sie vom Ross ihn brachten
[164]Zu einer Kemenaten.
Da hört' er Alle rathen:
»Laßt den Harnisch von euch thun,
Daß sich die müden Glieder ruhn.«
5Sie entwappneten ihn insgemein.
Als sie die rauhen Ribbalein
Und die Thorenkleider sahen,
Da erschraken, die sein pflagen.
Mit Scheu ward es am Hof gesagt;
10Der Wirth war schier vor Scham verzagt.
Ein Ritter sprach mit höfscher Zucht:
»Gleichwohl, so edle Frucht
Ersah nie meiner Augen Licht;
Er hat, was Glück und Heil verspricht,
15In reiner hoher süßer Art.
Wie ist so der Minne Stolz bewahrt?
Mich jammert immer, daß ich fand
An der Lust der Welt so schlecht Gewand.
Wohl doch der Mutter, die ihn trug,
20Der aller Gaben hat genug.
Sein Helmschmuck ist wohlgethan,
Die Rüstung stand ihm herlich an,
Eh wir sie niederbanden,
Und von Quetschungen fanden
25Manche Schramme roth von Blut,
Die an sich trug der Knappe gut.«
Zu dem Ritter sprach der Wirth: »Gieb Acht,
Ein Weib gebot ihm diese Tracht.«
»Nein Herr, er hat noch solche Sitten,
Er wüste wohl kein Weib zu bitten,
[165]Ihn zum Diener zu erwählen;
Sonst möcht ihm nichts zur Minne fehlen.«
Der Wirth sprach: »Laßt uns zu ihm gehn,
Und seine fremde Tracht besehn.«
5Die Herren gingen hin zu Stund
Und fanden Parzivalen wund
Von einem Sper; der blieb doch ganz.
Sein unterwand sich Gurnemans.
Der war solch ein Unterwinder,
10Daß ein Vater seine Kinder,
An Treue Theil zu haben,
Nicht beßer könnte laben.
Seine Wunden wusch und band
Ihm der Wirth mit eigner Hand.
15Nun war auch aufgelegt das Brot.
Des war dem jungen Gaste Noth:
Hungrig war er überaus.
Nüchtern war er Morgens aus
Geritten von dem Fischersmann.
20Die er vor Nantes dann gewann,
Die Wunde, und der Harnisch schwer,
Macht' ihn müd und hungrig noch viel mehr,
Dazu die weite Tagereise
Von Artus dem Bretaneise,
25Wo man ihn allwärts fasten ließ.
Der Wirth ihn mit sich eßen hieß;
Da mocht erlaben sich der Gast:
In den Gaumen schob er solche Last,
Viel Speise ward zu nicht gemacht.
Des hatte doch der Wirth nicht Acht:
[166]Ihn ermahnte stäts aufs Neue
Gurnemans der Vielgetreue,
Daß er wacker äße
Und der Müdigkeit vergäße.
5Man hob den Tisch hinweg zur Zeit.
»Ich wette, daß ihr schläfrig seid;
Ihr wart früh auf am Morgen doch.«
»Meine Mutter, Gott weiß, schlief wohl noch,
Sie pflegt nicht früh zu wachen.«
10Der Wirth begann zu lachen
Und führt' ihn zu der Schlafstatt hin:
Da bat er ihn sich auszuziehn;
Er thats nicht gern, doch must es sein.
Von Härmelin ein Laken fein
15Bedeckte seinen bloßen Leib;
Nie gebar so werthe Frucht ein Weib.
Wie ihn Schlaf und Müde lehrte,
Auf die andre Seite kehrte
Sich der Held nicht manches Mal;
20So lag er bis zum Morgenstral.
Der edle Fürst gebot bei Zeit,
Daß ein Bad ihm wär bereit
Vor dem Teppich, wo er lag,
Eh höher stiege der Tag.
25Also must es Morgens sein;
Viel Rosen warf man ihm hinein.
Ob Niemand ihn bei Namen rief,
Der Gast erwachte, der da schlief:
Der werthe, süße Jüngling
In die Kufe sitzen ging.
[167]Ich weiß nicht, wer sie darum bat:
Jungfraun in reichem Staat
Und von Ansehn minniglich
Kamen zu ihm sittsamlich:
5Die wuschen ihm und strichen sanft
Seiner Quetschungen Ranft
Mit blanken linden Händen.
Das durft ihn nicht befremden,
Dem Witz noch wenig Hülfe bot.
10Also trug er Freud und Noth
Und entgalt der Einfalt nicht bei ihnen,
Da ihn mit holden Mienen
Jungfrauen so hantierten.
Wovon sie parlierten,
15Zu Allem schwieg er stille fein,
Es dürft ihm doch zu früh nicht sein:
Denn sie schienen wie ein zweiter Tag.
Als so ihr Schein im Wettstreit lag,
Da löscht' er selbst das Doppellicht:
20Versäumt an Weiße war er nicht.
Sie boten ihm ein Laken dar;
Doch nahm er des mit Nichten wahr.
So konnt er sich vor Frauen schämen:
Er wollt es nicht vor ihnen nehmen.
25Die Jungfrauen musten gehn,
Sie durften da nicht länger stehn.
Sie hätten gern vielleicht gesehn,
Ob tiefer ihm was wär geschehn.
So getreu ist Weiblichkeit,
Des Freundes Schaden ist ihr leid.
[168]Da schritt der Gast ans Bett und fand
Für sich bereit schön weiß Gewand.
Von Gold und edler Seide fein
Einen Hosengürtel