Bruno Giordano

Austreibung des triumphierenden Tieres


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den Kopf des Flusses Eridanus gelegt ist, dort, wo sich die Einbiegung des Knies des Orion befindet. Hier soll jenes natürliche Gesetz wiederhergestellt werden, das jedem Manne gestattet, so viele Frauen zu haben, wie er ernähren und befruchten kann. Denn es ist überflüssig und ungerecht und widerspricht in der Tat der natürlichen Ordnung, daß in eine bereits befruchtete und schwangere Frau oder in andere verworfene Geschöpfe wie illegitime Geliebten, die aus Furcht vor Schande den Abortus bewirken, jener menschenbildende Same eingestreut wird, der Heroen schaffen und die leeren Sitze des Empyreums füllen könnte.

      Saulino. Eine vortreffliche Maßregel, wie mir scheint. Was weiter?

      Sofia. Jener Ganymed, der der eifersüchtigen Juno zum Trotz bei ihm in so hoher Gunst stand und dem es allein gestattet war, sich an seine Seite zu schmiegen und ihm die dreizackigen Blitze zu reichen, während sich die anderen Götter ehrfurchtsvoll in weiter Entfernung hielten, wird, wie ich gegenwärtig glaube, wenn er keinen anderen Vorzug besitzt als jenen, der beinahe verblaßt ist, noch möglicherweise froh sein müssen, wenn er, anstatt bei Jupiter Page zu bleiben, sich bei Mars als Schildknappe verdingen kann.

      Saulino. Woher kommt dieser Umschwung?

      Sofia. Sowohl von der schon erwähnten Änderung Jupiters wie daher, daß der neidische Saturn in früherer Zeit in erheuchelter Liebkosung ihm mit seiner rauhen Hand das Kinn und die rosigen Wangen streichelte, so daß sich ihm von dieser Berührung das Antlitz mit Haaren bedeckte und allmählich jene Anmut verschwand, vermöge deren er es einst vermochte, Jupiter aus dem Himmel zu locken und sich von Jupiter in den Himmel entführen zu lassen, wodurch also der Sohn eines Menschen zum Gotte erhoben und der Vater der Götter in einen Vogel verwandelt wurde.

      Saulino. Zu wunderbare Dinge! Fahre fort!

      Sofia. Er hat allen Göttern untersagt, Pagen oder Kammerdiener unter fünfundzwanzig Jahren zu halten.

      Saulino. Haha! Was tut oder sagt nun aber Apollo betreffs seines teueren Hyacinthus?

      Sofia. O, wüßtest du, wie mißvergnügt er ist!

      Saulino. Ich glaube sicher, daß seine Traurigkeit dieses trübe Wetter verursacht, das nun schon seit mehr als acht Tagen herrscht; sein schwerer Atem erzeugt so viele Wolken, seine Seufzer so stürmische Winde und seine Tränen so reichliche Regengüsse.

      Sofia. Du hast es erraten.

      Saulino. Was wird nun aus dem armen Knaben?

      Sofia. Er hat sich entschlossen, ihn die Humaniora auf irgend einer Universität oder in einem reformierten Kollegium studieren zu lassen und ihn der Zuchtrute eines Schulmeisters zu unterstellen.

      Saulino. O unsicheres Glück, O trügerisches Schicksal! Dir scheint dies ein Bissen für einen Schulmeister zu sein! Wäre es nicht besser gewesen, ihn unter die Obhut eines Dichters zu stellen, ihn in die Hand eines Redners zu geben oder ihn an die Last des Kreuzes zu gewöhnen? Wäre es nicht besser gewesen, ihn unter die Aufsicht eines –

      Sofia. Genug! Was sein muß, wird sein; was sein mußte, ist. Um nun Ganymeds Geschichte zu vollenden, so reichte ihm dieser in Erwartung der gewohnten Liebkosungen mit seinem üblichen kindlichen Lächeln den Becher mit Nektar. Jupiter aber ließ seine trüben Augen auf seinem Gesichte ruhen und sagte endlich: »Schämst du dich nicht, Sohn des Tros? Glaubst du, noch ein Kind zu sein? Vielleicht kommt dir mit den Jahren das Anstandsgefühl und die Vernunft? Siehst du nicht, daß die Zeit vorüber ist, wo du mir fortwährend die Ohren mit deinem Geschwätz erfülltest und wenn wir uns ins Freie begaben, Silenus, Faunus, der aus Lampsakus Priapus. und andere sich glücklich schätzten, wenn sie dir in die Wange kneifen oder wenigstens deine Kleider berühren und in Erinnerung an diese Berührung sich nicht die Hände wuschen, bevor sie zu Tisch gingen, und andere Dinge taten, die ihnen ihre ausschweifende Phantasie eingab. Nun entschließe dich und bedenke, daß du dir vielleicht einen anderen Beruf wirst suchen müssen. Ich entlasse dich, denn ich will keine dummen Jungen mehr um mich haben.« Wer die Veränderung in den Zügen des armen Knaben oder Jünglings gesehen hätte, von dem weiß ich nicht, ob Mitleid oder Lachen oder der Widerstreit beider Empfindungen die Oberhand gewonnen hätte.

