Mathilde Berg

Undercover Boss


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nicht schon verärgert wäre, würde ich es jetzt garantiert sein. Sein Spruch wirft mich kurz aus der Bahn. Die Worte sind Balsam auf meiner Seele. Schmiegen sich an mein Ego wie Öl an einen Motor. Gleichzeitig kann ich nicht glauben, dass er es ernst meint. Ich möchte es ja gern. Es wäre nur zu schön. Verunsichert fahre ich fort.

      „Ja, witzig“, sage ich spitz. „Ich lache später darüber, wenn ich mal Zeit habe. Außerdem lenkst du ab! Wenn du meinst, dass …“

      „Stopp!“, ruft er mir entgegen. Verdutzt halte ich inne. „Okay, wie gesagt, gestern hatte ich einen schlechten Tag und wollte mich einfach nur mit einer netten Geste bei dir entschuldigen. Nicht mehr und nicht weniger. Wir arbeiten jetzt zusammen, damit musst du leben, auch wenn du mich offensichtlich nicht leiden kannst. Mein Vorschlag ist, wir fangen ganz von vorn an.“

      Ungläubig sehe ich ihn an. Meine Zunge ist wie gelähmt. Ich weiß nicht, was ich sagen soll.

      Er streckt mir seine Hand entgegen. „Hallo, ich bin Lars und arbeite seit gestern hier.“

      „Hallo.“ Ich gebe zu, damit habe ich nicht gerechnet. Mein schlechtes Gewissen meldet sich sofort, denn normalerweise bin ich nicht so. Nur er reizt mich bis aufs Blut, sobald er den Mund aufmacht. Das kenne ich sonst nicht. Umständlich räuspere ich mich. „Ich bin Hannah und total ungerecht. Tut mir leid.“ Versöhnend reiche ich ihm meine Hand. Bei der Berührung bekommen wir einen ordentlichen elektrischen Schlag. Es knallt, und wir reißen unsere Hände wieder auseinander.

      „Huch, es hat zwischen uns gefunkt“, zwinkert er mir zu.

      „Das hat gar nichts zu bedeuten. Der Teppich ist schuld. Das passiert mir ständig. Gewöhn’ dich besser daran.“

      „Wie wäre es mit Essen?“

      „Jetzt?“ Mein Magen sieht den Anlass als Bestätigung und fängt an, zu grummeln. Schnell lege ich meine Hand auf den Verräter, um das verdächtige Geräusch zu dämmen

      „Nein, ich wollte dich zum Essen einladen.“

      Meine inneren Alarmglocken schrillen schon wieder. Achtung, Hannah, Einlulltechnik! Wenn er glaubt, ich würde das nicht merken, ist er schiefgewickelt. Misstrauisch schaue ich ihn an. „Kantine oder Pommesbude?“

      „Weder noch. Ich wollte dich zum Abendessen einladen. Ein Versöhnungsessen, sozusagen.“

      Ich traue dem Braten noch nicht. Argwöhnisch blicke ich ihn an. Rechne jeden Moment damit, dass er mit einer schrägen Antwort um die Ecke kommt. Mich auslacht, dass ich darauf hereingefallen bin. Spielt er vielleicht auf meine Figur an?

      „Was ist? Isst du nicht gern?“, fragt er erstaunt.

      Also doch!

      „Ich jedenfalls esse für mein Leben gern, und ich koche auch sehr gut.“

      Aha, daher weht der Wind! Essen bei ihm zu Hause. Ich habe ihn und seine kuriosen Machenschaften durchschaut. Das zieht bei mir nicht. Da kann er Gift drauf nehmen.

      „Was ist? Traust du dich nicht?“ Da ist es wieder. Ich habe es doch gewusst. Mein Handy summt. Eindeutig eine Nachricht von meiner Mutter.

      „Klar traue ich mich! Wann?“

      „Samstag?“

      „Abgemacht!“

      „Cool!“

      Die Tür wird aufgerissen, und Lisa prescht herein.

      „Hallo, Hannah. Hast du das von Nils schon gehört?“

      Nils! Es fällt mir wie Schuppen von den Augen.

      „Oh, apropos Nils. Lars, du solltest zu ihm kommen. Hab’ ich total vergessen. Du wärst gut beraten, wenn du das schnellstmöglich nachholst. Er ist heute echt mies drauf.“

      „Na gut! Wenn du das sagst, werde ich es tun. Entschuldigt mich, Ladys.“ Lars verlässt das Büro.

