Emmi Ruprecht

Drei Jahre später


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er fast wie ein Lehrer, der seiner wenig bemittelten Schülerin erklärt, wie sich die Welt dreht. Erstaunlicherweise lässt Ulla das klaglos über sich ergehen und hört ihm einfach nur zu.

      „Vermutlich sind das die Qualitäten, die Matthias an ihr schätzt, dass er stundenlange Vorträge halten und dabei das Gefühl haben darf, dass sich jemand dafür interessiert“, denkt Monika bissig. Dann schüttelt sie den Kopf. Geht das schon wieder los? Kann sie nicht einmal etwas Nettes denken?

      Doch als Matthias damit beginnt, Ulla die sanitären Einrichtungen zu erklären, findet Monika, dass sie eingreifen sollte.

      „Sag mal Matthias, findest du nicht, dass Ulla das alles vor Ort selbst viel besser entdecken kann?“

      „Gute Idee“, pflichtet Elli ihr bei. „Ich will jetzt auch unbedingt ankommen!“

      Damit drückt sie ihre Zigarette aus, die sie sich eben angezündet hat. Trotz Monikas ausdrücklicher Versicherung, dass es ihr nichts ausmache, wenn Elli im Auto rauche, hat diese sich nicht dazu überwinden können, ihre nichtrauchende Mitfahrerin mit Zigarettenqualm zu belästigen, wofür Monika ihr heimlich dankbar ist. Deshalb musste Elli eben dringend die Gelegenheit für ein Rauchopfer nutzen, was ihr einen mitfühlenden Blick ihrer Freundin einbringt.

      „Also ich fahre jetzt los. Wer kommt mit?“, ruft Elli und reißt die Fahrertür ihres Autos auf.

      „Halt! Nimm mich mit!“, schreit Monika lachend und läuft auf die Beifahrerseite zu.

      Das ist auch das Stichwort für Matthias und Ulla, sich in Bewegung zu setzen.

      „Tolle Hose“, murmelt Elli, als sie beide im Auto sitzen und das letzte kleine Stückchen Weg zum Gut im Konvoi mit Matthias und Ulla zurücklegen. Missbilligend schüttelt sie den Kopf.

      „Ist mir so rausgerutscht“, gibt Monika zu.

      Doch dann entdeckt sie ein Funkeln in Ellis Augen. Wie auf Kommando prusten beide los und können sich kaum wieder einkriegen! Monika merkt, wie sehr ihr diese Albernheiten gefehlt haben. Nun freut sie sich noch mehr auf diese Woche, in der sie mit Elli und Julie sicher noch manches Mal Gelegenheit haben wird, von Herzen zu lachen. Das wird ihr guttun und sie ablenken!

      Herrlich! Endlich ist sie wieder da!

      +

       Carola und Maik

      Der schlanke, attraktive Mann mit den kurzen dunklen Haaren ist bester Laune. Er sitzt am Steuer seines anthrazitfarbenen Kombis und freut sich auf den vor ihm liegenden Urlaub. Am liebsten würde er fröhlich vor sich hin pfeifen, doch dann würde er seine Frau wecken, der auf dem Beifahrersitz gerade die Augen zugefallen sind.

      Prüfend wirft er einen Blick zur Seite, ob sie immer noch schläft. Dabei fällt ihm wieder einmal auf, wie hübsch sie ist: blonde lange Haare, ein ebenmäßiges Gesicht, eine schlanke, aber dennoch sehr weibliche Figur. Selbst jetzt, wo sie tief in Träumen versunken ist, wirkt sie perfekt, wie dahin gemalt oder drapiert für ein Werbefoto von einer schlafenden Schönheit, mit dem die Marketingabteilung des Autoherstellers den Reisekomfort des Kombis unterstreichen möchte.

      Zufrieden schaut Maik wieder nach vorn auf die Straße. Auch wenn er manchmal daran zweifelte, wenn seine Ehe schwierige Momente erlebte: Er hat doch eine gute Wahl getroffen vor achtzehn Jahren! Carola war schon damals, als sie sich kennenlernten und sie gerade zweiundzwanzig Jahre alt war, eine bildschöne Frau, die bei vielen Männern Begehrlichkeiten weckte. Doch jetzt, mit vierzig, ist sie fast noch schöner und Maik muss zugeben, dass er mächtig stolz darauf ist, so eine Frau an seiner Seite zu haben!

      Dabei ist er sich durchaus dessen bewusst, dass er mit seinen siebenundvierzig Jahren optisch ebenfalls eine Menge bietet. Er weiß genau um seine Anziehungskraft auf das weibliche Geschlecht, die mit den Jahren und auch mit den mittlerweile leicht ergrauten Schläfen noch größer geworden ist. Er hat sich gut gehalten, obwohl ihm die Arbeit als Dachdeckermeister und Geschäftsführer seines Betriebs kaum Zeit für Sport lässt. Da er jedoch handwerklich noch viel selbst macht, kann er das leidlich ausgleichen.

