Zukunft seht ihr mich hoch zu Roß auf meiner Harley. Und du, allerliebste Susi, darfst als Erste mitfahren.« Von hinten drängte sich Marco immer dichter an sie heran. Sein Atem strich über ihren Nacken. »Susi glaub es mir, ich finde dich wirklich sehr sympathisch. Erwiderst du meine Gefühle wenigstens ein klein bisschen?« Traurig stand er mit hängenden Schultern neben ihr. Schon wollte sie ihm eine freundliche Antwort geben, da sah Susi ihm in die Augen. Dieser Heuchler! In diesem Blick stand alles andere geschrieben als Enttäuschung.
»Versuchst du, jedes Girl mit diesen Versprechungen anzubaggern? Ich bin nicht besonders scharf auf eine gemeinsame Fahrt mit dir. Harley hin oder her.« Fieberhaft suchte sie nach einer Möglichkeit, Marcos Aufdringlichkeit zu entrinnen. Aber Susi sah niemanden, den sie in ein Gespräch verwickeln konnte. Alle konzentrierten sich auf den Wagen und Kai.
»Der Motor dreht auf wie eine Rakete«, fuhr Kai fort und redete sich immer mehr in rage. »Es fehlt nur noch der Turbolader, aber was nicht ist, kann noch werden. Eine Probefahrt fällt für heute flach, die zusätzlich bestellten vier Sitzreihen sind leider nicht rechtzeitig eingetroffen.« Seine Freunde fielen in das laute Wehklagen ein. Kai schloss den Wagen wieder ab.
»Jetzt aber nichts wie ab ans kalte Buffet«, rief Tobias. »Wer zuerst ankommt, kriegt die dicksten Würstchen.«
Übergangslos war das Fahrzeug vergessen. Sie eilten zurück ins Wohnzimmer.
»Komm Susi, ich hole dir etwas zu essen. Allerdings sollten wir warten, bis der erste Andrang abgeklungen ist.« Unermüdlich umschwärmte Marco sie. Vertraulich ergriff er ihre Hand und zog sie hinaus in den Flur.
»Ich bin kein Kleinkind. Was soll das?« Verärgert riss sie sich los, und funkelte ihn wütend an.
»Entschuldige, wenn ich persönlich werde. Ist mit Absicht.« Offensichtlich beeindruckte ihn die Abfuhr nicht. Er grub in den Taschen seiner Jacke und holte ein Päckchen hervor.
»Verehrte Susi, darf ich dir diese Aufmerksamkeit überreichen? Zu schönen Girls gehört auch ein entsprechendes Outfit.«
Er drückte ihr das Geschenk in die Hand. Bevor Susi reagieren und es ihm zurückgeben konnte, vergrub er seine Hände in den Hosentaschen. Unsicher befühlte sie das Päckchen. Es fühlte sich leicht und weich an.
»Ich kann das Geschenk nicht annehmen. Falls du dir Hoffnungen auf eine Freundschaft machen solltest ...« Verlegen stand sie da. Was sollte sie nur mit diesem Präsent anfangen?
»Es ist für dich. Lange Zeit bin ich durch die Geschäfte gelaufen, immer in Gedanken an dich, und suchte nach etwas Außergewöhnlichem.«
Susi blieb nichts anderes übrig, als das Geschenk anzunehmen. Eine Szene wollte sie auf keinen Fall machen. Schließlich war es Kais Geburtstagsfeier. Fieberhaft suchte sich nach ein paar passenden Worten.
»Also, dann vielen Dank auch, Marco.«
»Ist gern geschehen. Bekomme ich einen Kuss?« Erwartungsvoll streckte Marco ihr die Lippen hin und schloss in sehnsüchtiger Erwartung die Augen.
Susi stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste Marco flüchtig auf die Wange. Angeekelt wischte sie sich danach mit dem Handrücken über ihre Lippen, in der stillen Hoffnung die Rückstände des Rasierwassers so zu entfernen.
»Schade, ich meinte eigentlich einen richtigen Kuss.« Marco blickte sie enttäuscht an.
»Die ersten Gäste haben sich vom Buffet verzogen.« Susi versuchte so gut wie möglich, von dem verfänglichen Thema abzulenken. Soweit kam es noch! »Ich gehe jetzt und hole mir etwas. Wie ist es mit dir?«
Das Geschenk stopfte sie in ihre Hosentasche. Während sie die verschiedensten Salate auf ihren Teller häufte, überlegte sie fieberhaft, wie sie das kleine Päckchen am schnellsten wieder los wurde.
Auf der Suche nach einem Sitzplatz streifte ihr Blick den Gabentisch. Dutzende von Glöckchen läuteten übergangslos in ihrem Kopf.
