Bruno Giordano

Austreibung des triumphierenden Tieres


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überdrüssig und müde geworden wie jener, der da sagte: »Eitelkeit, Eitelkeit, alles ist eitel!«

      Sofia. Er denkt an den Tag des Gerichtes, denn das Ende der etwa oder genau sechsunddreißigtausend Jahre ist, wie verkündet, ganz nahe, wo die Wende des Weltjahrs Weltjahr (auch großes oder platonisches Jahr) wird die Periode genannt, innerhalb deren die verlängert gedachte Erdachse einen Umlauf um den Pol der Ekliptik beendet. Gegenwärtig wird sie nur auf 26000 Jahre berechnet. droht und ein anderer Celeus die Herrschaft übernehmen wird, und er fürchtet, infolge der Veränderung, die die Bewegung des Zitterns mit sich bringt, und infolge der mannigfaltigen Beziehungen und Gewohnheiten der Planeten, von denen man zuvor nie etwas gesehen oder gehört hat, das Schicksal möchte bestimmen, daß die Erbfolge nicht dieselbe sei, wie in der vorhergehenden großen Weltenwende, sondern ganz davon verschieden, und wenn die das Prognostikon stellenden Astrologen und andere Wahrsager auch noch so schrieen.

      Saulino. Er fürchtet also, es möchte irgend ein vorsichtigerer Celeus kommen, der nach dem Vorbilde des Priesters Johannes Der Priester (Presbyter) Johannes ist ein sagenhafter Priesterkönig des Orients, von dem die erste Kunde um die Mitte des 12. Jahrhunderts in Europa. Sein Reich wurde teils nach Indien, teils nach China, teils nach Abessinien verlegt; letzteres Land blieb bis ins 17. Jahrhundert als regnum presbyteri Joannis bekannt. Auch im »Parzival« Wolframs von Eschenbach kommt der Priester Johannes vor; hier ist er der Sohn des Feirefiz und der Repanse de Schoie., um etwaigen künftigen Unzuträglichkeiten vorzubeugen, seine Söhne nicht in die Verließe des Berges Amarat und andere verbannte, und aus Furcht, irgend ein Saturn möchte ihn entmannen, es niemals unterließe, sich eiserne Unterkleider anzuziehen und sich niemals entschlösse, ohne diamantene Beinkleider zu schlafen? Wenn daher nicht dieselbe Wirkung eintritt wie vorher, wird allen anderen Folgen Tür und Tor versperrt werden, und vergebens wird man den Geburtstag der cyprischen Göttin, den Sturz des lahmen Saturn und die Thronbesteigung Jupiters, die Vermehrung der Söhne und Söhnessöhne, der Enkel und Enkelsenkel bis zu der Generation, in der wir jetzt leben, und möglicherweise bis zu dem zukünftigen vorherbestimmten Zeitpunkte erwarten.

      Nec iterum ad Trojam magnus mittetur Achilles. Nicht wird wieder nach Troja gesandt der große Achilleus.

      Sofia. Bei dieser Lage der Dinge, und da Jupiter in dem unbequemen Memoriale der starkknochigen Gewalt und entnervten Jugend liest, daß sein Tod nahe bevorstehe, so tut er täglich glühende Gelübde und richtet heiße Gebete an das Schicksal, daß in den künftigen Jahrhunderten die Dinge zu seinen gunsten geordnet werden möchten.

      Saulino. Du sagst mir da Wunderdinge, Sofia. Behauptet ihr, daß Jupiter nicht das Wesen des Schicksals kenne, das nach dem ihm zukommenden und nur allzubekannten Epitheton das unerbittliche genannt wird? Es ist jedoch wahrscheinlich, daß er in seinen Mußestunden, falls das Schicksal ihm solche gestattet, sich dazu bequemt, irgend einen Dichter zu lesen, und es ist sehr leicht möglich, daß ihm der Tragiker Seneca in die Hände gefallen ist, der ihm folgende Lehre erteilt:

      Das Fatum führt, und wir gehorchen ihm;

      Denn was für Fäden spinnt die Schicksalsspindel,

      Wir können sie mit allen Müh'n nicht ändern.

      Und was wir tun und dulden, kommt von oben

      Und ist vorausbestimmt seit ewgen Zeiten.

      Die grause Schwester

      Zieht, was sie einmal spann, nie mehr zurück;

      Die Parzen handeln nach bestimmtem Plane,

      Doch von uns geht jeder

      Ins Ungewisse dem Geschick entgegen. Oedipus 1001–1011. Im lateinischen lautet die Stelle:

      Fatis agimur: cedite fatis,

      non solicitae possunt curae

      mutare rati stamina fusi.

      Quicquid patimur mortale genus,

      quicquid facimus, venit ex alto

      servatque suae decreta colus

      Lachesis dura revoluta manu.