      Saulino. Diesmal, glaube ich, risit Apollo.

      Sofia. Höre, denn was ich dir bis jetzt erzählt habe, ist nur die Einleitung.

      Saulino. Sprich nur!

      Sofia. Gestern, als das Fest zur Erinnerung an den Sieg der Götter über die Giganten gefeiert wurde, unmittelbar nach Aufhebung der Tafel hatte jene, die allein das Wesen der Dinge regiert und durch die sich alles freut, was sich unter dem Himmel freut,

      Die schöne Mutter beider Liebesgötter,

      Beherrscherin der Götter und der Menschen,

      Durch die jedwedes lebende Geschöpf

      Ins sonnenhelle Dasein ward gerufen,

      Vor der die Winde und die Stürme fliehen,

      Wenn sie erscheint am lichten Morgenhimmel;

      Ihr lächelt zu das glatte Meer; die Erde

      Hüllt sich von neuem in den schönen Mantel

      Und reicht ihr durch die Hände der Najaden

      Das Horn des Flusses Achelous dar,

      Gefüllt mit Laub, mit Blumen und mit Früchten –

      einen Ball angeordnet, eröffnete ihn mit jener Anmut, die selbst den grämlichen Charon ergötzen und bezaubern würde, und reichte, wie es ihre herkömmliche Pflicht war, zuerst Jupiter die Hand. Statt daß dieser nun, wie es seine Gewohnheit war, sie mit dem linken Arm umschlang, Brust an Brust gedrückt, mit den beiden ersten Fingern der rechten Hand ihre Unterlippe erfaßt, Mund auf Mund, Zähne auf Zähne, Zunge auf Zunge gepreßt hätte – lüsternere Liebkosungen, als sich für einen Vater seiner Tochter gegenüber schicken – und so mit ihr zum Tanze angetreten wäre, legte er ihr gestern seine rechte Hand auf die Brust und hielt sie von sich entfernt, als wollte er sagen: »Noli me tangere«, und sprach zu ihr mit mitleidigem Blicke und einem von Frömmigkeit strahlenden Antlitze: »Ach, Venus, Venus, ist es möglich, daß du auch nicht ein einzigesmal unsere Stellung und namentlich deine bedenkst? Glaubst du denn, es sei wahr, was sich die Menschen von uns erzählen, daß, wer alt ist, immer alt, wer jung ist, immer jung und wer Kind ist, immer Kind bleibe und so in alle Ewigkeit fort, wie wir damals waren, als wir von der Erde zum Himmel emporstiegen, und daß, wie dort unten unsere Bildnisse und Statuen immer dieselben bleiben, so auch unsere Körperkonstitution sich nicht fortwährend verändere? Heute am Feste kommt mir die Erinnerung an jene Stärke, deren ich mich damals erfreute, als ich jene stolzen Giganten niederblitzte und bezwang, die es wagten, den Ossa über den Pelion und den Olymp über den Ossa zu türmen, als ich imstande war, den wilden Briareus, dem seine Mutter, die Erde, hundert Arme und hundert Hände gegeben hatte, damit er mit dem Ungestüm von hundert gegen die Götter geschleuderten Felsen den Himmel erstürmen könne, in die schwarzen Höhlen des abgrundtiefen Orkus zu schmettern; als ich den übermütigen Typhoeus dorthin verbannte, wo sich das Tyrrhenische Meer mit dem Ionischen vereint, indem ich ihn unter die Insel Trinacria stieß, um ihn hier lebend auf immer zu begraben. Daher singt ein Dichter:

      Hier drückt dem kühnen, mutigen Typhoeus,

      Der unter dem Gewicht Trinacrias seufzt,

      Die rechte Hand der Berg Pelorus nieder,

      Die linke preßt das Vorgebirg' Pachynus,

      Den mächt'gen, breiten Rücken, der vom Drucke

      Schon Schwielen hat, belastet Lilybaeum.

      Das Haupt beschwert der schauerliche Ätna,

      In dem der binkende Vulkan die Blitze

      Mit seinem großen Hammer rüstig schmiedet. Übersetzung von Ovid‚ Metamorphosen V, 346–353:

      Vasta giganteis ingesta est insula membris

      Trinacris, et magnis subiectum molibus urget

      Aetherias