Mathilde Berg

Undercover Boss


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Gröne dein Ansprechpartner.“

      Still arbeiten wir vor uns hin. Leise ist das Geklapper der Tastatur zu hören. Im Hintergrund dudelt eine fröhliche Melodie aus dem Radio, die die stumpfsinnige Tätigkeit erträglicher macht und locker von der Hand gehen lässt.

      „Du, Hannah?“, unterbricht Lars das Schweigen.

      „Ja?“

      „Also, wegen Samstag …“ Er räuspert sich. Macht eine Pause.

      Ich schaue von meinem Bericht auf und blicke ihn über unsere Bildschirme hinweg erwartungsvoll an.

      Lars sieht auf seine Schreibtischunterlage. Mit den Händen traktiert er nervös einen Kugelschreiber. Er dreht das Griffrohr auf, friemelt die Mine raus und bastelt alles wieder zusammen.

      „Ich … ich muss absagen“, platzt er schließlich hervor.

      „Oh!“ Ich schlucke und versuche, die plötzlich aufkommende Enttäuschung, die mich selber überrascht, zu verdrängen.

      Eigentlich habe ich es von Anfang an gewusst, ja, praktisch erwartet, dass er es nicht ernst gemeint hat und einen Rückzieher machen würde. Trotzdem tut es verdammt weh, in meiner Herzgegend, und mein Magen zieht sich zusammen.

      Und ich blöde Kuh habe mich verrückt gemacht, was ich am Samstag anziehen soll! Gott sei Dank habe ich die Quittungen aufgehoben und die Etikette von meinen neuen Sachen noch nicht abgeschnitten. Somit wird es wenigstens kein finanzieller Reinfall.

      Ich versuche, nicht zu enttäuscht zu klingen. „Nicht so schlimm! Ich habe auch noch eine andere Verabredung am Samstag. Das wollte ich dir schon den ganzen Tag sagen. Bin nur noch nicht dazu gekommen. Also, mach dir keinen Kopf. Außerdem war das mit unserem Treffen doch eh nicht so eine gute Idee.“

      Mit einem lautem Klack, bricht der Klipp von der Druckhülse ab.

      „Ach so!“ Jetzt klingt er enttäuscht. Eventuell interpretiere ich da auch zu viel hinein. So gefühlsduselig habe ich ihn nicht eingeschätzt. Das ist eigentlich etwas für, na ja … Jedenfalls nichts für gestandene Männer. „Warum denn nicht?“

      „Weil … Zum einen: Dienst ist Dienst und Schnaps ist Schnaps. Zum anderen wird es nicht gern in diesem Unternehmen gesehen, wenn sich männliche und weibliche Kollegen privat treffen. Liebelei am Arbeitsplatz, und so. Nicht, dass wir je … Versteh mich nicht falsch, aber die Gerüchteküche und die Stille Post sind hier nicht zu unterschätzen. Im Nu müssen wir in der Chefetage zum Report antreten, und ich habe echt keinen Bock, deswegen meinen Job zu verlieren.“

      Mittlerweile hat er den Kugelschreiber in seine Einzelteile zerlegt. Ohne großen Erfolg versucht Lars, die Druckfeder wieder auf die Miene zu schieben.

      Ich greife in die Handtasche, die in der untersten Schreibtischschublade liegt, um mein Handy herauszuholen. Jetzt kann ich meiner Mutter doch noch für Samstag zuzusagen. Die zusätzlichen Scheinchen kann ich gut gebrauchen.

      „Eigentlich wollte ich dich fragen, ob wir den Termin auf morgen Abend vorverlegen könnten.“

      „Oh! Damit habe ich jetzt nicht gerechnet“, gebe ich ehrlich zu. Ärgere mich jedoch gleich im Nachhinein, dass ich mehr von mir preisgebe als mir lieb ist.

      „Wieso?“

      „Na ja, keine Ahnung“, druckse ich herum. „Du hast sicherlich Besseres zu tun als dich mit mir zu treffen!“

      „Nö, eigentlich nicht. Wie kommst du darauf?“, fragt er verblüfft.

      „Wir sind doch völlig verschieden. Schau dich doch an. Du siehst aus, als wärst du aus einem Modekatalog gestiegen, und ich … ich bin eben nur ich.“

      „Ja, und? Gegensätze ziehen sich doch an, habe ich mal gehört.“

      „Aber kein Schönling einen Struwwelpeter!“

      „Du hast ja eine seltsame Wahrnehmungskraft! Dein Aussehen scheint dich sehr zu beschäftigen, wenn du schon wieder davon anfängst. Hast du kein Körperbewusstsein?“

      „Doch!“

      „Und? Ist irgendetwas nicht okay mit deiner Verpackung?“

      „Was soll das denn jetzt heißen? Natürlich weiß ich, wie ich aussehe. Ich bin nur zu klein.“ Da ist es schon wieder! Sobald er den Mund aufmacht, bin ich auf Krawall gebürstet. Er hat meinen empfindlichsten Punkt getroffen. Pikiert recke ich mich, um ein paar Zentimeter größer zu wirken, und zupfe das Shirt zurecht.

