– ich möchte es dir überlassen, ob du mit ihm in Kontakt treten und ihn kennenlernen möchtest.
Leb wohl, mein Charles!
Für immer die deine,
Suzanne
Die Adresse deines Sohnes:
Mathieu Charles Fontaine
Architecte paysagiste
Rue du midi 68
06190 Roquebrune-Cap Martin
Salomé ließ den Brief sinken und stieß die Luft aus, die sie unbewusst angehalten hatte. In ihrem Kopf arbeitete es. Ihr Vater hatte noch einen Sohn? Von einer Suzanne? Wusste ihre Mutter davon? Wer war diese Frau? Warum hatte er sie verlassen? Wie alt war dieser Sohn? Es gab also noch einen Bruder. Halbbruder, korrigierte sie sich automatisch. Ihre Gedanken rasten. Was würde Philippe dazu sagen? Würde dieser neue Bruder eine Rolle in der Bank spielen? Würde er alles zerstören?
Plötzlich schwindelig, lehnte sie sich kraftlos gegen die Tischkante. Sie ermahnte sich, Ruhe zu bewahren, und atmete tief ein und aus, bis sich ihr Puls beruhigt hatte. Dann begann sie in der ihr eigenen Art, die Sache rational zu durchdenken.
Er hieß Mathieu und lebte hier in Roquebrune, war Landschaftsarchitekt ... Hm, die Wahrscheinlichkeit, dass er für die Bank arbeiten wollte, war vermutlich gering.
Stirnrunzelnd wiederholte sie seinen Namen: Mathieu, Mathieu Fontaine ... und schlagartig fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Ihr neuer Bruder Mathieu war Julias Mathieu! Mathieu, der Gärtner! Unfassbar! Salomé konnte nicht verhindern, dass ihr bei dieser Erkenntnis ein keuchender Laut entfuhr, der im leeren Zimmer widerhallte. Erschrocken blickte sie zur Tür, aber nichts tat sich.
Mathieu Fontaine war ihr Bruder! Sie hatte ihn bisher nur kurz gesehen, und da war er mit Erde beschmiert gewesen und hatte auch nur Augen für Julia gehabt. Je weiter sie den Gedanken vertiefte, desto offensichtlicher wurde, welche Tomaten sie auf den Augen gehabt hatte! Wie ähnlich Mathieu ihrem Vater sah. Dieselbe Kinnpartie. Dieselbe maskuline, selbstbewusste Ausstrahlung. Unglaublich, wie ihr das entgangen war. Unvermittelt freute sie sich darauf, Mathieu näher kennenzulernen. Ob er ihr auch ähnlich war? Ein erstauntes Glucksen entwich ihr, als ihr aufging, dass Julia vielleicht ihre Schwägerin werden würde. Oder wäre das dann auch nur Halbschwägerin?
Dann kappte schlagartig ein bitterer Gedanke ihre Träumerei. Falls ihre Mutter bislang keine Ahnung von dem weiteren Sohn ihres Mannes hatte, wie verletzt würde sie sich fühlen, wenn sie es nach all den Jahren herausbekam? Arme Maman!
Ein Geräusch von draußen ließ sie zusammenfahren. Sie hörte Schritte im Gang. Durch den Türspalt erspähte sie Pierre, der sie allerdings nicht bemerkt hatte und am Arbeitszimmer vorbeiging. Sie entspannte sich.
Achtsam legte sie den Brief wieder so auf den Tisch, wie sie ihn vorgefunden hatte. Am liebsten hätte sie das Schreiben kopiert und in Ruhe auf ihrem Zimmer noch einmal durchgelesen. Aber das wagte sie nicht.
Um ihre Spuren zu verwischen, entstöpselte Salomé sogar rasch das Handy und legte das Kabel zurück an seinen Platz. Dann schlich sie aus dem Arbeitszimmer, dessen Tür sie geräuschlos schloss. Äußerlich gelassen, arbeitete es in ihr weiter. Da gab es noch einiges zu klären. Eine leise Furcht, was diese Entdeckung für ihre Familie bedeuten könnte, griff nach ihr. Salomé seufzte. Sie war ein optimistischer Mensch. Es würde alles gut gehen. Fest stand nur: Dieser Sommer war in jeder Hinsicht bisher anders als die vorausgegangenen.
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