      Omnia recto tramite vadunt

      primusque dies dedit extremum;

      non illa deo vertisse licet

      quae nexa suis currunt causis.

      Brunos Übersetzung dieses Chorliedes hat im Italienischen folgenden Wortlaut (nach der Ausgabe von Lagarde):

      Fate ne guida, et noi cedemo al fato;

      E i' rati stami del contorto fuso;

      Solleciti pensier mutar non ponno.

      Ciò che facciamo, et comportiamo, d' alto

      Et prefisso decreto il tutto pende;

      Et la dura sorella

      Il torto filo non ritorce à dietro.

      rentre ciascun ti noi

      Va incerto ad incontrar glifati suoi.

      Sofia. Auch das Schicksal will, daß, obgleich Jupiter selbst weiß, daß es unabwendbar sei und nicht anders sein könne, als es müsse und sein werde, er nicht unterlasse, durch derartige Mittel sein Geschick zu erfüllen. Das Schicksal hat die Bitten angeordnet, die teils etwas erreichen, teils erfolglos bleiben, und um die hinübergewanderten Seelen nicht gar zu sehr zu belasten, reicht sie ihnen durch das Mittel der Veränderungen den Trank aus dem Letheflusse, damit infolge des Vergessens sich jedermann eifrigst bemühe, sich in seinem gegenwärtigen Zustande zu erhalten. Daher sehnen sich die Jünglinge nicht nach dem Zustand der Kindheit, und die Kinder wünschen nicht, in den Mutterleib zurückzukehren, und niemand wünscht sich den Zustand jenes Lebens zurück, das er lebte, bevor er in diese Körperlichkeit eintrat. Das Schwein will nicht sterben, weil es dann nicht mehr Schwein wäre; das Pferd fürchtet sich am meisten davor, nicht mehr Pferd zu sein. Jupiter fürchtet sich dieser Naturnotwendigkeit zufolge am meisten davor, nicht mehr Jupiter zu sein. Aber die Gnade und Gunst des Schicksals wird seinen Zustand nicht ändern, ohne ihn mit dem Wasser aus jenem Flusse getränkt zu haben.

      Saulino. So muß also auch dieser Gott, Sofia – unerhörte Tatsache! – Gebete an eine höhere Macht richten? So befällt auch ihn die Furcht vor gerechter Wiedervergeltung? Ich wunderte mich, warum die Götter sich so fürchten, bei dem stygischen Sumpfe einen Meineid zu leisten; jetzt weiß ich, daß dies von der Strafe herrührt, die auch ihnen droht.

      Sofia. So ist es. Er hat seinem Schmiede Vulkan verboten, an Feiertagen zu arbeiten; er hat Bacchus untersagt, seinen Hofstaat erscheinen zu lassen, und gestattet dessen Begleitern auch nicht das Herumschwärmen außerhalb der Zeit des Karnevals und an den Hauptfesten des Jahres erst nach dem Abendessen kurz vor Untergang der Sonne und nicht ohne seine besondere und ausdrückliche Erlaubnis. Momus, der die Götter getadelt und ihnen nach ihrer Meinung ihre Vergehen allzuscharf vorgehalten hatte und deswegen von ihren Beratungen und der Unterhaltung mit ihnen ausgeschlossen worden war, der sich an der Spitze des Schweifes der Kallisto befindet, ohne die Möglichkeit, den Ort dieser Himmelsbreite verlassen zu können, unter der das Kaukasusgebirge liegt und wo der arme Gott von Kälte und Hunger abgezehrt war, wurde jetzt zurückberufen, gerechtfertigt, in seine frühere Stellung wieder eingesetzt und als ordentlicher und außerordentlicher Herold angestellt mit der weitest gehenden Vollmacht, die Laster tadeln zu dürfen, ohne Rücksicht auf den Titel und Rang irgend jemandes. Er hat Cupido verboten, unter den Menschen, Heroen und Göttern fernerhin so entblößt umherzustreifen, wie er es gewöhnt ist, und ihm aufgetragen, die Blicke der Himmelsbewohner nicht mehr dadurch zu beleidigen, daß er ihnen auf der Milchstraße und im olympischen Senat sein Gesäß zeigt, sondern wenigstens vom Gürtel abwärts bekleidet erscheint, ihm auch den strengsten Befehl erteilt, er solle sich nicht unterstehen, seine Pfeile anders als zu natürlichem Zwecke abzuschießen, und solle die Liebe der Menschen der der Tiere gleichmachen, indem er ihnen bestimmte und feststehende Jahreszeiten zum Verlieben anwiese; wie für die Katzen der März, für die Esel der Mai Regel, so sollten den Menschen jene Tage zugewiesen werden, in denen sich Petrarca in Laura, Dante in Beatrice