Mathilde Berg

Undercover Boss


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welche Richtung dieses Gespräch nimmt. „Sie ist mir wichtig. Okay? Sie hilft mir in meinem Job. Das ist alles. Mehr ist da nicht!“

      „So, so. Du weißt schon, was Papa von einem Techtelmechtel unter Kollegen hält.“

      „Ja!“ Ich seufze, dann zitiere ich: „Keine Liebelei am Arbeitsplatz! So was gibt nur Probleme. Einer muss dann gehen.“ Dass Hannah ihren Job verliert, ist das absolut Letzte, was ich ihr wünsche.

      „Keine Angst, ich sag’ ihm nichts. Ich werde schweigen wie ein Grab, das weißt du. Sei du bloß vorsichtig, dass er keinen Wind davon bekommt. Sag’ ihr ab, sie wird das schon verstehen.“

      „Ja klar. Vermutlich wird sie dann überhaupt nicht mehr mit mir reden.“

      „So schätze ich sie nicht ein.“

      „Na, du musst es wissen. Du bist ja der Frauenversteher unter uns.“

      „Durchaus! Ich weiß, was Frauenherzen begehren. Darum bin ich die ideale Shopping-Begleitung. Da kannst du alle meine Freundinnen fragen.“

      „Wie dem auch sei. Auf jeden Fall kannst du Meylin berichten, dass ich am Wochenende da sein werde.“

      „Okay, Bruderherz. Wir sehen uns morgen, und überleg dir was Einfallsreiches für deinen Gang nach Canossa, damit es nicht so schlimm wird.“

      „Für sie oder mich? Fraglich ist nur, welcher der steinigere Weg ist, der nach Canossa führt. Party oder Büro?“

      Damit beende ich das Gespräch. Mir schwirrt der Kopf, und wieder ärgere ich mich darüber, dass ich mich auf diesen Schlamassel eingelassen habe. Daher beschließe ich, am Wochenende mit meinem Vater zu reden. Ich weiß zwar nicht, wie oder was ich ihm sagen will, aber eins habe ich erkannt: Dies ist der falsche Weg. So wie es jetzt ist, fühle ich mich nicht wohl in meiner Haut. Darüber, wie es nach dem Gespräch weitergehen wird, werde ich mir anschließend Gedanken machen. Im schlimmsten Fall habe ich nächsten Montag keinen Job mehr und kann am Monatsende meine Miete nicht bezahlen. Dafür hätte ich aber immerhin ein reines Gewissen. Ich sehe mich schon unter einer Brücke kampieren.

      Jetzt habe ich aber erst einmal einen Mordshunger. Bei psychischem Stress muss ich immer etwas Gutes essen. Ich steige in das Auto, das mir mein Vater zur Verfügung gestellt hat, und steuere den nächsten Supermarkt an.

       Hannah

      Bepackt wie ein Maulesel bugsiere ich die neuen Errungenschaften vom Einkaufsbummel auf dem Fahrrad. Wie jeden Mittwoch besuche ich meine Mutter. Ich bleibe vor der Haustür stehen und kann das Abendessen schon riechen. Erst jetzt merke ich, wie hungrig ich bin. Zur Bestätigung macht sich mein Magen lautstark bemerkbar.

      Der Schlüssel ist natürlich bis nach unten in den hintersten Winkel meiner Handtasche gerutscht. Mir bleibt nichts übrig, als sie auszuräumen. Trotz intensivem Suchen bleibt der Schlüssel jedoch unauffindbar. Mir wird heiß und kalt. Tausend Gedanken jagen mir durch den Kopf. Tränen schießen mir in die Augen. Wie soll ich nachher in meine Wohnung kommen? Paul und Gisbert brauchen ihr Futter. Verzweiflung macht sich in mir breit. Der schöne Nachmittag ist wie weggeblasen, und ich kann nur hoffen, dass nachher der Fahrradkeller nicht abgeschlossen ist, damit ich zumindest an meinen Zweitschlüssel komme. Ich greife in die Hosentasche, um mein Taschentuch raus zu holen und fördere stattdessen meinen Schlüsselbund zutage. Ich brauche einen Moment und schaue den Gegenstand in meiner Hand verdutzt an, dann erinnere ich mich wieder. Um diesem Tohuwabohu vorzubeugen, habe ich den Schlüssel vorsorglich in die vordere Tasche meiner Jeans verfrachtet. Ein bisschen muss ich über mich selbst lachen. Mit der flachen Hand klatsche ich mir auf die Stirn. Wo habe ich nur meine Gedanken? Leider weiß ich das nur zu genau. Auf dem Weg hierher habe ich über Lars nachgedacht. Die Frage, ob die Sache mit dem Kerl das ist, wonach es ausgesehen hat, lässt mich nicht mehr los.

