Mathilde Berg

Undercover Boss


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zeigt er kein Interesse an mir oder den anderen Kolleginnen“, schiebt sie den zweiten Teil betont hinterher, als ob sie etwas beleidigt wäre.

      Mir fällt unser Büro ein, das er so wohnlich hergerichtet hat. Alles ist farblich abgestimmt. Der Kronleuchter, die Blume auf dem Fensterbrett, der Teppich. Welcher Mann würde schon auf so kleine Details achten?

      „Hmmm. Weiß nicht. Er sieht doch so männlich aus …“ In diesem Moment umarmen sich die beiden. Nach nur Freundschaft sieht das nicht aus. Dann gehen sie in verschiedene Richtungen davon. „ Obwohl? Kann man sich in jemandem so täuschen?“

      Lisa macht eine wegwerfende Handbewegung. „Ach, wer weiß! Keine Ahnung. Aber irgendetwas stimmt nicht mit ihm, und ich werde es herausbekommen.“

      Lisa ist eine liebe Freundin und Kollegin, dennoch spielt sie mit Vorliebe die erste Geige. Sie quatscht gern und ist immer über jeden Tratsch im Verlag bestens informiert. Es macht sie wahnsinnig, wenn sie mal nichts brühwarm mitbekommt oder dem Wahrheitsgehalt eines Gerüchts nicht auf die Schliche kommt.

      „Wie dem auch sei, Lisa. Heute werden wir das jedenfalls nicht klären. Wenn du Näheres weißt, wirst du mir sicherlich berichten. Ich für meinen Teil muss jetzt los.“

       Lars

      Mit einem Lächeln im Gesicht bin ich auf dem Weg zum Parkhaus. Es ist immer wieder wohltuend, mich mit meinem kleinen Bruder zu treffen. Er genießt es auch sichtlich. Wenn wir zusammen sind, lässt er seinen Gedanken freien Lauf; kann dann auch mal er selbst sein. Er blödelt gern herum, was bei mir auf fruchtbaren Boden fällt. Wenigstens das haben wir gemeinsam, wenn wir schon als Brüder nicht unterschiedlicher sein könnten. Während ich groß, dunkelblond mit blauen Augen und muskulös bin, ist er mit seinen 1,70 m eher klein, dunkelhaarig und von einer drahtigen Statur. Mit seinem asiatischen Aussehen und den dunklen, mandelförmigen Augen wickelt er jede Frau um den Finger. Im Verlag ist er eher zurückhaltend, denn jeder kennt ihn als Sohn des Chefs, der irgendwann sein Nachfolger sein wird. Jetzt ist er der Assistent der Geschäftsleitung und vor allem für die Öffentlichkeitsarbeit verantwortlich.

      Mein Handy klingelt. Umständlich fingere ich es aus der Hosentasche. „Marek! Was gibt’s?“

      „Hi, Lars. Ich hatte vergessen, dich an die Party am Wochenende zu erinnern. Hab’ es meiner Mom versprochen.“

      „Party?“

      „Ja, meine Mutter ist schon ganz aus dem Häuschen wegen den Vorbereitungen.“

      „Ist das schon dieses Wochenende?“

      „Ja klar! Du hast es doch nicht vergessen, oder?“

      „Nein. Aber ich …“

      „Du hast es vergessen. Gib’s zu!“

      „Habe ich nicht, ich mag nur nicht die Art von Partys, die Meylin ausrichtet. Die aufgeblasenen Geldsäcke sind so oberflächlich wie sonst was. Und dazu noch langweilig und anstrengend. Außerdem habe ich schon einen Termin, den ich ungern verschieben möchte.“

      „Aber sie und Vater freuen sich so, ihren verlorenen Sohn aus der Ferne in der Heimat, im Schoß der Familie, willkommen zu heißen.“

      „Höre ich da versteckte Ironie? Papa hat nur ein schlechtes Gewissen, und Meylin organisiert für ihr Leben gern Cocktailpartys für die High Society.“

      „Da könnte was dran sein.“

      „Mist! Könnte die Feier eventuell auf einen anderen Tag verschoben werden? Es ist nur so, dass …“

      „Wohl kaum. Die Einladungen sind längst raus. Sämtliche Freunde aus dem Golf- und Tennis-klub kommen, und Vater hat wichtige Geschäftsfreunde aus der Branche eingeladen. Er will dich mit allen bekanntmachen.“

      Mir dreht sich bei diesem Gedanken der Magen um. „Marek, das geht nicht! Die merken doch gleich, dass ich von der Materie keine Ahnung habe.“

