diese Frage kann ich nicht beantworten.
Auch wenn ich eigentlich überhaupt keine Lust habe, mich zu unterhalten, und es ist egal, wer dran ist, nehme ich das Gespräch entgegen.
„Hi“, begrüße ich sie.
So gut es geht versuche ich mir meine schlechte Laune nicht anmerken zu lassen, die seit seiner Abfahrt Besitz von mir ergriffen hat. Doch Lana ist nicht umsonst meine beste Freundin. Sie kennt mich zu gut, sodass ich ihr auch nicht ausweichen kann. Und das ist mir bewusst. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie etwas merkt.
„Zieh dich an und dann werden wir etwas unternehmen, ich kann mir das nicht mehr länger mit ansehen. Langsam ist es wirklich genug. Die anderen wissen schon Bescheid, wir treffen sie am Pier. Und du brauchst überhaupt nicht mit Ausreden anzukommen. Das ist eine beschlossene Sache, wo du keine Chance hast, dich dieser zu entziehen.“
„Lana“, sage ich, obwohl ich die Entschlossenheit in ihrer Stimme höre und daher weiß, dass ich eigentlich überhaupt keine Chance habe. Dennoch versuche ich es. „Ich habe wirklich keine Nerven dafür. Macht ihr euch einen schönen Nachmittag und wir treffen uns in den nächsten Tagen“, schlage ich vor.
„Ihr hattet zwar eine Hochzeit in Las Vegas ohne uns, so ist er doch dein Ehemann und es ist normal, dass man den vermisst. Vor allem nachdem, was du mit angehört hast, ist es okay, wenn man den Kopf hängen lässt und von nichts und niemanden mehr etwas wissen will. Das kann ich verstehen, wirklich. Irgendwann wirst du mit ihm sprechen müssen, damit ihr das endlich klären könnt. Und du kannst mir glauben, dass ihr das bald machen müsst. Ich finde zwei Wochen Funkstille für ein frisch verheiratetes Paar nämlich sehr viel. Aber davor solltest du dir selber Gedanken über alles gemacht haben. Und das kannst du nur, wenn du den Kopf freihast. Wir wollen dir helfen. Ich bin mir sicher, dass er dich liebt und nicht glücklich darüber wäre, dich so zu sehen.“
Bei ihren Worten kommen mir die Tränen. In den letzten Wochen habe ich genug geweint, sobald er mir auch nur eine Nachricht geschrieben hat, sodass meine Augen mittlerweile geschwollen sind und schmerzen. Am Anfang habe ich sie noch gelesen. Ich hatte die Hoffnung, dass er mir schreibt, dass es ein Fehler war und er die Scheidung einreicht, und es mir so ein wenig leichter macht. Stattdessen stand in jeder Nachricht, wie sehr er mich liebt und dass er mir die Zeit geben will, die ich brauche. Das er mich aber nicht aufgeben wird. Aus diesem Grund habe ich sie irgendwann nur noch gelöscht.
„Okay“, willige ich ein, nachdem darüber nachgedacht habe.
Zum einen möchte ich mich wirklich mit meinen Freundinnen treffen. Ich habe keine Lust noch einen Tag länger in meinem Schlafzimmer zu verbringen. Zum anderen weiß ich aber auch, dass ich keine Chance gegen Lana habe. Wenn sie sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hat, zieht sie es durch. Auch wenn sie dafür herkommen muss, um mich zu holen. Und ich würde ihr zutrauen, dass sie genau das machen wird.
„Gut, dann bis gleich.“ Mehr sagt sie nicht, sondern legt einfach auf.
Ein paar Sekunden schaue ich mein Handy einfach an. Es zeigt mir Nachrichten an, die von Jax und meinem Bruder sind. Doch ich beschließe, dass ich sie erst lesen werde, wenn ich wieder zu Hause bin.
Um zu verhindern, dass Lana, Liana und Savannah doch noch hier auftauchen, stehe ich schnell auf, mache mich fertig und fahre zum vereinbarten Treffpunkt. Auch, wenn mir nicht danach ist.
Als ich dort ankomme kann ich meine Freundinnen bereits von weitem erkennen. Als ich registriere, wie ungeduldig sie sich nach mir umsehen überlege ich kurz, ob ich nicht einfach wieder verschwinden soll. Noch haben sie mich nicht entdeckt. Doch genauso schnell, wie mir dieser Gedanke gekommen ist, schiebe ich ihn auch wieder zur Seite.
Ich weiß nicht, ob Jax und ich nochmal wieder ein Paar werden. Da will ich meine Freundinnen nicht vor den Kopf stoßen.
Ein letztes Mal straffe ich die Schultern und atme tief durch. Dann setze ich mich in Bewegung und gehe auf sie zu.
