Daimon Legion

In die grüne Tiefe hinab


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Papier, Pappbecher, eine ausrangierte Waschmaschine, Müllsäcke, Einweggrille, Tetrapaks, Zeitungen, Dosen, Autoteile, Bestecke, Kronkorken, Spielbälle und Verpackungen aller Art.

      Gab es den Dreck bereits, als Una mit Florian hier gewesen war? Er konnte wirklich von Glück reden, in keine Scherbe getreten zu sein. Bei so viel Schrott war eine Blutvergiftung ja vorprogrammiert.

      „Gesammelte Werke, wie?“, versuchte sie einen trockenen Kommentar. „Seit wie vielen Jahren gammelt das Zeug jetzt schon vor sich hin?“

      Man warf ihr einen verdrießlichen Blick zu.

      „Das, Schätzchen“, begann Lorin, „liegt erst über den Winter. Ansonsten sind wir Geister echt hinterher mit dem Saubermachen. Aber die Menschen produzieren täglich so viel Müll, dass es uns über die Köpfe wächst. Der See ist groß und wir können nicht überall sein.“

      Das Mädchen war baff. In nicht mal einem Jahr entsorgten die Leute illegal dermaßen viel Unrat?

      „Noch dazu“, klagte Penina und schwamm zu der Waschmaschine, „sind manche Gegenstände zu groß, als dass wir Kleinen sie von der Stelle bewegen könnten. Wir brauchen hierfür Shariks Hilfe. Oder gegebenenfalls deine.“

      „Wohin wollt ihr das Zeug denn verlegen?“, fragte Una interessiert.

      „Zurück an Land!“, antwortete der Fisch verärgert. „Wenn die Menschen meinen, uns ihren Schund aufbürden zu können, um ihn aus den Augen und Sinn zu haben, schicken wir ihnen das Gelumpe postwendend zurück. Was an Land verrottet, soll nicht unser Problem sein, aber wir dienen denen da oben bestimmt nicht als Müllschlucker!“

      Ihre Verärgerung konnte Una freilich nachvollziehen. Es wäre dasselbe, wenn ein fremder Wagen plötzlich im eigenen Vorgarten parken und den grünen Rasen plattmachen würde. Wer würde sich schon darüber freuen?

      Aber, wie Lorin schon sagte, es gab Menschen, die sich um solche Belange einfach nicht kümmerten. Hauptsache fort mit der leeren Flasche, dem Eisstiel, der Zigarettenkippe. Danach die Sintflut.

      Una schüttelte den Kopf über die Dummheit und versprach: „Ich helfe euch natürlich, das Zeug beiseitezuschaffen.

      Doch kann ich eigentlich an Land gehen, um den Müll abzuladen? Ich denke, ich bin tot, oder?“

      Wieder unterhielten sich die Freunde schweigend mit Blicken.

      „Ja, dein Menschenkörper ist tot“, bestätigte Arnold sachlich, „jedoch bist du kein Mensch mehr, sondern ein werdender Wassergeist. Solange du wieder in das Wasser zurückkommst, in dem du zu Hause bist, kannst du dich auch etwas an Land bewegen. Selbst der Herr unternimmt ab und an Spaziergänge am Ufer.

      Es sollte jedoch nicht zur Gewohnheit werden. Wie gesagt, du stirbst, wenn du zu lange fernbleibst.“

      Das hatte sie schon verstanden. Trotzdem fand sie, dass sich die Muschel etwas nebulös ausdrückte. Allerdings erhellte ein neuer Gedanke sie gleich wieder: Ich kann an Land leben. Oder besser überleben. Sie war kein erstickender Fisch und kein verfaulter Zombieleichnam.

       Ich kann an Land.

      „Also dann“, war sie froh gestimmt, entgegen der anfallenden Arbeit, „legen wir mal los.“

      „Nicht so hastig“, unterbrach Penina ihren Tatendrang, „da gibt es noch einiges zu bereden.

      Lorin, geh du schon mal los und trommle ein paar Freunde zusammen. Wir brauchen hier mehr Flossen und Zangen, um vorwärtszukommen.“

      Ohne Murren machte der sich auf den Weg.

      „Was gibt es denn noch?“, wollte Una wissen, nachdem der Frosch fort war.

      „Nun, wir haben dir zwar gesagt, dass du an Land kannst“, sprach Arnold, „doch das heißt nicht, dass du gehen solltest. Du bist noch nicht bereit dafür.“

      „Grob gesagt, es hadert daran, dass du noch nicht gelernt hast, deine Gestalt zu verändern“, vollendete Penina seine Rede. „Noch gröber gesagt: Du kannst nicht zaubern.“

      Was sollte sie daraufhin erwidern?