      Fast hätte er jetzt doch angefangen zu pfeifen, als sein Blick auf die vorbeiziehende Landschaft fällt, die sonnenbeschienenen Hügel und die kleinen Dörfer, die sich an die Erhebungen schmiegen. Erst in letzter Sekunde kann er sich davon abhalten, seine Frau mit einer musikalischen Einlage zu wecken.

      Ja, er freut sich wirklich auf diesen Urlaub. Vor drei Jahren waren sie schon einmal dort, auf dem Gut von Stefano und Sandra, haben den ganzen Tag lang Gitarre gespielt, gesungen und abends viel roten Landwein genossen. Es war wirklich schön gewesen!

      Ob auch ein paar bekannte Gesichter unter den diesjährigen Teilnehmern des Musikkurses sein werden?

      Er denkt zurück und überlegt, wer damals mit ihnen gemeinsam dort gewesen ist. Da hatte es diesen Schlagerfan gegeben, der mit seinem Pottschnitt auch schon so aussah wie aus den 70ern übrig geblieben! Maik grinst, als er an ihn denkt. Aber nett war er! Dann gab es da noch diesen großen blonden Kerl mit Brille, der etwas kindlich wirkte, und natürlich diesen Neuseeländer, mit dem sich Carola ständig unterhalten hatte. Auf den legt er ja gar keinen Wert! Aber warum soll ausgerechnet dieser Typ noch einmal den weiten Weg zu einem Musikkurs nach Italien antreten? Das ist wirklich unwahrscheinlich!

      Ja und dann … Maik muss erneut grinsen … da gab es doch auch diese Friseurin mit den bunten Haaren. Sabrina hieß sie! Sabrina, ja, mit der hatte er sich gut verstanden. Das war ja auch eine Marke! Was aus der wohl geworden ist?

      Er erinnert sich, dass diese Frau in ihrem Drang, zu jeder Zeit alle Welt mit ihrem Gesang zu unterhalten, nicht zu stoppen gewesen war. Doch er war gut mit ihr zurechtgekommen. Mit solchen Frauen kommt er immer prima klar!

      Maik schaut zu seiner Angetrauten hinüber, die eben den Kopf zur Seite dreht. Ihre Augen sind immer noch geschlossen. „Sieht aus, als ob sie noch schläft“, stellt er fest.

      Er erinnert sich, dass es damals, vor drei Jahren, um ihre Beziehung nicht allzu gut bestellt gewesen war. Schon auf der Anreise waren die Spannungen deutlich zu spüren gewesen und auf der Rückreise hatten sie sogar über die Scheidung gesprochen. Ein kurz entschlossener Abstecher an den Gardasee hatte das Schlimmste verhindert! Damals hatte sich eine Menge zwischen ihnen angesammelt. Sie hatten einige Tage gebraucht, um sich alles Mögliche an den Kopf zu werfen, wie Maik sich erinnert. Doch am Ende hatten sie beschlossen, es noch einmal miteinander zu versuchen.

      Das war eine harte Zeit gewesen für ihre Beziehung. Obwohl – wirklich daran geglaubt, dass sie sich trennen würden, hatte er nicht. Sie waren ja auch damals schon sehr lange zusammen gewesen und hatten so viel durchgestanden! Außerdem ist Carola nicht der Typ für Kurzschlussreaktionen. Ab und zu regt sie sich ein bisschen auf, aber irgendwie finden sie dann doch wieder zueinander. So war es auch vor drei Jahren. Natürlich hatte es in den folgenden Wochen und Monaten immer wieder „Aussprachen“ gegeben, doch dann hatte Carola sich beruhigt. Mit der Zeit haben sie sich zusammengerauft und jetzt läuft es doch ganz gut!

      Dieses Mal jedenfalls sind die Vorzeichen für den Urlaub ganz andere! Vermutlich sind sie auch einfach erwachsener geworden und haben solche Beziehungsgewitter nicht mehr nötig. Sie sind eben beide keine zwanzig mehr!

      Viele Gelegenheiten für Auseinandersetzungen gibt es ja auch gar nicht, weil sie beide sehr in ihre Arbeit eingebunden sind. Maik hatte damals aus dem Urlaub den Entschluss mitgebracht, mit seinem Dachdeckerbetrieb noch einmal richtig durchzustarten und neue Geschäftsfelder zu erschließen. Mittlerweile hat er viel Erfolg mit seinen Photovoltaik-Anlagen und er hatte sogar ein paar Leute einstellen müssen, um die Nachfrage befriedigen zu können.

      Währenddessen bastelt Carola weiter an ihrer universitären Karriere. Als Professorin hat sie sich gut etabliert und ist eine gefragte Expertin auf ihrem Gebiet, sie hält Vorträge und wird um Expertisen gebeten. Sie kommt viel herum und ist natürlich oft außer Haus. Aber er will ihrer Karriere auch nicht im Wege stehen! Sie hat damals, am Gardasee, ziemlich deutlich gemacht, dass sie nicht bereit ist, irgendwelche Kompromisse einzugehen oder berufliche Abstriche hinzunehmen. Und er – naja,