      „Dann weißt du ja, dass du eine hübsche Frau bist, mit scharfen Kurven.“

      Ich nehme alles zurück. Er ist hinreißend!

      Mit Mühe unterdrücke ich den Impuls, mich umzudrehen, obwohl ich genau weiß, dass wir allein im Büro sind. Er kann also mit seinen Worten nur mich gemeint haben.

      Mir wird etwas mulmig zumute. In meinem Bauch kribbelt es, als wären dort dreißig Schmetterlinge gefangen, die verzweifelt einen Weg ins Freie suchen.

      „Quatsch!“ Mit der Hand mache ich eine wegwerfende Bewegung. „Du nimmst mich auf den Arm.“

      Verlegenheit schwingt mit, als er mit sanfter Stimme sagt: „Nein, gar nicht, ich meine das total ernst. Ich mag Frauen mit Kurven.“

      Sprachlos schaue ich ihn an. Weiß nicht, was ich davon halten soll, als plötzlich die Druckfeder von dem in Einzelteile zerlegten Kugelschreiber vor ihm mit einem Geräusch, das mich an den hüpfenden Flip aus Biene Maja erinnert, in hohem Bogen quer über den Schreibtisch saust und in den Fransen des hochflorigen Teppichs verschwindet.

      Lars blickt dem Geschoss bedeppert hinterher. Die Situation ist so komisch, dass ich lauthals anfange, zu lachen. Als Lars endlich aus seiner Schockstarre erwacht, fällt er in mein Gelächter ein. Es ist ein schönes Lachen, voll und ganz von Herzen kommend. Inzwischen rollen mir die Tränen über die Wangen. Meine Mascara ist sicherlich total verschmiert. Vermutlich sehe ich aus wie ein Pandabär, aber das ist mir im Augenblick völlig egal. Mein Bauch schmerzt, und ich bekomme kaum Luft, dafür aber Seitenstiche. Er sieht, wenn er so lacht, bezaubernd aus. Etwas Spitzbübisches strahlt aus seinen rauchblauen Augen. Der arrogante Zug in seinem Gesicht ist verschwunden und hat Platz gemacht für einen charmanten, aparten Bick, der echt sexy ist.

      Wir brauchen etlichen Minuten, um uns mehr oder weniger zu beruhigen, denn jeder Blick zu dem anderen löst einen neuen Lachflash aus.

      Großzügig verteile ich Taschentücher, schnäuze meine Nase und versuche, mein Make-up einigermaßen zu retten.

      „Ich sollte den Kugelschreiber wieder zusammenbauen. Weißt du, wo diese Feder hingeflogen ist?“

      „Ja, in den Teppich vor dem Schreibtisch. Aber schmeiß’ das alte Ding doch einfach weg. Er ist sowieso kaputt, nachdem du ihn so malträtiert hast.“

      „Keine schlechte Idee, wenn der Kuli nicht Nils gehören würde. Ich hab ihn versehentlich vorhin mitgenommen und …“

      Laut ziehe ich die Luft durch die Zähne ein. „Das ist Nils Kugelschreiber? Du hast seinen heiligen Stift mitgehen lassen?“

      „Ja, ist eine blöde Angewohnheit von mir. Aber es ist doch nur ein Kugelschreiber!“

      „Nicht für ihn!“

      Auf allen vieren krabbeln wir auf dem Teppich und suchen die Druckfeder zwischen den langen Fransen, als die Tür aufgerissen wird. Dem ungebetenen Störenfried strecke ich unfreiwillig den Hintern entgegen. Auf die Idee, dass ich Lars in dieser Haltung einen tiefen Einblick auf meine weiblichen Rundungen gewähre, komme ich nicht.

      „Hat jemand von euch meinen Kugelschreiber geklaut? Ihr wisst genau, dass dieser Stift mir gehört. Also, her damit!“

      Ertappt fahre ich herum und setze mich auf. Peinliche Röte schießt mir in die Wangen, als mir meine Körperhaltung bewusst wird.

      „Sorry, Herr Förster, hier ist er nicht. Vorhin hatte ich ihn auf Ihrem Schreibtisch gesehen“,