Leben sind, allein bei dem Ge-danken, verkrampft sich mein Herz und ich bin nicht mehr in der Lage mich auf den Beinen zu halten. Das Letzte, das ich noch realisiere, bevor ich den Boden unter meinen Füssen verliere, ist dass der Kriminalbeamte mich auffängt.

      Ich weiß nicht, wie lange ich bewusstlos war. Als ich wieder zu mir komme, liege ich auf dem Sofa, in der Bibliothek meines Vaters und Kriminaloberkommissar Krämer sitzt neben mir, auf einem Stuhl.

      >>Sie waren kurz weggetreten<<, spricht er mich mit einer angenehm einfühlsamen Stimme an, der Anflug eines Lächelns umspielt seinen Mund.

      Mir ist sofort klar, dass mich eine schlechte Nachricht erwartet. Ich setze mich mit seiner Hilfe auf und sehe ihn fragend an.

      >>Sie sind Nicole Arnold, nicht wahr?<< Beginnt er mit seiner Befragung.

      >>Nennen sie mich Nicole<<, erwidere ich leise.

      >>Wie geht es meinen Eltern?<<

      Insgeheim kenne ich die Antwort bereits, ich habe Beide auf dem Boden des Wohnzimmers liegen sehen. Kein Arzt war in der Nähe um sie zu behandeln, woraus ich schlussfolgere dass es für jede Behandlung zu spät ist.

      Der Kriminalbeamte sieht mich traurig an und schüttelt nur mit dem Kopf.

      Diese Geste sagt mehr als tausend Worte. Die Bestätigung meiner Befürchtung droht mir beinahe wieder die Beine weg zuziehen, nur mit äußerster Selbstbeherrschung schaffe ich es, nicht wieder ohnmächtig zu werden. Der Schmerz über den so unerwarteten Tod meiner geliebten Eltern ist einfach zu groß, ohne dass ich es beeinflussen könnte, ja ohne, dass es mir bewusst ist, laufen Tränen über mein Gesicht. Erst als Kriminaloberkommissar Krämer mir ein Taschentuch reicht, registriere ich, dass er immer noch neben mir sitzt. Mit aller Kraft die mir noch zur Verfügung steht, atme ich tief durch, ich muss mich zusammen nehmen, jetzt ist nicht die Zeit für Trauer, ich muss wissen, was hier geschehen ist.

      >>Wie kommen sie darauf, dass es sich um einen Raub handelt<<, frage ich leise, aber einigermaßen gefasst nach.

      Kriminaloberkommissar Krämer führt mich zurück ins Wohnzimmer, wo meine Eltern inzwischen abtransportiert wurden und weist mich auf aufgebrochene Schubladen hin, er führt mich durchs Haus, jedes Zimmer ist verwüstet, Schränke aufgebrochen, Glas ist zerschlagen worden. Ich bin entsetzt über die Zerstörungswut, ich fühle mich beschmutzt, ja fast vergewaltigt angesichts des Chaos, das hier hinterlassen wurde.