      „Du sagtest uns, der Wassergeist, der dich getötet hat, hätte die Gestalt eines Freundes angenommen, um dich zu täuschen“, erinnerte sie die Freundin. „Das ist eine alte Taktik der Geisterwesen. Sie sind nicht von fester Gestalt wie ein Menschenkörper, sondern können Zauber wirken, die sie für andere verändert zeigen.

      Kannst du mir folgen?“

      „Du meinst, das, was ich sah, war nicht echt“, verstand Una selbstredend. Ganz dumm war sie ja nicht.

      „Genau, aber der Wassergeist war da. Er hätte sich für das Menschenauge auch unsichtbar machen können. Oder die Gestalt eines Tieres oder einer Lehrerin annehmen können. Irgendwen, irgendetwas, um von seiner wahren Gestalt abzulenken. Doch du kannst das noch nicht. Du musst es erst lernen, sonst bringst du dich in große Schwierigkeiten.“

      „Was für Schwierigkeiten?“, stand gleich die Frage im wässrigen Raum.

      Arnold antwortete: „Du kannst dir sicher denken, dass die Leute etwas geschockt wären, wenn sie eine Person sehen würden, die Müll aus dem Wasser an Land schiebt, ohne zu ertrinken? Oder stell dir vor, wie sie auf den Herrn reagieren würden, wenn er sich ihnen in seiner Gestalt als Hecht zeigen würde.

      Das ist nicht gut. Man könnte dir auflauern, dich verletzen, gefangen nehmen, an einen Zirkus verkaufen …“

      „Es klingt abgedroschen, aber die Menschen sind nicht bereit dafür, andere intelligente Lebewesen neben sich zu akzeptieren“, schloss Penina ab. „Das artet nur in Anfeindung und Kampf aus. Menschen gegen Monster, denn das bist du letztlich für sie.“

      „Ich bin doch noch -“, wollte Una erwidern, jedoch war es einleuchtend.

      „Als du vorhin den Herrn gesehen hast“, sagte Arnold, „war dein erster Gedanke zu ihm sicher auch, er sei ein Monster, oder? Etwas Nichtmenschliches. Wir sind sprechende Tiere. Das erweckt in Menschen ebenfalls Ekel. Ihr haltet es für unnatürlich, krankhaft. Dabei sind die Elementargeister das Natürlichste der Welt.

      Ironisch, nicht?“

       Wahrscheinlich.

      Una bekam leichte Kopfschmerzen. Es war wirklich ein ermüdender Tag.

      „Also kann ich euch gar nicht helfen, diesen Müll aus dem See zu schaffen? Die Menschen könnten mich dabei sehen“, schlussfolgerte sie. Ihre frisch gewonnene Euphorie verpuffte.

      Penina nickte, jedoch gab sie auch Hoffnung: „Solange du unterhalb der Oberfläche bleibst, kannst du die Dinge an Land werfen. So müssen wir es auch handhaben, weil wir nicht aus dem Wasser kommen. Alles Weitere werden wir Sharik überlassen müssen. Er wird sich unsichtbar für die Menschen machen. Und in der Dämmerstunde ist auch meist niemand mehr am Ufer, um neugierig zu werden, wieso der Abfall von selbst wieder aus dem Wasser kommt. Kleinigkeiten sind ja unauffällig, aber die großen -“

      „Hallo Nina! Hi Arni!“, rief plötzlich ein kleiner Flusskrebs, der des Weges kam. Er winkte ihnen mit der Schere und fasste kurz darauf eine treibende Plastiktüte, um sie mit anderem Gerümpel zu füllen. Dem Krebs folgten andere Tiere nach; Wasserkäfer, Schnecken, Muscheln, aber auch Fische aller Art, vom zierlichen Stichling bis zum großen Karpfen. Lorin zog eine Meute von Molchen und Fröschen mit sich. Man unterhielt sich lebhaft und bald war das Wasser erfüllt vom Klang der unterschiedlichsten Stimmen.

      So viele Seelen, die halfen, ihr Zuhause zu säubern.

      „Jetzt können wir beginnen“, verkündete Penina und zwinkerte Una verschmitzt zu.

      Una half, so gut sie konnte. Zuerst hatte sie Probleme, genug Schwung durch das Wasser zu bekommen, um den ganzen Dreck durch die Oberfläche an den Strand werfen zu können, doch mit etwas Übung gelang es ihr mit dem ganzen Pfannen- und Topfkram fertig zu werden. Messer und Gabeln waren dagegen schon einfach.

      Als sie