Rasch warf sie einen Blick in die Runde. Alle Besucher waren beim Essen oder unterhielten sich. Marco stand noch vor dem Buffet und wählte zögerlich von den angebotenen Delikatessen aus. Unauffällig näherte sie sich dem Tisch und schmuggelte das Präsent dazwischen. Erleichtert atmete sie auf, keiner hatte etwas bemerkt.
Beruhigt, das Geschenk gut entsorgt zu haben, begann Susi zu essen. Nun schmeckte es ihr endlich.
Schließlich hielt Kai es nicht länger aus. Er erhob sich und blickte in die Runde.
»Esst ruhig weiter. Ich nutze die Gelegenheit und packe die Geschenke aus.«
Er begab sich unter den aufmerksamen Blicken der Gästeschar zum Gabentisch. Nachdenklich stand er da unschlüssig, wo er anfangen sollte.
»Enemenemu, und raus bist du.« Er legte einzelne Pakete beiseite. Am Schluss blieb ein kleines, flaches Etwas übrig, das er ergriff.
»Nun mach schon«, rief Benny. Die anderen pfiffen und klatschten zustimmend, während er das Papier aufriss.
Kai hielt das Geschenk hoch, eine CD mit seiner Lieblingsband. Nacheinander wickelte er die Präsente aus und bedachte sie mit liebenswerten Kommentaren.
Susi saß ganz weit hinten. Mit Schrecken dachte sie an ihr Päckchen, das dazwischen lag. Ein rascher Blick zeigte ihr, dass Marco in einer anderen Ecke saß.
»Oh, dieses Päckchen fühlt sich weich an. Das ist wohl der versprochene Schal für den Winter?«
Alle schwiegen, ihre Geschenke waren schon ausgepackt. Was kam jetzt? Der erste Stoffzipfel erschien in Lachsrosa.
»Kein Schal. Schade. Und diese Farbe, die steht mir doch gar nicht.« Kai schüttelte den Kopf und riss den letzten Fetzen Papier ab. Vor den Augen der verblüfften Besucherschar entfaltete sich ein hauchdünnes, spitzenbesetztes Top.
»Was ist denn in euch gefahren? Wer geht davon aus, dass ich solche Unterhemden trage?« Kai hielt das Top mit Fingerspitzen fest, als ob es giftig wäre. In seinen Augen zeichnete sich Überraschung ab, und seine Gesichtsfarbe wurde immer blasser.
»Damit ihr nicht anfangt, auf dumme Gedanken zu kommen. Ich bin nicht falsch gepolt. Mareike kann das bezeugen.«
Während Kai unter dem Gelächter der Anwesenden das Top schnell unter dem Papierhaufen verschwinden ließ, sah Susi hinüber zu Marco. Dieser starrte sie wütend an. Sein Mund zuckte, als ob er etwas sagen wollte, doch dann drehte er sich um und schwieg.
»Dieses Geschenk scheint eindeutig für eine weibliche Person bestimmt zu sein. Mareike freut sich garantiert.«
Als Susi ein paar Minuten später zu Marcos Sitzplatz sah, entdeckte sie ihn nicht mehr. Diese ruppige Abfuhr war wohl zu viel für ihn gewesen. Den ganzen Abend dachte Susi an Marco. Obwohl sie ein nicht ganz reines Gewissen hatte, war sie doch darüber erleichtert, dass er gegangen war.
*
Am Sonntagmorgen sah das Wohnzimmer sehr nach einem Schlachtfeld aus. Kai griff sich einen klebrigen Stuhl und wischte ihn mit einem feuchten Lappen ab. Susi sammelte eifrig die Fetzen der Girlanden vom Teppichboden auf.
»Die Fete war echt toll. Aber diese Aufräumarbeiten danach, das bringt keinen Spaß.« Susi strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn. »Es ist unglaublich, wie viel Dreck und Unordnung nach einer solchen Feier zurückbleibt.«
»Dafür hatten wir unseren Spaß. Hast du eigentlich eine Ahnung, warum Marco ohne ein Wort gegangen ist?« In seiner Arbeit innehaltend sah er seine Schwester an. »Vielleicht kannst du mir auch erklären, warum dieses lachsrote Etwas auf meinem Gabentisch lag?« Susi musterte aufmerksam ihren Bruder. Offensichtlich hatte Kai sie schon längst durchschaut.
»Ja, ich weiß, warum Marco unauffällig verschwand. Er schenkte mir dieses Top, und ich wollte es nicht. Da habe ich es zu deinen Geschenken gelegt.«
»Was hat dir Marco getan, dass du so unhöflich zu ihm bist? Marco muss tief enttäuscht sein, sonst wäre er nicht so früh gegangen.«
»Ich habe ihm mehr als einmal gesagt,