Dieter Aurass

Verborgen


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hatte aus einem Schuppen an der riesigen Doppelgarage sein Gartengerät zu holen. Dann war der Poolreiniger erschienen, der ebenfalls seine Utensilien aus dem Schuppen zusammensuchte und an den Pool brachte. Die beiden hatten gerade mit ihrer Arbeit begonnen, als er von seinem Smartphone das Signal gab, welches die Audiodatei auf dem versteckten Gerät startete.

      Wenige Sekunden später erscholl aus Richtung der Hecke ein infernalisches Kreischen von Gummireifen auf Asphalt und kurz darauf ein noch viel lauteres metallisches Krachen, Scheppern und zum Abschluss eine donnernde Explosion. Er erschrak nur deshalb nicht, weil er die Audiodatei kannte und genau wusste, was da ertönte.

      Die beiden Männer im Haus waren hingegen total geschockt.

      »Leck mich fett«, schrie der Poolreiniger, »wassen da passiert? Da is aber ordentlich was in die Luft geflogen!« Der Gärtner starrte ihn mit offenem Mund an und nickte heftig.

      Da die Hecke an der Stelle, von der das Geräusch gekommen war, dicht geschlossen und zwei Meter hoch war, verschwendeten beide keinen Gedanken daran, dorthin zu laufen und zu versuchen, hindurchzusehen. Stattdessen eilten sie, so schnell sie konnten zum Gartentor, stürmten hindurch und bogen um die nächste Ecke, um den vermeintlichen Unfall zu sehen.

      Die ihm zur Verfügung stehende Zeit war ausreichend gewesen, um ungesehen durch die offene Gartenpforte zu schlüpfen und danach durch die Innentür der Garage in das Haus zu gelangen. Nach einigem Suchen hatte er im Obergeschoss das Schlafzimmer der Ehefrau gefunden, was er an dem Schminkspiegel und dem Schränkchen davor unschwer erkannt hatte. Die vielen Fläschchen, Tiegel, Cremes, Bürsten, Pinzetten und Gerätschaften, deren Bedeutung ihm größtenteils unbekannt waren, hätten einer Parfümerie gut zu Gesicht gestanden.

      In dem riesigen begehbaren Kleiderschrank hatte er es sich auf dem Teppichboden bequem gemacht. Er war davon ausgegangen, dass weder der Poolreiniger noch der Gärtner hier etwas verloren hatten, und hatte sich deshalb ausreichend sicher gefühlt. Das hatte allerdings dazu geführt, dass er mangels Beschäftigung immer müder geworden und schließlich eingeschlafen war.

      Als er vor wenigen Augenblicken wach geworden war, war es stockdunkel. Einen kurzen Moment lang war er so verwirrt, dass er nicht wusste, wo er war. Als ihm das ganze Geschehen um sein Eindringen in dieses Haus wieder einfiel, schaltete er sein Smartphone ein und sah die Uhrzeit: 03:40 Uhr!

       Du meine Güte! Ich habe ja die meiste Zeit verschlafen. In anderthalb Stunden setzt schon die Dämmerung ein.

      Er überlegte gerade, wie er nun am besten vorgehen sollte, als er das Geräusch hörte. Es war nicht laut, aber das scheppernde Klirren erinnerte ihn an das Zerspringen einer Vase oder Glasschüssel auf einem harten Steinboden.

       Verdammt, ich bin nicht allein!

      Kapitel 3 - die Angestellte

      Es gelang ihr einfach nicht, ihre zitternden Hände unter Kontrolle zu bringen.

       Warum muss ich mein großes Schandmaul aber auch immer so weit aufreißen.

      Vor ihrer besten Freundin Sylvia hatte sie geprahlt, dass sie sich das nicht bieten lassen würde, dass sie sich rächen würde und das ihr angetane Unrecht gebüßt werden würde. Jetzt gab es keinen Weg mehr zurück.

       Verdammt. Scheißegal, da muss ich jetzt durch.

      Sie blickte durch die dichte Hecke über die große Wiese genau auf die Terrasse und die dort befindliche Terrassentür. Links von der Tür befand sich das Tastenfeld, in dem der Code für die Entsperrung der Alarmanlage eingegeben werden musste, wenn man von außen die Tür öffnen wollte. Sie hoffte, dass die Familie diese Nummer nicht geändert hatte, seit sie nicht mehr im Dienst der Helmholtz´ stand. Obwohl sie öfter als einmal die Alarmanlage ausgeschaltet hatte, wusste sie nicht mehr, ob es einen Bewegungsmelder im Garten gab, oder ob vielleicht beim Überqueren des Rasens plötzlich Scheinwerfer angehen würden. Vor einer Minute war die Straßenbeleuchtung rund um das Anwesen der Helmholtz ausgegangen, was ihr Eindringen in das Grundstück durch die nun vorherrschende Dunkelheit wesentlich erleichterte. Sie betete, dass es nicht gerade dann wieder anging, wenn sie über den Zaun vor der Hecke stieg.