      Lisa seufzt und sieht ihm verträumt hinterher, dann schaut sie mich verblüfft an. „Hab’ ich irgendetwas nicht mitbekommen?“

      „Nee, alles in Ordnung. Wir raufen uns gerade zusammen. Andererseits … ach, ich weiß nicht. Er hat mich zum Essen eingeladen.“

      „Oh, ein Date!“ Freudig klatscht Lisa in die Hände.

      „Nein, kein Date!“, streite ich ab, und doch hat es den faden Beigeschmack einer Verabredung. Mein Magen flattert. Ich muss unbedingt etwas essen, bevor ich ohnmächtig werde.

      „Es ist ein Versöhnungsessen unter Kollegen. Ein Neubeginn. Eine Teambuilding-Maßnahme, sozusagen“, versuche ich es Lisa, aber vor allem mir schönzureden, doch plötzlich wird mir das eigentliche Ausmaß dieser Situation bewusst. Ich Schaf bin doch tatsächlich in die Dating-Falle getappt!

      „Was ist?“, fragt Lisa besorgt. „Du bist ja ganz blass im Gesicht! Magst du etwa keine Dates?“

      „Natürlich, aber doch nicht mit ihm – und schon gar nicht jetzt! Ich muss mich auf meinen Job konzentrieren. Und überhaupt … Lisa, ich hab’ ein Problem. Gehst du mit mir shoppen?“

      „Ja klar!“, ruft sie freudig aus. „Morgen nach Feierabend?“

      „Gern. Danke, Lisa“, erwidere ich erleichtert. „Und was ist jetzt mit Nils?“

       Hannah

      „Klasse von der Peschke, Nils den Urlaub nicht zu genehmigen“, nehme ich noch mal das Gesprächsthema Nummer eins vom internen Firmenklatsch auf. Zusammen schlendern wir vom Parkplatz zur Innenstadt. Ich freue mich riesig, dass Lisa mich begleitet.

      „Ja, ausgerechnet unserem Brückentagkönig.“

      „Das hätte ich der Personalchefin gar nicht zugetraut.“

      „Die beiden können sich nicht leiden. Jedenfalls nicht mehr.“

      „Wie das?“

      „Na, man munkelt, dass die beiden ein Verhältnis hatten.“

      Verdattert bleibe ich stehen. „Liselotte Peschke und Nils Förster? Bist du sicher?“

      „Und ob! Es wurde zwar nie an die große Glocke gehängt, und keiner weiß etwas Genaues darüber, aber Frau Peschke plaudert gern auf Betriebsfeiern aus dem Nähkästchen, wenn sie etwas mehr getrunken hat.“

      „Ich kann das überhaupt nicht fassen!“

      Langsam schlendern wir weiter.

      „Nils bandelt doch mit jeder an, von der er sich einen Vorteil verspricht.“

      „Das kann ich mir bei ihm sehr gut vorstellen. Der hat Arme wie ein Oktopus. Ständig tätschelt und grabbelt er herum. Einfach widerlich!“

      „Du musst dich wehren, Hannah. Wenn es zu viel wird, musst du es Frau Peschke melden.“

      „Ja, hätte ich schon lange. Ich kann ihm aber nichts nachweisen. Wir sind immer allein, wenn er das tut. Ich habe überhaupt nichts in der Hand gegen ihn. Er würde alles abstreiten. Außerdem brauche ich seine Beurteilung und sein Empfehlungsschreiben.“

      „Ach, Hannah, Nils ist ein Schwein! Er weiß genau, dass er am längeren Hebel sitzt. Da bist du nicht die Einzige. Das macht er mit jeder, zumindest fast.“

      Ich seufze und bemitleide mich etwas selber, denn eine Lösung für diese unangenehme Situation habe ich noch nicht gefunden. „Frau Peschke sehe ich jetzt mit ganz anderen Augen.“

      „Du hättest sehen sollen, wie er auf unserem Flur vor ihrem Büro getobt hat.“

      „Kann ich mir gut vorstellen. Daher hatte er gestern Morgen so schlechte Laune. Jetzt wundert es mich gar nicht mehr.“

      „Oh, schau mal hier! Das wäre doch was für dich.“ Lisa zieht mich am Arm zu einem Schaufenster.

      „Meinst du?“ Ungläubig schaue ich