      „Vielleicht solltest du unserem alten Herrn reinen Wein einschenken.“

      „Nein, das geht nicht. Nicht jetzt!“

      „Ehrlichkeit währt am längsten!“

      „Na, dann fass’ dir mal lieber an die eigene Nase.“

      „Schon gut! Aber Kneifen geht nicht.“

      Ich hole tief Luft. Habe das Gefühl, ich drehe mich im Kreis. Weiß nicht, was ich tun soll. Gerade war ich froh, dass Hannah die Einladung zum Essen angenommen hat. Schwebe noch immer auf Wolke sieben und kann gar nicht fassen, dass wir ein Date haben. Es hat wirklich einiges an Mühe und Überredungskunst gebraucht, dass sie überhaupt zugestimmt hat. Ich möchte sie nicht enttäuschen und meine Chancen bei ihr zunichtemachen. Seit unserer Aussprache läuft es einwandfrei zwischen uns. Sie ist nicht nur eine wunderbare Kollegin, die mir viel und mit unendlicher Geduld alles zeigt und beibringt und so meine Wissenslücken schließt, sondern auch ein überaus warmherziger Mensch. Dazu ausgesprochen hübsch, auf ihre Art und Weise. Ich möchte ihr ungern absagen, aber darum werde ich wohl nicht herumkommen.

      „Keine Sorge, tue ich nicht. Trotzdem würde ich lieber einen großen Bogen um das Tamtam machen, wenn ich könnte. Es passt mir nun mal nicht, wenn ich wie ein preisgekröntes Rennpferd allen vorgeführt werde.“

      „Gönne es unserm alten Herrn, wenn er etwas mit seinem Erstgeborenen angeben möchte.“

      „Ein bisschen spät! Findest du nicht?“

      „Besser spät als nie. Ich bin immer nur der Zweitplatzierte und komme an die Nummer eins nicht ran.“

      „Außerdem bist du viel kleiner!“, necke ich ihn. Ich weiß, wie sehr ihn das ärgert.

      „Dafür aber wesentlich gutaussehender als du!“, kontert er.

      „Punkt für dich! Dann sag Meylin, dass ich mich wahnsinnig auf die Party freue, auch wenn das gelogen ist.“

      „Hey, so schlimm wird es schon nicht werden. Es gibt gut zu essen und reichlich zu trinken. Ein bisschen Blabla hier, ein bisschen Bussi-Bussi dort. Außerdem bin ich auch noch dort und werde dich, wenn es sein muss, vor Beverly retten.“

      „Ach, du Schreck! Die kommt auch? Dann muss ich vorher schon was trinken. Die wird wie eine Klette die ganze Zeit an mir kleben.“

      „Ja, genau. Besonders wenn Papa eure Verlobung verkündet! Immerhin bist du als zukünftiger Verlagschef eine gute Partie.“

      Das saß. Automatisch verziehe ich mein Gesicht zu einer Grimasse, als würde ich in einen Apfel beißen, der von innen gammelig ist.

      In meiner Erinnerung ist Beverly ein verzogenes, dickes Mädchen, das uns aufs Auge gedrückt wurde, wenn sich unsere Eltern besuchten. Mit Leidenschaft spielte sie gern Mutter, Vater, Kind. Marek sollte immer das Kind sein. Wenn wir uns wehrten, was eigentlich ständig war, fing sie an, zu plärren, und beschwerte sich bei ihren Eltern. Das Ende vom Lied war, dass die Erwachsenen auf der Seite von Beverly waren, sodass wir uns, unter Androhung von Strafe, zu fügen hatten und uns mit ihr beschäftigen mussten.

      Einmal haben Marek und ich uns vor ihrem Besuch aus Verzweiflung absichtlich mit Schaumküssen überfressen, damit wir uns übergeben mussten. Wir haben furchtbar gelitten, aber das war es wert gewesen, denn wir durften zu Hause bleiben.

      „Nee, lass mal lieber! Eher gehe ich ins Kloster und schwöre ewige Enthaltsamkeit.“

      „Was für ein Verlust für die Frauenwelt! Du kannst doch deine Freundin mitbringen. Wo liegt das Problem?“

      „Äh, Freundin? Ich habe keine Freundin, jedenfalls zurzeit nicht.“

      „Und was ist mit der Frau, mit der du verabredet bist? Wer ist sie eigentlich? Kenn’ ich sie?“

      „Nee, kennst du nicht!“, versuche ich, einzulenken. „Und ich habe nie behauptet, dass ich mit einer Frau verabredet bin.“

      „Was denn