       Na ja, selbst wenn, um diese Uhrzeit ist doch keine Sau mehr auf der Straße und Schichtarbeiter, die mitten in der Nacht aufstehen müssen, wird es in dieser Gegend auch nicht allzu viele geben, oder?

      Zumindest was ihre Kleidung anging, hatte sie ein wenig überlegt, bevor sie den Plan gefasst hatte, heute Nacht in die Villa einzubrechen. Sie hatte einen bequemen Jogginganzug und Laufschuhe angezogen - den dunkelsten Anzug, den sie hatte. Ihren Haarschopf hatte sie unter einer dunkelblauen Skimütze versteckt.

       Als ob mir einer abkaufen würde, dass ich um halb vier Uhr morgens am Rhein jogge - lächerlich.

      Mühsam überstieg sie den Zaun und musste sich wieder einmal eingestehen, dass es einen Fehler darstellte, in ihrem Alter von gerade mal achtundzwanzig Jahren keinerlei Sport zu treiben. Die Zeit dazu hätte sie gehabt, denn seit ihrem Hinauswurf bei der Familie Helmholtz hatte sie keinen Job mehr bekommen können. Sie hatte sogar schon in Erwägung gezogen, den Großraum Koblenz zu verlassen, aber dank ihres ehemaligen Arbeitgebers hatte sie leider eine nationale Berühmtheit erlangt - wenn man die vernichtenden Artikel über sie in der Klatschpresse als ›Berühmtheit‹ bezeichnen durfte.

      Ihre Kiefer mahlten fast schmerzhaft aufeinander, als sie sich an die Ungerechtigkeit erinnerte, die ihr widerfahren war. Sie hasste die Familie Helmholtz mit einer Inbrunst, die ihr die notwendige Kraft gab, sich über den Zaun zu schwingen und den Mut, von oben in den schmalen Spalt zwischen Zaun und Hecke zu springen. Als Nächstes suchte sie eine Lücke, durch die sie in den Garten gelangen konnte, was sich schwieriger gestaltete, als sie gedacht hatte. Erst nach einigen Metern gelangte sie an eine Stelle, die den Eindruck machte, als könne man sich durch sie durch die Hecke schlängeln.

      Wieder war es ihre Wut und die Aussicht auf Rache, die sie befähigten, sich durch die bei weitem nicht ausreichend große Lücke zu pressen, wobei sie in Kauf nahm, dass Äste ihre unbedeckte Haut zerkratzten.

      Scheiß drauf, es wird sich sicherlich lohnen, dachte sie zornerfüllt. Zorn auf die Hecke, Zorn auf ihre ehemaligen Arbeitgeber und letztendlich Zorn auf das Schicksal, das ihr so übel mitgespielt hatte.

       Ich bin … keine … Lesbe! Und ich habe … nichts … Falsches … getan!

      Immer und immer wieder gingen ihr diese beiden Aussagen wie ein Mantra durch den Kopf, als wolle und müsse sie sich selbst davon überzeugen, indem sie es sich lautlos vorsagte. Egal was in der Klatschpresse stand, egal was das halbe Land von ihr dachte. Was die Familie ihr angetan hatte, musste richtiggestellt und gesühnt werden. Eine Zeitlang hatte sie Mordgedanken gehegt. In allen Farben und Variationen hatte sie sich vorgestellt, wie sie das Ehepaar leiden lassen würde, wie sie die beiden erniedrigt und sie anschließend erstochen, erschossen, erwürgt oder qualvoll vergiftet hatte.

      Aber die Realität hatte sie immer wieder eingeholt. In Form von Absagen bei der Suche nach einem neuen Job, in Form von auflauernden Paparazzi oder Reportern und anschließenden neuen Berichten in der Presse und in Form von Schulden, Gerichtsvollziehern und schließlich sogar der Kündigung durch ihren Vermieter. Inzwischen war sie so weit unten angekommen, dass sie keine Angst mehr vor einem sozialen Abstieg haben musste - es ging nicht weiter nach unten!

      Das war der Punkt gewesen, an dem sie sich zum Handeln gezwungen sah. Sie hatte sich entschlossen, in der Villa dieser beiden verkommenen Lügner und Betrüger nach Beweisen für ihre Unschuld zu suchen. Der große Artikel in der gleichen Presse, von der sie so erfolgreich in den Abgrund gestoßen worden war, hatte den Ausschlag gegeben:

      »Das Supermodel, der Manager-Vater und das Familientreffen in Florida!«

      Zwei Wochen würde die Villa verwaist sein. Das sollte reichen, um das Unterste nach oben zu kehren und zu finden, was sie finden musste - auch wenn sie noch keine genaue Vorstellung davon hatte,