Wolfgang Priedl

COLLEGIUM.


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euch viel Erfolg und einen angenehmen Flug.«

      »Danke. Ciao.«

      Peter steckte sein Telefon weg und stieß dabei an seinen Gehstock. Mit einem lauten Poltern fiel er zu Boden und blockierte den Mittelgang. Eine junge Frau sah das Hindernis zu spät und stolperte darüber.

      Im letzten Augenblick stützte sie sich auf der freien Sitzfläche neben Sarah ab. Peter griff instinktiv nach ihrem Unterarm. Das Bettelarmband, das zahlreiche Anhänger zierten, stach ihm ins Auge. Er erkannte den Pariser Eiffelturm, das Wiener Riesenrad mit roten Gondeln und einen Halbmond.

      »Entschuldigung«, presste er schuldbewusst hervor, griff nach seinem Stock und zog ihn zu sich.

      Die attraktive Frau bedachte ihn mit fuchsteufelswilden Blicken, rappelte sich auf und klemmte entrüstet eine Haarsträhne hinter das Ohr.

      »Verdomme! Kann niet voorzichtiger zijn!«

      Verdattert starrte Holzinger in ihr makelloses Gesicht, das von einem rotblonden Pony umrahmt wurde. Die Stupsnase, die vollen Lippen und die grünen Augen ließen ihn fragen: »Claudia?«.

      »Nee, mijn naam is niet Claudia«, zischte die junge Frau und eilte Richtung Ausgang davon.

      In Peters Kopf herrschte heilloses Durcheinander. Erstaunt schaute er ihr nach, bis ihn Sarahs Stimme in die Gegenwart zurückholte.

      »Peterle, du siehst aus, als wärst du einem Geist begegnet. Hab´ ich richtig gehört? Du sagtest soeben ›Claudia‹?«

      Peter nickte.

      »… Du hast geglaubt, deiner Exfreundin zu begegnen?«

      »Ja, für einen Moment dachte ich, dass es sie gewesen wäre.«

      »Ich erinnere mich. War sie nicht Redakteurin beim ›KURIER‹? Das muss gut zwei Jahre her sein … Weißt du, wie es ihr geht?«

      »Nehme an: gut. Sie hat die Leitung des neuen KURIER-TV-Senders übernommen. – Wir sind da. Komm, lass´ uns aussteigen. Beeile dich, wir sind spät dran!«

      »Soll ich dir deinen Kofferrolli abnehmen?«, bot ihm Sarah an, während sie zum Ausstieg drängten.

      »Nein, geht schon. Möchtest du vorlaufen?«

      »Wir bleiben zusammen … «

      »Raus hier …«

      *

      Sarah legte ein beachtliches Tempo vor. Wie ein weidwund geschossenes Tier humpelte Holzinger seiner Kollegin hinterher.

      Routiniert checkten sie am nächstgelegenen Automaten ein. Von Perez keine Spur. Sie hasteten an den zahlreichen Duty-Free-Shops vorüber und passierten die Sicherheitskontrolle, die Peter die erste Verschnaufpause bot. Am Gate war das Boarding voll im Gange.

      »Hast du Lucas schon entdeckt?«, wollte Sarah wissen und blickte sich um.

      »Nein. Vielleicht ist er bereits in der Maschine«, presste er zwischen den Zähnen hervor und massierte sich sein Bein. »Er weiß, dass ich den Flug umgebucht habe. Wenn nicht, dann muss er schauen, wie er nach Wien kommt.«

      Peters unrhythmischer Schritt dröhnte in der Fluggastbrücke. Kurz vor dem Einstieg in den Airbus A321 stauten sich die Passagiere. Holzinger klopfte fortwährend mit dem Gehstock auf den Boden, wofür ihn einige Fluggäste mit verächtlichen Blicken und indigniertem Kopfschütteln straften. Er holte tief Luft, unterdrückte ein Augenrollen und stützte sich auf seine Krücke.

      »Ruhig Brauner, ruhig«, raunte ihm Sarah zu und strich besänftigend seinen Rücken entlang.

      »Wir haben Reihe 25 – A, B, C. Beim Emergency-Exit«, murmelte er zurück.

      Beim Umbuchen der Tickets bestand Peter auf eine Sitzreihe bei den Notausgängen, weil sie mehr Beinfreiheit bieten. Eine wesentliche Erleichterung während eines zweistündigen Fluges nach Wien.

      An der Kabinentür begrüßte sie eine Stewardess in rotem Outfit.