      Ich betrete das Treppenhaus, husche zur Wohnung von meiner Mutter und öffnete die Tür. Der Duft nach gutem Essen schlägt mir intensiv entgegen.

      „Hannah? Bist du das?“

      „Ja! Erwartest du noch jemanden?“

      Sie lacht und kommt zu mir. „Nein, eigentlich nicht. Oh, du warst in der Stadt?“

      „Ja, ich brauchte mal dringend was Neues.“

      „Hmm, gibt es dafür einen besonderen Anlass?“ Sie nimmt mich zur Begrüßung in den Arm.

      „Nein, wieso? Ich kann mir doch mal was zum Anziehen kaufen!“

      „Ja, ja, schon. Diese Boutique führt nur im Allgemeinen sehr ausgefallene, modische Kleidung.“

      „Ach, meinen alten Kram konnte ich nicht mehr sehen. Außerdem habe ich demnächst eine Art Meeting. Zu dem Anlass habe ich etwas Passendes gebraucht.“

      „Oh, ist es das, was ich denke?“

      „Nein, das ist es nicht“, nehme ich ihr gleich den Wind aus den Segeln. Ich weiß, wie sehnlich sie sich wünscht, dass mein Volontariat bald vorbei ist. Vermutlich genauso wie ich. „Ich treffe mich mit Kollegen aus der Abteilung. So eine Art Teambuilding-Maßnahme. Weißt du?“

      „Aha! Wir haben das früher Date genannt.“

      „Was gibt es denn Leckeres zum Abendessen? Hmmm, das riecht einfach köstlich. Pflaster treten macht echt hungrig!“, versuche ich, meine Mutter abzulenken, denn es duftet unverkennbar nach Rouladen.

      „Du kannst ihn jederzeit zum Essen mitbringen, das weißt du!“

      „Ja, Mama!“

      „Du brauchst mir nicht zu verheimlichen, dass du einen Freund hast.“

      „Ich weiß, Mama!“

      „Und warum machst du dann so ein Geheimnis daraus?“

      „Mache ich gar nicht.“

      „Und warum bringst du ihn nicht einfach mit?“

      „Weil ich keinen Freund habe. Es ist nur ein Firmen … Dingsbums. Mehr nicht.“

      „So, so. Ich glaube dir kein Wort.“

      „Ist es aber. Können wir jetzt von was anderem reden?“

      „Ich dachte, du würdest dich mir anvertrauen!“

      „Mama! Nun sei doch nicht gleich eingeschnappt.“

      „Bin ich gar nicht.“

      „Wohl!“

      „Hmm!“

      Ich setze mich an den Küchentisch, und meine Mutter serviert das Essen, das sie stundenlang zubereitet hat. Sie ist wirklich eine gute Köchin.

      „Ich finde es gut, wenn du unter Leute gehst. Mal was anderes siehst. Dir muss ja langsam die Decke auf den Kopf fallen.“

      „Was hast du denn? Ich gehe zur Arbeit, habe einen Nebenjob …“

      „Apropos Nebenjob. Am Samstag haben wir einen großen Auftrag. Da könnte ich dich gut gebrauchen. Könntest du mal wieder kurzfristig einspringen?“

      „Samstag?“

      „Es ist auch nicht lange. Nur der Empfang und die Essensausgabe. Danach kommen wir allein klar. Wir haben so viele Kranke im Moment. Es wäre wirklich eine große Hilfe, wenn du einspringen könntest.“

      „Ich kann leider nicht! Sorry.“

      „So? Warum denn nicht?“

      „Weil ich schon eine Verabredung habe.“ Das zusätzliche Geld könnte ich, gerade nach meinem Shoppingtrip, zwar gut gebrauchen, aber wenn ich jetzt Lars absage, sieht das aus, als ob ich feige wäre und mich um das Treffen mit ihm drücken würde. Diese Genugtuung gönne ich ihm einfach nicht.

      „Oh, da hast du dein Date?“

      „Es ist kein Date! Nur eine harmlose Verabredung. Mehr nicht. Ehrlich!“

      „Und