Kaum haben sie mich bemerkt, kommen alle auf mich zu und schließen mich in ihre Arme. Fest umarmen sie mich und machen auch keine Anstalten, sich wieder von mir zu lösen. Ich muss zugeben, dass es mir guttut und mir auch einen Teil meiner Sorgen nimmt. Aber nur für einen kurzen Augenblick. Denn sofort schummelt sich Jax wieder in meine Gedanken.
„Ich bin mir sicher, dass es sich von ganz alleine regeln wird. Ihr wart ein süßes Paar, auch wenn Mason nichts davon wissen durfte. Und auch wenn ich ein wenig schimpfen muss, weil ich gerne bei der Hochzeit gewesen wäre.“ Savannah sieht mich halb mahnend und halb mitfühlend an.
„Waren?“, erkundigt sich nun Liana und betrachtet Savannah. „Das sind sie noch immer und werden es auch immer sein. Denn wie du schon so schön gesagt hast, es wird sich von alleine regeln. Die beiden gehören einfach zusammen.“
„Würdet ihr vielleicht aufhören euch so zu unterhalten, als würde ich nicht daneben stehen?“, frage ich und schaue sie nacheinander an.
„Entschuldige.“ Liana verzieht das Gesicht. Ich kann ihr das schlechte Gewissen ansehen, doch das muss sie nicht haben.
„Und könnten wir uns vielleicht über etwas anderes unterhalten?“, frage ich nun, bevor sie noch etwas zu diesem Thema sagen können.
Ich bin hier, um mich endlich mal mit etwas anderem zu beschäftigen. Etwas, was nichts mit meinem Ehemann zu tun hat. Auch wenn ich nicht sagen kann, ob mir das wirklich gelingt. Schließlich steht da noch immer dieses Problem zwischen uns und das gefällt mir überhaupt nicht.
„Klar“, erwidert Lana, wobei ich weiß, dass sie sich nicht sicher ist, ob es wirklich die richtige Antwort ist. „Ich dachte mir, dass wir vielleicht shoppen gehen und etwas essen. Die beste Medizin gegen alles.“
„Du kannst uns berichten, wie es zwischen dir und meinem Bruder läuft“, erwidere ich.
Frech grinse ich sie an. Es kommt mir so vor, als wäre es einfacher, mich mit den beiden zu beschäftigen, als mit meinen eigenen Problemen. Auch wenn ich mir sehr wohl darüber bewusst bin, dass die beiden wieder ganz schnell zu meinem Problem werden können, wenn es zwischen ihnen Streit gibt.
„Eigentlich gibt es da nicht sehr viel zu berichten.“ Lana entfernt sich ein paar Schritte und wartet darauf, dass wir ihr folgen. Erst dann spricht sie weiter.
„Das kann ich mir nicht vorstellen.“ Savannah ist nicht überzeugt. Und irgendwie bin ich auch das nicht.
„Es ist wirklich so. Seitdem er wieder weg ist, haben wir ein paar Mal miteinander telefoniert und geschrieben. Und nachher werde ich mich ja auch schon auf den Weg nach San Francisco machen für die nächsten Tage. Ich kann nicht sagen, wann wir uns treffen werden. Mason hat auch nichts gesagt, wann er das nächste Mal in Los Angeles ist.“
Lana zuckt mit den Schultern. Doch ich frage mich, ob sie wirklich so gleichgültig ist, wie es gerade den Anschein macht. Jedoch beschließe ich, dass ich nichts weiter dazu sagen werde. In gewisser Weise kann man nämlich festhalten, dass es zwischen den beiden genauso schwierig ist, wie zwischen Jax und mir. Falls ich nicht einfach viel zu übertrieben reagiert habe.
In den nächsten Stunden schaffen es meine Freundinnen, dass es mir etwas besser geht, als ich wieder nach Hause fahre. Allerdings nur etwas. Meine Hauptaufmerksamkeit liegt nämlich immer noch auf Jax. Und ich bin mir sicher, dass es auch noch eine Weile so sein wird, bis ich endlich mit ihm gesprochen habe. Doch das ändert nichts daran, dass ich es einfach nicht kann.
Irgendetwas hindert mich noch immer daran und das gefällt mir überhaupt nicht. Und das einzige, was mich daran hindert, ist wahrscheinlich die Gewissheit, dass ich nicht weiß, was eine Unterhaltung ergeben wird. Ich habe nämlich Angst davor, dass wir uns trennen.
Als ich vom Parkplatz fahre, überlege ich, wie ich so etwas am besten angehen könnte und vor allem, wann ich das am besten mache. Es wird keine leichte Unterhaltung werden, das steht fest. Genauso wie es keine schnelle Unterhaltung werden wird. Nein, es gibt so einiges, über das wir uns unterhalten müssen. Nur dafür gibt es keinen geeigneten Zeitpunkt, am Telefon möchte ich das auf jeden Fall nicht