      »Soll ich ihn in den Stauraum stellen?«, fragte die Flugbegleiterin und deutete auf den Gehstock. Mit einem breiten Lächeln auf den Lippen reichte Peter ihn ihr.

      Sitzreihe um Sitzreihe hantelte sich Holzinger durch die Business-Class. Plötzlich entdeckte er auf der rechten Seite das hübsche Gesicht aus dem Intercity. Eine Sekunde lang trafen sich ihre Blicke. Indigniert wendete sich die junge Frau ab, beugte sich vor und starrte durch das Fenster auf den Vorplatz, wo die Fluggastbrücke zum Abdocken vorbereitet wurde.

      Peter legte seine Stirn in Falten. Das war nicht Claudia, denn die hätte zumindest zurückgelächelt. Doch der Mond, zwischen dem Riesenrad und dem Eiffelturm an ihrem Handgelenk faszinierte ihn.

      *

      Lucas saß auf seinem Sitzplatz, vertieft in die Bordbroschüre. Er zog seine Mundwinkel nach oben, als er seinen Chef auf sich zu humpeln sah.

      »Se … Servus. Darf ich dir helfen«, grüßte Perez stotternd, sprang auf, schnappte sich Peters Koffer und wuchtete ihn in die Ablage. »Wo willst du sitzen?«

      »Ich setze mich in die Mitte. Sei nett und hilf Sarah.«

      Holzinger ließ sich stöhnend wie ein Greis auf den mittleren Sitzplatz fallen.

      Noch bevor der Flieger zur Startbahn rollte, waren sie in ihren Small Talk vertieft.

      Lucas erzählte, dass er in nur drei Stunden seine Habseligkeiten in sechs Kartons verpackt hatte. Am schwierigsten gestaltete sich das Verstauen seines geliebten Computers. Die Spedition markierte diese Kiste mit einem roten Verpackungsband, auf dem das Wort ›FRAGILE‹ und ein Trinkglas aufgedruckt waren.

      Lucas ergänzte mit einem dicken Filzstift: ›VORSICHT: MEIN LEBEN!‹

      »Übrigens, ich habe vorhin mit Richard Tomacic telefoniert. Sein Obergeschoss steht nach wie vor leer. Wenn du willst, kannst du bei ihm einziehen.«

      »Da … Das ist ein tolles Angebot.«

      »Er lässt dir jedoch ausrichten, dass er über keinen Glasfaseranschluss für das Internet verfügt.«

      »Strea … Streaming ist zwar nicht meine Welt, aber für Suchläufe in umfangreichen Datenbanken könnte es ebenfalls zu wenig sein – Schick mir bitte seine Nummer.«

      Die Triebwerke heulten auf. Die Beschleunigung des Flugzeuges drückte sie in die Sitze. Bei 280 km/h hob der Flieger ab und zog polternd das Fahrwerk ein.

      »Lucas, hör zu, ich informiere dich kurz über unseren ersten Auftrag.« Peter holte tief Luft. »Am kommenden Wochenende veranstaltet der Economy-Club einen Kongress in Laxenburg bei Wien. Wir sind mit der Personenschutzabteilung für die Sicherheit der Besucher verantwortlich. Prinzipiell ein Routinejob …«

      »E … Economy-Club?«

      »Der EC ist ein Verband von Wirtschaftsbossen aus der ganzen Welt. Von Wirtschaftsprognosen über Trendforschung bis hin zu Netzwerkbildung.«

      »Ve … Verstehe.«

      Peter blätterte in den Unterlagen. »Aber: Vor einem halben Jahr verschwand im Mittelmeer ein Vorstandsmitglied des Clubs bei einem Segeltörn. Seine verlassene Jacht fand man unversehrt zwischen Korsika und Mallorca im Meer treibend. Ihn hat man bis heute nicht gefunden. – Vor zwei Monaten kam ein weiterer in Deutschland bei einem Verkehrsunfall ums Leben. Der Wagen hat sich bei hohem Tempo auf der Autobahn aus unerfindlichen Gründen überschlagen. Nachdem beide diesem ›Economy-Club‹ angehörten und sich die mysteriösen Unfälle in zwei verschiedenen Ländern der Europäischen Union ereignet haben, ist der Fall bei der Europol gelandet. Sonst ergaben sich keine Gemeinsamkeiten, aus denen sich eine brauchbare Theorie ableiten ließe …«

      Holzinger schloss die Luftdüse, die ihm ins Gesicht blies.

      »… Jetzt kommt`s: