Mathilde Berg

Undercover Boss


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und luftig.

      „Was machst du eigentlich so in deiner Freizeit, wenn du nicht gerade bei fremden Männern bist und zu Abend isst?“

      „Ich?“ Was soll ich darauf antworten? Ich sitze in meine Wolldecke gewickelt auf dem Sofa und schreibe Geschichten, die wahrscheinlich niemand jemals lesen wird? „Nichts Besonderes.“

      „Hast du ein Hobby?“

      „Wenn ich mich nicht gerade um Paul und Gisbert kümmere …“

      „Sind das deine Brüder?“

      „Nein, nein …“

      „Du wohnst also in einer Wohngemeinschaft?“

      „So kann man es auch nennen.“ Gelogen ist es nicht wirklich, aber ich stelle es auch nicht richtig. „Ich schreibe gern.“

      „Briefe? Oder beschäftigst du dich mit Lettering?“

      „Nein, weder noch. Ich schreibe einen Roman. Oder versuche es zumindest.“

      „Cool! Kann ich mal was lesen?“

      „Nein, auf gar keinen Fall!“, blocke ich ab.

      „Wieso nicht?“

      „Weil … weil noch niemand irgendwas von mir gelesen hat. Es ist sowieso nicht gut genug.“

      „Wie kommst du darauf? Deine Berichte und Reportagen sind doch klasse!“

      „Ja, mag sein, aber …“

      „Also, vor was hast du Angst?“

      „Ich habe gar keine Angst!“, protestiere ich, merke aber selber, wie bockig das klingt. Natürlich weiß ich, wovor ich Schiss habe. Vor Ablehnung, Zurückweisung und dass andere über mich lachen könnten.

      „Oben in der Verlagsabteilung haben wir einige Lektoren – habe ich jedenfalls gehört –, bei denen du dir Rat holen könntest!“

      „Das mache ich vielleicht auch. Aber erst, wenn ich dort arbeite!“

      „Du würdest die Redaktion verlassen?“

      „Ja! Es ist nur vorübergehend. Ich wollte schon immer nach oben in die Verlagsabteilung. In der Redaktion der Fernsehzeitschrift arbeite ich nur, bis ich endlich das Volontariat abgeschlossen habe.“

      „Und wann wird das sein?“

      „Da musst du Nils fragen! Er entscheidet das als Teamleiter. Wenn ein Bericht oder eine Reportage gut genug ist, um unter meinem eigenen Namen veröffentlicht zu werden, legt er sie unserem Abteilungsleiter, Herr Ludewig, vor. Er ist gleichzeitig der Chefredakteur. Der wiederum legt unserm Chef die Storys vor, die gedruckt werden sollen. Wenn er sie für gut befindet und sie in der nächsten Ausgabe erscheint, dann habe ich es fast geschafft. Ich brauche nur noch einen Abschlussbericht von Nils. Das ist sozusagen der Ritterschlag.“

      „Wo liegt das Problem? Du schreibst jede Menge gute Reportagen!“

      „Mag sein. Aber es steht nicht mein Name, sondern der von Nils darunter.“

      „Das ist doch nicht fair!“

      „Nein, sicherlich nicht. Ich kann aber nichts dagegen machen. Nicht, solange er nicht Chefredakteur ist. Jeder weiß, dass Nils auf den Posten von Herrn Ludewig scharf ist, der bald in Rente geht.“

      „Es muss doch irgendeine Möglichkeit geben!“

      „Nicht wirklich, es ist fast aussichtslos. Die Reportage müsste ein Knaller sein, die reinhaut und die ich geheim halte. Sonst reißt Nils sie sich unter den Nagel, um sich zu profilieren.“

      „Dann mach das doch!“

      „Leichter gesagt als getan!“

      „Dir fällt sicherlich etwas ein. Ich kann dir ja helfen?“

      „Du?“

      „Na ja, ich kann den Helldenker ablenken und du schiebst deine Reportage mit deinem Namen unter die Sachen, die dem Chef vorgelegt werden.“

      „Ich dachte eher daran, meine Story in der Verlagsbesprechnung dem Chef persönlich zu präsentieren.“

      „Oder so, das wäre noch besser!“

      Ich seufze. „Träumen kann man ja mal.“

      „Träume können auch in Erfüllung gehen.“

      Die Suppenteller hat er in der Zwischenzeit abgeräumt und in die Spülmaschine gestellt sowie einen großen Topf mit gesalzenem Wasser aufgesetzt, den er zum Kochen bringt. Gleichzeitig schnippelt er Gemüse wie ein Profi. Er schneidet in einer unglaublichen Geschwindigkeit und schaut mich dabei an, während er unserem Gespräch aufmerksam folgt.

      „Wow! Das machst du aber auch nicht zum ersten Mal.“

      „Köche können das!“

      „Nee, ist klar! Den Film habe ich auch gesehen.“

      „Das ist einer meiner Lieblingsfilme! Tödliche Weihnachten. Schon immer wollte ich diesen Satz mal sagen.“ Lars schaut mich verschmitzt an. Er dreht sich um, holt eine Pfanne aus dem Schrank und schwenkt das Gemüse kunstvoll, als sie die gewünschte Temperatur hat. Die selbstgemachten Nudeln ziehen mittlerweile im köchelnden Wasser.

      „Was sind deine Träume?“, frage ich ihn.

      „Meine?“

      „Bist du glücklich mit dem, was du machst?“

      Ein Schatten zieht über sein Gesicht und lässt seine Augen für einen Moment dunkler werden wie Wolken an einem verregneten Tag. „Okay, ertappt! Ich bin nicht ganz freiwillig im Verlag. Mein Vater wünscht das. Wogegen ich …“

      „… andere Pläne hast.“

      „Ja, genau! Es geht mir ein wenig wie dir mit Nils. Ich kann zurzeit auch nichts an der Situation ändern.“

      „Was würdest du den am liebsten machen?“

      Lars stellt einen Teller mit dampfender Pasta und Gemüse vor mich. Es riecht und schmeckt köstlich. „Ich würde gern ein Restaurant eröffnen. Überraschung! Kleine Speisekarten mit frischen und gesunden Zutaten der Saison. Alles Bio. Das Konzept habe ich schon fertig.“

      „Wo liegt dann das Problem?“

      Er druckst etwas herum. „Ist kompliziert.“

      „Es muss doch irgendeine Möglichkeit geben!“, greife ich seinen Satz von vorhin auf.

      „Ich habe zur Umsetzung nicht genügend Mittel. Wenn auch nur moralisch, bin ich meinem Vater verpflichtet. Er hat meiner Mutter auf ihrem Sterbebett versprochen, dass er sich um mich kümmert …“

      „Und das geht nur, wenn du bei uns im Verlag arbeitest? Sei mir nicht böse, aber ich denke, deine Stärken liegen woanders!“

      „Ist das so offensichtlich? Er hat da andere Vorstellungen von meinem Leben.“

      „Aber das ist doch nicht fair!“

      „Fair? Das ganze Leben ist nicht fair!“

      „Warum sagst du ihm nicht einfach, was du willst? Er ist doch dein Vater, er wird das verstehen.“

      „Wie gesagt. Ist kompliziert.“

      Eine kleine Pause entsteht. Den letzten Rest der Flüssigkeit auf meinem Teller wische ich mit einer Scheibe Baguette auf. „Das Essen war echt köstlich! In deinem Restaurant wäre ich Stammgast.“ Zu spät merke ich, dass ich ihm ein Kompliment gemacht habe.

      Lars nickt anerkennend und räumt das Geschirr ab.

      „Du hast einen gesunden Appetit“, sagt er und deutet auf den Teller. „Ich hätte nicht gedacht, dass du die Portion schaffst.“ Verunsichert schaue ich an mir herunter. Als er meinen zerknirschten Gesichtsausdruck bemerkt, schiebt er schnell hinterher: „Ich mag es, wenn Frauen vernünftig essen. Du bist wenigstens kein magersüchtiges